Frage: Agressionen

hallo, unser sohn ist 28 monate alt. seit vielen monaten haut er mich, meinen mann und andere kinder, wenn er wütend ist. ich habe ihren text gelesen und reagiere so darauf, wie sie es empfehlen: ich weine dann. es wurde auch wesentlich besser, aber seit 3-4 monaten ist es wieder sehr schlimm geworden. er tröstet mich zwar dann immer, aber das hauen wird nicht weniger, eher schlimmer und manchmal habe ich das gefühl, er findet das spannend: ich haue mama - sie weint - ich tröste sie... und wieder von vorne. mein mann kümmert sich sehr lieb um ihn, aber in letzter zeit hängt er wieder sehr an mir. was kann ich noch tun? möchte mich kurz halten, wenn sie noch irgendwelche angaben benötigen, sagen sie es mir bitte. vielen lieben dank, und dickes lob für ihre arbeit hier im forum, nicole

Mitglied inaktiv - 21.02.2005, 21:38



Antwort auf: Agressionen

Stichwort: Wirklichkeitsaneignung im Spiel Liebe Nicole, Kinder lösen ihre Probleme mit dem Verstehen der Wirklichkeit im Spiel. Das Verstehen der Gefühle eines anderen Menschen erfährt ein Kind in diesem Alter immer nur durch das elementare Erlebnis (also z.B. ich haue meine Mami und sie weint, ich tröste sie und sie lacht wieder). D.h. es vergißt nach diesem fundamentalen Erlebnis seine Empathiefähigkeit bis zu einem gewissen Grade wieder, weil es noch nicht erkennt, daß in dem anderen Menschen die einmal erlebte Wirklichkeit als Kontinuum ohne sein eigenen Bemerken und Verstehen fortdauert. Anders ausgedrückt: ein Kind bis etwa vier Jahre muß im wiederkehrenden Spiel sich immer wieder die erlebte Wirklichkeit neu geschehen machen. Daher spielen Kinder ständig dasselbe, v.a. wenn es um etwas geht, was sie fasziniert. Das Schmerzerleben eines anderen Menschen ist so etwas ganz faszinierendes, und jedes Kind spielt den "Angriff" auf einen anderen Menschen im geschützen Raum wieder und wieder. Dabei lernt es, was Schmerzzufügung hervorruft und ausmacht. Aber es kann diesen Effekt noch nicht als immer währenden in die Zukunft hinein sich theoretisch vorstellen. (Das alles ergibt sich aus der Theorie of Mind). Das eigene Erleben der Fähigkeit zu trösten verbunden mit der Rollenumkehr; "ich bin die/der große und starke verschafft dem Kind hohe Selbstattributierung und vermehrt das Selbstwertgefühl. Die damit verbundene Selbstkompetenz wächst. All das ist ein weiterer Grund, warum die Kinder das immer wiederholen. Warum das nun bei einem Kind nun deutlicher ausfällt als bei einem anderen hat wahrscheinlich etwas mit seinen bis dato erworbenen Selbstanteilen zu tun, oder mit ganz spezifischen familiären Konstellationen, wie auch immer. Es wäre indes töricht zu glauben, das Kind täte das aufgrund andauernder Aggressivität auf seine Eltern. Die gibt es bei der erschwerten Loslösung z.B. natürlich auch, ist aber mit einem ganz anderen, inneren Gefühlssprektrum verbunden und äußert sich auch im Vortrag ganz anders. Das darf man also nicht vermengen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 24.02.2005