Frage: durschlafen - schwierige Sache

Hallo Herr Dr. Busse, ich schaue seit der Geburt meines Sohnes immer bei Ihnen (als stille Mitleserin) vorbei. Mein Sohn ist nun 11 Monate und schläft noch nicht durch. Momentan kommt er "dauernd", dh, er will dann nur kurz trinken und dreht sich dann zufrieden wieder auf die Seite, er schläft ja bei uns im Bett. Ich befürchte nun, dass er sich daran gewöhnt hat, immer und zu jeder Zeit mal "einen Schluck" zu nehmen. Gestern nacht zB habe ich es beim ersten mal aufwachen probiert, ihn zu wiegen oder ihm den Schnuller zu geben. Ich habe ihn lieb gehalten und so, aber er hat zu weinen begonnen und je länger es gedauert hat, umso heftiger hat er geweint. Er wollte unbedingt an meine Brust (!). Nach ca. 5 Minuten habe ich aufgegeben und irgendwie war ich froh, dass er so friedlich weiterschläft und irgendwie war ich verärgert, dass ich es wieder nicht geschafft hatte. Naja, nun bin ich hier. Sie schreiben, dass das abgekoppelt sein muss von der Nahrungsaufnahme. Leuchtet mir ein und wäre auch mein Wunsch. Sie schreiben auch, dass das 2 - 3 Nächte gehen kann. Er windet sich aber wie verrückt und will unter allen Umständen an meine Brust. Erst dann ist er zufrieden. Wirklich Hunger kann er aber nicht haben, auch wenn er schon richtig trinkt! Später kommt mir vor, dass er nur kurz nuckeln will, den Schnuller verweigert er aber immens. Er merkt doch, dass ich ganz nah neben ihm liege, warum reicht ihm das nicht? Und, wenn ich es durchziehen könnte, dann müsste er doch weinen. Was ist dann der Unterschied zu der Ferber Methode, in dem das Kind auch weint. Der einzige den ich sehe ist, dass das Kind nicht alleine gelassen wird, aber es bekommt auch nicht das, was es will. Wissen Sie, wäre es ein Wunsch, dann käme ich damit noch klar, aber, was, wenn es ein Bedürfnis von ihm ist, zu trinken (Wunsch-Bedürfnis, nach Francoise Dolto). Kann ich damit rechnen, dass er von alleine mal durchschläft oder muss ich diese 2 - 3 Nächte ohnehin eines Abends durchziehen (wenn ich das nicht noch 1 Jahr mitmachen kann und will), denn dann wäre es ja besser, es gleich zu machen, wenn ihm und mir das nicht erspart bleiben würde. Ach ja, gibt es ein Alter, wo es besser oder schlechter ist, sowas zu machen. Manchmal denke ich, dass es vielleicht besser gewesen wäre, es gleich (wie manche andere) mit 4 Monaten durchgezogen zu haben. Die haben heute ruhige Nächte. Aber damals ist er mir so klein und hilflos vorgekommen, dass ich nicht mal daran denken konnte. Und heute hat er mich schon so um den Finger gewickelt, dass ich es nicht ertragen kann, wenn er so weinen muss, wenn er aufwacht. Das ist echt ein Dilemma. Wenn er zornt, ertrage ich das Weinen, aber nicht, wenn er in der Nacht so babyhaft wirkt! Das waren jetzt viele Gedanken, ich hoffe aber, dass Sie diese verstehen und freue mich auf Ihre Antwort. Freundliche Grüße BIRGIT

