Frage: Einschlafritual und Vaterrolle

Guten Abend! Muss ich als Mutter das Einschlafritual machen oder kann das der Vater auch ab und zu? Inwiefern ist es wichtig, dass sich jetzt (Baby 9.5 Monate) der Vater mit einbringt (wickeln, baden, spielen, aufpassen, etc.)? Ich habe im Suchlauf schon gelesen, dass der Vater für den Loslösungsprozess wichtig ist. Aber wieviel muss/ darf/ sollte er tun? Ich frage das deshalb, weil mein Mann der Meinung ist, unsere Tochter müsse erst auf IHN zukommen - was ich für Quatsch halte. Also würde ich mich freuen, wenn Sie mal erklären könnten, was für eine Wichtigkeit der Vater im Leben eines 9.5 Monate alten Babies hat und was er eigentlich so alles machen sollte - wenn es mit Arbeit hinhaut natürlich. Sie leisten hier unglaubliche Arbeit, Ihre Texte sind extrem hilfreich, einleuchtend und einfach nur klasse. Ich hoffe, dass sie all diese guten Taten irgendwann "zurück" bekommen... M.f.G., Zeina

Mitglied inaktiv - 12.05.2008, 01:10



Antwort auf: Einschlafritual und Vaterrolle

Stichwort: Väter Liebe Zeina, die Wichtigkeit und Bedeutung des Vaters für einen Säugling geht meiner Auffassung nach soweit, dass er im Falle eines Ausfallens der Mutter sein Baby allein großziehen kann. Es gibt immer wieder Väter, die das der Gesellschaft vormachen. Das heißt, ein Vater kann alles für einen Säugling tun, also Trösten, Herumtragen, Wickeln, Füttern, Aufpassen usw. Dadurch wird er natürlich zur primären Bezugsperson, und es gibt solche Lebensmodelle, da wird dann die Mutter zum Loslösungsvorbild. Ich glaube übrigens nicht, dass durch diesen Rollenwechsel eine Verwirrung in der Geschlechteridentifkation stattfindet, denn die Frage der Identität stellt sich erst in der Entstehung des Selbst und da passieren die entscheidenden Schritte im 3. und 4. Lebensjahr. Aber unsere Gesellschaft ist noch lange nicht soweit, dass diese Tatsachen in der Entwicklungspsychologie einfach anerkannt sind. Väter, die diesen mutigen Schritt vollziehen und von Anfang an Vollzeitväter sind, haben in jeder Hinsicht zu kämpfen. Aus diesen Ausführungen ergibt sich zwangsläufig, dass der Vater nicht zu warten hat, bis sich das Kind zu ihm hin bewegt, sondern dass er wie die Mutter auch Bindungsangebote machen muss. Loslösung ist ja auch eine Form der Bindung, nur mit etwas anderen Vorzeichen, nämlich den, dass die Führung zum Selbst und zur Selbstständigkeit ausgebaut wird. Ich bin auch der Auffassung, dass es - jetzt im klassischen Rollenverständnis- für den Vater nicht damit getan ist, dass er abends eine Stunde ein liebevoller "Spielvater" ist. Für den Erfolg der Loslösung ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Vater die versogerischen Aufgaben, die bis dahin überwiegend die Mutter ausgeführt hat, schrittweise übernimmt. Dabei muss er eine vergleichbar liebevolle Haltung und Einfühlsamkeiti zeigen, wie es die Mutter zuvor getan hat. Ganz herzlichen Dank für Ihr großes Lob, ich hoffe Sie könne Ihren Mann jetzt überzeugen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 12.05.2008