Frage: manchmal weiß ich nicht mehr weiter...

Guten Tag! Seit einiger Zeit wird das Zusammenleben mit meinem kleinen Sohn (2 1/2) immer komplizierter. ER war schon immer in sehr aufgewecktes Bürschen, und es gab eine ZEit, in der er alles und jeden recht schnell biß, das hat sich etwas gelegt, aber neuerdings wird er stetig aggressiver. Seine kleine SChwester (10 Monate) liebt er zwar, will sie küssen und umarmen(wie auch uns oft), aber dann legt er sich im gleichen Moment auf sie, beißt sie ins Ohr und schlägt. Das selbe geschieht auch mit uns, in einem Moment ist er anhänglich, verschmust aber wir müssen stets auf der Hut sein, da das sofort ins Gegenteil umschlagen kann, schneller als wir reagieren können schlägt er dann uns oder boxt, will ins Auge picksen etc. Das ganze endet immer im Streit, er macht weiter, ich versuche zu erklären, daß es mir weh tut, das ich traurig bin, wenn er verletzt und so weiter. Er reagiert oft gar nicht und die einzige Hilfe, die ich finde, ist ihn in sein Zimmer zu sperren. DOrt schmeißt er dann mit allem was er findet um sich. Ich versuche immer, meine Liebe und Aufmerksamkeit gerecht zu verteilen, seine SChwester muß auch dann allein im Laufstall sein, wenn ich mich um ihn kümmere, mit ihm was lese etc, dann kommt natürlich auch wieder die Schwester mal dran, und wenn seine Großeltern da sind, bekommt er natürlich die Extra Portion Aufmerksamkeit. ABer Theater gibt es dennoch. Es knallen die Türen, obwohl er das bei uns sonst nicht abgucken kann, er flippt aus, wenn es nicht nach seinem Kopf geht, obwohl er doch auch seine "eigenen" SChmusestunden erhält. Immer wird gerade das gegnteil von dem gemacht was erwünscht ist, ok, ich weiß es sind die Trotzphasen, aber muß das Familienleben mit knapp 3 Jährigen immer im STreit escalieren?? Ich bin oft schon so entnervt! Was dann zu der Situation nicht positiv beiträgt. Wie kann ich das nur entschärfen??? Dankeschön, Karin

Mitglied inaktiv - 02.06.2003, 10:02



Antwort auf: manchmal weiß ich nicht mehr weiter...

Liebe Karin, zunächst einmal bedarf es eines Verständnisses für die Reaktionen Ihres Sohnes, um "deeskalieren" zu können. Das kann ich hier nur sehr kurz abhandeln. Offenbar braucht Ihr Sohn viel aggressiven Impuls, um sich sein Selbst, d.h. sein autonomes Dasein als eigenständige Persönlichkeit zu verschaffen. Warum das so ist, kann ich von hier aus nicht sagen. Ob es Erlebnisse in den ersten beiden Lebensjahren sind oder ob die Geburt der kleinen Schwester dazu beigetragen hat, beides ist möglich. Z.T. mögen es auch Anlagen sein. Auf jeden Fall kann Ihr Sohn die ihm ja wichtigen Liebesbekundungen nicht sauber von seinen aggressiven Impulsen trennen. Denn Liebesbekundung bedeutet ja immer auch sofort wieder "Eingeständnis" von Abhängigkeit. Diese muß er aber beständig überwinden, um ein Selbst zu werden und zu sein, nämlich er SELBST. Wenn Sie jetzt Ihren Sohn für dieses Dilemma, das er in sich fühlt ("immer geht mir alles schief, auch wenn ich lieb sein will"), das er aber mangels Selbsterkenntnis nicht abändern kann, bestrafen, treiben Sie ihn immer tiefer in seine unglückliche Position und alles wird noch schlimmer. Außerdem bestrafen Sie ihn für seine durchaus legitimen Selbstbestrebungen! U.U. mit unheilvollem Ergebnis für ihn. Eigentlich müßten Sie ihn trösten für seine "Ausfälle", ihn beruhigen und besänftigen. Dann mit etwas ablenken, was er mag, und ihn dabei und damit aufwerten! Das darf nicht nach Belohnung aussehen, denn das wäre die falsche Botschaft. Es muß sich ohne große Worte ergeben, wobei Sie jetzt die Regulationsmacht übernehmen an seiner statt. Mit der Zeit geben sie ihm diese Macht dann wieder zurück, in dem Sie ihm Ihr Zutrauen schenken, daß er nicht mehr aggressiv ausfällt. Klingt kompliziert, aber die einfache Pädagogik zieht da leider nicht mehr (wie Sie selbst ja schon bemerkt haben). Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 02.06.2003