Mitglied inaktiv - 11.10.2004, 12:38



Antwort auf: durschlafen - schwierige Sache

Stichwort Brustentwöhnung in der Nacht Liebe Birgit, ich verstehe Sie sehr gut, und ich verstehe auch das Bedürfnis Ihres Sohnes. Aber ich sehe auch das Dilemma, das immmer dann entsteht, wenn der Zeitpunkt des Endes, der nächtlichen Mahlzeitengabe verpaßt ist. Vielleicht vestehen Sie jetzt auch, warum ich Bedenken gegen das Langzeitstillen habe, wenn es ernährungsphysiologisch nicht erforderlich ist. In meiner Praxis und hier im Internetforum werde ich hundertfach damit konfrontiert, daß die Mutter am Ende sind mit ihren Kräften, wenn die älteren Säuglinge alle 2-3 Stunden auch nachts an die Brust wollen. Von der Natur kann das ursprünglich so nicht vorgesehen sein. Einjährige Kinder haben in der Regel Zähne (oder mindestens harte Kiefer), können kauen und haben einen Verdauungstrakt, der nahezu alles aufnehmen kann, was der Mensch ißt. Eine Mutter, die sich für Langzeitstillen entscheidet, und das respektiere ich vollkommen, muß wissen, was auf sie zukommt. Das Problem liegt v.a. darin, daß es ab einem gewissen Zeitpunkt keine elegante Lösung für das Entwöhnungsproblem mehr gibt. Es gibt einen schönen, neuen Begriff für solche Verstrickungen in der Psychologie, und der lautet: das Zeitfenster ist nun zu. Also ist jede Lösung, die jetzt kommt, für irgendeinen der Beteiligten irgendwie etwas schmerzvoll. Deswegen unterstellen Sie mir bitte nicht, die Ferber-Methode durch die Hintertür einführen zu wollen. Wenn das Baby jenseits der Halbjahresgrenze die Brust nicht mehr bekommt, muß es akzeptieren, mit einer anderen Art der mütterlichen Zuwendung auszukommen. Das gelingt, wie gesagt in wenigen Nächten, aber ich habe nicht behauptet, das Kind oder die Mutter litten dabei nicht. Ganz besonders schlaue Psychologen sind auf den Trick verfallen, nicht die Mutter solle das tun, denn sie röche immer nach der leckeren Milch, sondern der Vater müsse das übernehmen. Aber jetzt erlebt das Kind den doppelten Entzug, denn solange der Vater die Mutter in angespannten situationen noch nicht ersetzen kann, ist er auch nicht geeignet für diese Aufgabe. Ausnahmen können zwar auch hier die Regel bestätigen, aber sobald das Kind beim Vater in Panik gerät, muß die Mutter sowieso wieder ran. Sie sehen also, es gibt wahrscheinlich nur diesen einen etwas schmerzlichen Weg aus der vertrackten Situation, die mit der Zeit erfahrungsgemäß nur immer vertrackter wird. Ich wünsche Ihnen die Kraft dazu. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 11.10.2004



Antwort auf: durschlafen - schwierige Sache

Hallo liebe Birgit! Auch ich kann Deine Überlegungen voll nachvollziehen - mir ging´s genauso. Ich bin auch eine Langzeitstillende. Mein Kind wollte nie von meinem Busen ablassen (ihr Heiligtum!), hat sich stets vehement gewehrt - mit vier Monaten ebenso wie jetzt mit zwei Jahren. Ich kann Dir nur von uns erzählen (habe kein Patentrezept, dass für alle gilt, jeder Jeck ist eben anders): Aber wir haben sie einfach gelassen. War mein Gefühl. Bin heute noch der Meinung, das Kind braucht das eben noch. Punkt. Und was die Nächte angeht, habe ich positive Nachrichten - offenbar im Gegensatz zu Dr. Posth, der vielleicht in seiner Praxis nur von den Problemfällen hört (ist auch irgendwie logisch, man erzählt beim Arzt ja gewöhnlich keine Erfolgsmeldungen, sondern berichtet hilfesuchend, was nicht klappt). Also kurz: Bei uns wurden die Nächte - obwohl wir nie "geferbert" oder nie wirklich den Brustentzug praktiziert haben - immer besser. Ich denke: Das kommt von allein, nämlich dann, wenn das Kind soweit ist. Mein Zwerg ist jetzt über zwei Jahre alt, darf noch immer an mir nuckeln, wenn sie will, UND sie schläft nachts seit einigen Wochen ganz durch!! Vorher war´s lange Zeit noch einmal wecken pro Nacht, was ich akzeptabel fand. Soweit meine Erfahrungen. Mein Rat wäre: Nix übers Knie brechen. Folg Deinem Gefühl. Du weisst, was gut ist für Dein Kind und für Dich. Manche Zwege brauchen eben etwas mehr Zeit als andere. Alles Gute!

Mitglied inaktiv - 11.10.2004, 23:11