Hallo Herr Dr. Posth,
Unsere Tochter (3 M.) wird von beiden Elternteilen nahezu gleichermaßen betreut. Nach der Geburt hatten wir im KH ein Familienzimmer, und da ich einen KS hatte, hat der Vater von Anfang an für die Körperpflege gesorgt. Sie schlief dort bereits meist zwischen uns im Bett oder auf Papas Bauch. Auch heute teilen wir uns das Herumtragen, in den Schlaf begleiten, Spielen und Pflegen den ganzen Tag über, und nachts schläft sie im Beistellbett auf der Seite von meinem Mann. Die Kleine wird voll gestillt.
Meine Frage ist: wie wirkt sich diese „Doppelmutter-Rolle“ wohl auf die Situation der primären Bindung und die spätere Loslösung aus? Gibt es etwas zu beachten, um unserer Tochter die spätere Loslösung (oder die "Rollenverteilung") zu erleichtern? Dankeschön im Voraus für Ihre Antwort!
Viele Grüße
von
kirho
am 13.05.2013, 07:26
Antwort auf:
Loslösung
Hallo, in den ersten Lebenswochen ist es einem Säugling erfahrungsgemäß weitgehend gleich, wer ihn versorgt und betreut, Voraussetzung, er erkennt und befriedigt seine Bedürfnisse. Das darf also auch der Vater sein oder die Großmutter. Erst mit 3 bis 4 Monaten unterscheidet der Säugling da sehr genau, wer was mit ihm tut, und sehr sensible Säuglinge fangen auch schon an zu fremdeln. Danach sollte man sich in seine Pflegeaktivitäten dann auch richten. Denn jetzt geht der Säugling immer stärker seine Bindung ein und die ist vorerst ziemlich exklusiv. Aber wenn beide Eltern die Versorgung und Betreuung etwa gleich intensiv ausführen, akzeptiert der Säugling diese beiden Personen auch in gleicher Weise. Aber noch etwas älter fängt er dann an, den Bezugspersonen bestimmte "Rollen" zuzuweisen und dann lieber von dem einen gefüttert und dem anderen schlafen gelegt zu werden. Da ist dann plötzlich der Vater beim Zubettgehen nicht mehr in der Lage, sein Kind zu beruhigen, aber beim Herumtragen oder Füttern ist er vollständig akzeptiert. Hier müssen Eltern dann einen Mittelweg finden. Gerade im zweiten Lebensjahr, wenn zur Bindung die Loslösung kommt, sollten die Bedrüfnisse des Kindes nach Rollenvergabe ernst genommen werden und auch "bedient". Sonst kann es beim Kind zu heftigen Wutausbrüchen kommen. Das Stichwort hierzu lautet "Bindungsverwirrung", s. gezielter Suchlauf. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 14.05.2013