Frage: Hilfe, meine Tochter dreht am Rad .....

Sehr geehrter Hr. Dr. Posth, ich hab hier schon so manches Mal einen hilfreichen Gedankenanstoß bekommen, deswegen probiere ich es heute gerne wieder. Meine Tochter ist jetzt gut 18 Monate alt und befindet sich seit einiger Zeit (2-3 Wochen) anscheinend in der Loslösungsphase. Was ja nun nichts besonders schlimmes ist - und beim dritten Kind sehe ich vieles schon sehr viel gelassener und abgeklärter als beim ersten und auch noch beim zweiten. Die Wutanfälle tagsüber bekommen wir an sich immer ganz gut geregelt, teils lenke ich sie ab oder wir sehen darüber hinweg, wenn es sich um nichts dramatisches handelt, teils lasse ich sie es auch "durchbocken" und pfeife mir ein Liedchen, wenn es um Sachen geht, die mir wichtig sind. Ich denke, wir fahren hier ganz gute Kompromisse, mit denen wir alle gut leben können. Schwierig wird es abends und ich traue mich diese Frage zu stellen (obwohl Sie keine Schlaffragen beantworten :-)), weil ich nicht genau einschätzen kann, wie ich reagieren sollte. Das "Drama" fängt an, wenn wir nach dem Abendessen -wie seit gut einem halben Jahr IMMER- sagen "so, jetzt gehen wir Waschen, Zähneputzen, Umziehen und ins Bett". Glücklicherweise übernimmt mein Mann die beiden Jungs (3 und 5), so daß ich alle Zeit der Welt habe, "Madame" ins Reich der Träume zu begleiten. ABER: Sie will nicht. Sie will mich nicht und sie will es (=das Abendritual) nicht. Wo wir einst - bis vor 2 Wochen - friedlich zu fünft ins Obergeschoß marschiert sind und anschließend immer friedlich unsere Kinder ins Bett brachten, versucht Moni jetzt alle Regeln in Frage zu stellen und ums Verrecken alles "anders" zu machen. Ist ja soweit noch verständlich. ABER: Man kann ihr wirklich NICHTS mehr recht machen. Waschen und Zähneputzen will sie selber - Unterstützung wird mit Gebrüll quittiert. Lasse ich sie gewähren (weil mir ihr Seelenfrieden wichtiger ist als ein nur teilwiese sauberes Gesicht, was ich auch am nächsten Tag noch (problemlos !) in Ordnung bringen kann), rennt sie wirklich bis zu einer Stunde mit der Zahnbürste im Mund spazieren - um anschließend wieder ins Erdgeschoß verduften zu wollen. Ich bin ehrlich: Anfangs dachte ich, vielleicht ist sie wirklich nicht müde und nahm sie einen Abend nochmals mit nach unten. Das war aber auch verkehrt, kaum unten, wollte sie wieder hoch. Oben wollte sie wieder runter. Ganz so geht es ja auch nicht. Also beenden wir ihre Zahnputzorgie seit 2 Wochen regelmäßig mit einem Tobsuchtsanfall. Umziehen ist ein Graus - ich muß sie schon in ihre Klamotten reintricksen, weil sie um sich schlägt, wegläuft und vor allem schreit und brüllt, daß mich letzthin schon Nachbarn darauf angesprochen haben, was ich meinem Kind antue *augenroll*. Mona schlägt Ihre Brüder in Sachen Organ, Ausdauer und Intensität der Wut um Längen ... Ist sie endlich in den Schlafanzug bugsiert, will sie wieder aus ihrem Zimmer raus. Hab ich sie auf dem Arm, kneift, schlägt, tritt und brüllt sie, als wolle ich ihr etwas antun. Lasse ich sie runter, rennt sie zur Tür und trommelt brüllend dagegen, daß mir Angst und bange wird. Lege ich sie in ihr Bett, geht es dort weiter. Mona war vorher immer absolut problemlos, wir haben gekuschelt, sie hat gestillt (nein, Langzeitstillen diskutieren wir jetzt nicht :-) ), ist in ihr Bett, legte sich hin, war friedlich und schlief ein. Jetzt will sie nicht mehr kuscheln, nich mehr stillen, nicht mehr in ihr Bett. Sie will eigentlich gar nichts mehr - die ersten beiden Tage (diese Phase ging sehr abrupt los aber ohne irgendeinen Anlaß, den ich nachvollziehen könnte) hat sie mich so sehr beunruhigt, daß ich beim Kinderarzt war, weil ich dachte, ihr MUß etwas fehlen. Dem ist aber nicht so - zumindest nicht organisch. Ich bin inzwischen total verunsichert und versuche mich mit dem, was ich für vernünftige Konsequenz halte, durchzumogeln. Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Ihre Einschätzung und einen Tip, welches Verhalten von meiner Seite her angebracht wäre. Zur Zeit läuft es so: Da es zwangsläufig nicht nur "Zeit" ist, ins Bett zu gehen (Mona steht zwischen 7.00h und 8.30h auf, macht keinerlei Tagesschläfchen und geht gegen 19.30-20.00h ins Bett) sondern sie auch eindeutig müde ist, biete ich ihr immer erst den "normalen" Weg "wie immer" an. Wenn Sie aber auf mich einschlägt, sich stocksteif macht und nur brüllend zu Tür zeigt, lege ich sie ins Bett. Bleibe ich im Raum rastet sie noch mehr aus - also ziehe ich mich vor die Tür zurück. Sie tobt sich dann drinnen aus (es klingt grausig ...). Sobald ihr Zorn ein wenig nachläßt, gehe ich wieder zu ihr. Wenn es gut läuft, streckt sie mir die Arme entgegen, kommt auf meinen Arm, läßt sich knuddeln, schläft erschöpft ein - oder aber gibt mir dann irgendwann zu verstehen, daß sie ins Bett möchte - und dann ist es auch ok wenn ich sie hinlege. Wenn es schlecht läuft, geht der Tobsuchtsanfall wieder genauso von vorne los - bis zu drei oder viermal. Ich weiß wirklich nich mehr, was richtig ist - auf der einen Seite tut sie mir so leid, wenn sie so verzweifelt gegen Windmühlen kämpft, auf der anderen Seite macht sie wirklich nur mit einem Hin- und Hergeschrei weiter, wenn ich auf ihre vermeintlichen Wünsche eingehe (also beispielsweise das Zimmer nochmal verlassen etc.) - sie kommt dann einfach nicht zur Ruhe ... Ist nun mein Vorgehen ok oder habe ich irgendetwas nicht bedacht ? Wie gesagt: Auch meine Jungs haben "getrotzt" aberdas war kein Vergleich zu dem, was die Kleine hier zur Zeit liefert - vor allem auch mit welcher Verbissenheit und Ausdauer (in Tagen und Wochen) sie dabei bleibt .... Vielen Dank für Ihre Geduld und einen guten Start in die Woche, Silke

