Lieber Dr. Posth,
es ist so toll, was Sie hier leisten, besten Dank! Wir haben unsere Tochter (1 Jahr alt geworden) immer forumsgerecht „erzogen“. Sie wurde & wird immer viel getragen, schläft bei uns. Im Kinderwagen war sie schon immer nur gern beim Schlafen. Wenn wir mit dem Wagen draußen sind, möchte sie auch jetzt max. nach 15 min auf den Arm. Tragetuch mag sie nicht mehr, sondern möchte gern nach vorne getragen werden. Dann ist sie glücklich, „singt“ und wippt mit den Füßen. Ich mach dies gern.
Nun wird sie schwerer u. wenn ich noch Einkäufe habe, ist es wirklich schwierig. Wenn ich sie nicht gleicht rausnehme „schreit“ / „weint“ sie aber eher wütend (kein richtiges Weinen) & biegt sich durch & dann nehme ich sie sofort raus. Die schnelle „Bedürfnisbefriedigung“ ist noch so drin, aber manches muss man irgendwann ja angehen. Bloß wie gehe ich hier vor? Haben Sie einen Ratschlag? Danke, viele Grüße
von
Ankup
am 22.10.2012, 07:35
Antwort auf:
erster Wille
Hallo, Ihre Tochter läuft offenbar noch nicht selbst, was sie auch nicht muss. Aber das Trageprinzip hat jetzt langsam ausgedient und weicht dem Prinzip des selbstständigen Laufens. Nur beim Fallen, bei Müdigkeit, bei Angst oder bei Kümmernissen möchte das Kind schnell wieder auf den Arm seiner Eltern, wobei dieser Arm jetzt im Rahmen der beginnenden Loslösung immer häufiger auch der väterliche sein sollte. Nach vorne gerichtet tragen ist für das Kind definitiv viel interessanter, als zum Körper gewandt.
Mit dem Willen kommt aber auch der Widerstand, denn der Wille ist dazu angetan, möglichst gleich umgesetzt zu werden. Auch hier ist ein Aufschub der Befriedigung noch schwer erträglich, und je nachdem, wie das Kind charakterlich inzwischen geraten ist, ist dieser Widerstand auch manchmal ziemlich heftig. Aber jetzt ist man als Eltern z.T. machtlos. Der Widerstand wird zum Prinzip und muss ausgelebt werden. Bis zu einem gewissen Grade muss man das ertragen, und der Ärger und die Wut des Kindes sind selten ganz vermeidbar. Aber damit kann das Kind umgehen, solange die Eltern es jetzt nicht mit betrafenden Maßnahmen zur Raison bringen wollen. Es leidet nur scheinbar, was daran festzustellen ist, dass die Knder nach Beruhigung wieder völlig unbeschwert sind. Trotzdem sollte man diese Auseinandersetzungen nicht dazu benutzen, den Willen gleich in Schranken zu weisen. Besser ist es, die Auseinandersetzung als Entwicklungsprozess zu akzeptieren und zu ertragen. Viele Grüße und danke für Ihr Lob
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 23.10.2012