Frage: Mehrere enge Bezugspersonen

Hallo Herr Post, Unser 2,5j Sohn wächst von Geburt an mit beiden Großeltern als zuverl. Bezugspersonen auf. Die Omas werden tagsüber absolut bevorzugt (Eltern weggeschickt), zum Trösten und ins Bett bringen sind wir aber wieder gefragt. Auch Essen und Zähneputzen klappt mit den Eltern besser. Vater steht wegen Arbeit nicht tägl. zur Verfügung, kann aber ebenso ins Bett bringen und ist zum Toben sehr beliebt. Spiel mit der Mutter ist eher uninteressant. Wir empfinden unser Kind als glücklich und unkompliziert und hören das auch oft von außen. Trotzdem irritiert mich, dass wir von den beschriebenen Entwicklungsschritten so wenig mitbekommen. Z.Bsp. gab es wenig Fremdeln (Fremdetest zeigt aber sichere Bindung), keine Wiederannäherungskrise und auch der Trotz hält sich absolut in Grenzen. Welche Auswirkung haben mehrere enge Bez.personen auf die LL? Kann weniges Trotzen zu Problemen für das Selbstbewusstsein führen?

von melani201 am 28.05.2012, 12:16



Antwort auf: Mehrere enge Bezugspersonen

Hallo, was Sie bei Ihrer Betrachtung wahrscheinlich zu wenig in Rechnung stellen, sind das Temperament und die Charakteranlagen des Kindes. Diese der Persönlichkeit vorauseilenden Eigenschaften des Kindes bestimmen erheblich mit, wie die emotionalen Klippen in der Entwicklung gemeistert werden. So gibt es eher geduldige und gelassen reagierende Kinder, die grundsätzlich keine so markanten Züge bei ihren Entwicklungsschritten aufweisen wie andere. Das Fremdeln hat ohnehin viel mit Angstverhalten zu tun. Schwach fremdelnde Kinder, die dann sicher gebunden sind, zeigen kein stärkeres Angstverhalten fremden Personen gegenüber im 2. Lebensjahr. Auch die Wiederannäherungskrise verläuft dann eher beiläufig und wird gar nicht richtig wahrgenommen. Es hat ja auch bis zum Ende des vergangnen Jahrhunderts gedauert, bis überhaupt eine Entwicklungspsychologin dieses Entwicklungsphänomen erkannt hat (Margaret Mahler). Der Trotz hat auch sehr viel mit Bindung und Loslösung zu tun. je unsicherer die Bindung und je schlechter die Loslösung desto stärker das Trotzen. Aber ob überhaupt stark getrotzt wird oder nicht, hat wiederum viel mit dem Temperament des Kindes zu tun. Ein schlechtes Selbstbewusstsein muss also keineswegs bei schwächerem Trotzen entstehen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 31.05.2012