Mitglied inaktiv - 06.09.2004, 01:03



Antwort auf: Hilfe, meine Tochter dreht am Rad .....

Liebe Silke, Trotz ist das streng genommen noch nicht. Es handelt sich um die Phase des Widerstands, in der ein Kind seinen Willen spürt und um seiner selbst willen auch unbedingt durchsetzen muß. Irgendwo gerät es dabei mit diesem in Konflikt, weil der Wille a) noch so beharrlich ist und kein Nachgeben zulassen kann und b) im Ergebnis noch so entscheidungsunfähig, daß das Kind nicht weiß, was es wirklich will. Von diesem Problem ist Ihre Tochter im Moment gerade in der schwierigen Einschlafphase durchgerüttelt. Loslösungphase ist richtig, und da gehört auch gerade der Vater an die Seite des Kindes. Wie wäre es also mit einem Rollenwechsel? Sie die Jungen und er seine Tochter. Entscheidungsunfähigen Kindern tut man keinen Gefallen damit, ihnen Ihre Willen zu lassen, denn der bringt ja im Moment das Kind in den unauflöslichen Konflikt. Das ist wohlgemerkt ein Entwicklungsstadium, bei den einen stärker, bei den anderen schwächer. Temperament spielt eine Rolle dabei, aber auch frühe Bindungserfahrungen. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sehr lange gestillt haben? Könnte es da Zusammenhänge geben? Ihr Mann muß dann natürlich in aller Einfühlsamkeit auch Nerven bewahren und durchhalten, bis Ihre Tochter eingeschlafen ist. Lieder singen, Erzählen, leise etwas vorlesen oder gemeinsam schöne Musik hören. All das kann den Einschlafprozeß versüßen. Je besser das gelingt, desto schneller geht die Phase vorbei. Viel Glück und berichten Sie mal

von Dr. med. Rüdiger Posth am 06.09.2004



Antwort auf: Hilfe, meine Tochter dreht am Rad .....

...da Sie nach dem Stillen fragen:Mona hat 8 Monate voll gestillt, anschließend sehr schnell Geschmack an allem anderen (überwiegend bereits "vom Tisch", aber eben babygerecht) gefunden. Schon mit einem Jahr bestand sie nur noch abends vor dem Schlafengehen auf ihrer Portion Mumi und das ist bislang auch so geblieben. In den letzten zwei Wochen bin ich mir unsicher, ob sie sich nun ganz abstillen will oder ob das nur ein Nebeneffekt zu den anderen Problemen der Selbstfindung ist - ich dränge ihr allerdings nichts auf ! Inwieweit sehen Sie da einen Zusammenhang ? Charakterlich ist sie eigentlich ein "gut zu nehmender" Sonnenschein - allerdings hatte ich Sie vor einiger Zeit schonmal um Rat gebeten, als sie so zornig-wütend-eifersüchtig auf ihre Brüder zu reagieren begann. WENN sie der Zorn packt, erkennt man sie nicht wieder ... Die Idee mit dem Rollentausch werden wir ausprobieren, darauf hätte ich auch selber kommen können (der Wald vor lauter Bäume ...), denn schon seit etwa einer Woche übernimmt der Papa auch das 1-2malige nächtliche Gerenne zu ihr, wenn sie weinend aus dem Schlaf hochschreckt. Bei ihm ist es gut, wenn er sie kurz anspricht, ihr über den Kopf streicht - wenn ich nachts reingehe, fängt das Theater vom Abend wieder an. Heute abend war es besonders schlimm und anhaltend - bei aller Vernunft ist es dennoch schwer, derart heftig abgewehrt zu werden .... Vielen Dank für Ihren Rat - Rückmeldung folgt ! Herzliche Grüße, Silke

Mitglied inaktiv - 06.09.2004, 23:01