Frage: Alles ist ihr furchtbar peinlich!!!

Hallo Dr. Posth! Meine Tochter ist jetzt 16 Monate alt. Seit etwa drei Wochen ist ihr so vieles so peinlich, und sie vergräbt bei so vielen Gelegenheiten ihr Gesicht (zB zwischen meinen Knien, in meinem Schoß, an meiner Schulter usw, und bei ihrem Vater genauso). Vieles, was sie bisher gemocht hat, scheint ihr auf einmal unangenehm zu sein: Lieder vorsingen, Klatschspielchen machen, Versteckspiele... Sie verzieht das Gesicht, nachdem sie vielleicht kurz gelacht hat und zeigt, dass sie nicht weitermachen will. Ist das normal? Sie ist ein sehr vorsichtiges Kind, fängt gerade erst an zu laufen. Ich weiß auch nicht, ob ich übervorsichtig mit ihr bin, weil ich sie für einen kleinen Tolpatsch halte (wenn sie zum Beispiel auf eine Kiste krabbelt und sich hinsetzt, fällt sie garantiert kurz darauf runter, weil sie vergessen hat, dass sie auf der Kiste sitzt, außerdem kann sie sich nicht merken, dass sie rückwärts das Sofa runter soll, obwohl sie das im Prinzip kann). Kann ihre motorisch eher mühsame Entwicklung mit einer Art emotionalem Rückzug zusammenhängen? Auch fremdelt sie zur Zeit sehr stark, fast allen Leuten gegenüber außer ihren Eltern. Vielen Dank fürs Antworten! Gruß Mona

Mitglied inaktiv - 27.10.2003, 22:47



Antwort auf: Alles ist ihr furchtbar peinlich!!!

Liebe Mona, Ihrer 16monatigen Tochter wird jetzt langsam klar, daß sie ein eigenständiges Wesen ist, welches auch als solches von den anderen so angesehen wird. Interessanterweise ist diese Erfahrung von sehr gemischten Gefühlen begleitet (also wieder einmal sehr ambivalent). Denn ein Selbst zu werden, bedeutet, seine Sicherheit unter den Fittichen der primären Bezugsperson/Mutter aufgeben zu müssen. Eineinhalbjährige Kinder reagieren auf ihr Spiegelbild mit Unsicherheit und Verlegeenheit. Das ist das Signal für das aufkommende Selbstbewußtsein. Also nicht die Freude über sich selbst ist Fakt, sondern die Beklommenheit. Jetzt wird das Kind aber plötzlich schutzlos, was es spürt, und was unsichere Kinder dazu veranlaßt, verlegen, scheu, schamvoll oder sogar wieder ängstlich zu reagieren. Es kommt jetzt darauf an, daß Sie als Eltern Ihrem Kind zeigen, daß es a) emotional, sozial und auch als menschliches Wesen bei seinen Eltern weiterhin abgesichert ist und b) voller Zuversicht und unter den liebevollen Augen der Eltern seine Schritte in das Selbst ausführen kann. Also Anerkennung, Bestätigung, Ermutigung, usw. müssen jetzt von Ihrer Seite aus kommen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 29.10.2003