Frage: Ängste

Hallo, wir machen uns seit einiger Zeit Sorgen wegen unseres Sohnes 22 Monate. So richtig angefangen hat es vor einigen Wochen bei meinen Schwiegereltern. Wenn er am Tisch sitzt, egal ob im Stühlchen oder auf dem grossen Stuhl, bekommt er plötzlich panische Ängste vor irgend etwas. Er fängt zu weinen und auch schreien an. Man hört es richtig dass er Angst hat Er klammert sich richtig an einem fest und schaut ganz verängstigt in eine Richtung. Man meint er will in einen rein schlupfen. Dann fing es bei meinen Eltern an (sind fast jeden Tag zum Mittagessen dort). Seit ca. 2 Wochen ist es bei uns zu Hause ebenso. Man kann ihm erklären dass da nichts ist und mit ihm auch zur Türe gehn und es ihm zeigen. Es nutzt nichts. Es kommt auch mal vor dass er schön sitzen bleibt. Seit 2-3 Tagen ist er nun auch fast gar nichts mehr. Er sagt wenn es Zeit zum Essen wird, nein nichts essen.Wir denken dass das mit den Ängsten zu tun hat. Er war schon immer ein etwas schlechter Esser und auch Trinker. Auch ist er sonst sehr ängstlich, was irgendwelche Geräusche betrifft.Hörte man im Sommer nur weit entfernt ein zB. ,,Einmotoriges Flugzeug" das man selbst nicht richtig wahr nimmt,kam er schon schreiend zu einem gerannt. Ansonsten ist er ein sehr aufgewecktes Kind und auch sehr weit, was seine Entwicklung betrifft. Wie können wir mit seinen Ängsten umgehen? Müsste man mit ihm zum Kinderpsychologen? Unseren bisherigen KIA wollte ich letzte Woche darauf ansprechen, weil wir wegen einer Bronchitis dort waren. Aber als er mir auf meine Frage, ob es denn auch Zäpfchen gibt (er spuckt die Medizin sofort raus) mit der Antwort kam, dass das nicht sein kann, dass das ein knapp 2 jähriges Kind macht und ich zu einer Erziehungsberatung gehen soll und mir auch sofort die Adresse davon in die Hand drückte, war es mit meinem Vertrauen zu diesem Arzt vorbei. Was verschreiben tut er nicht, da es mein Sohn ja sowieso nicht schlucken würde und es somit auch nichts bringt, meinte er. Ich hoffe Sie können uns wegen unserem Problem einen Rat geben. Danke, Grüsse Silke

Mitglied inaktiv - 04.11.2002, 01:06



Antwort auf: Ängste

Liebe Silke, das Thema Ängste spielt naturgemäß eine große Rolle im Entwicklungsforum. Über die Umwandlung von (Ursprungs-)Angst in Furcht habe ich mehrfach geschrieben, z.B. am 24.8.02 unter "Angst und Geräuschempfindlichkeit, extreme Schüchternheit ...", oder am 26.8.02 "Panik vor Bällen", oder auch am 1.11.02 in "Angst vor Gespenstern". Daran erkennen Sie, daß Sie die Problematik keineswegs allein betrifft. Auch Ihr kleiner Sohn hat das Problem, seine Anfangsängste, die ja reines Gefühl waren, noch zu stark in sich zu spüren und diese jetzt, nachdem der Verstand hinzu kommt, in Verstehbares ummünzen zu müssen. Dabei spielt ihm die Wirklichkeit den "Streich", daß sie für ihn noch viel zu schwer zu verstehen ist. Also fängt er an, sich vor Dingen zu fürchten, die er sich schlecht erklären kann, die ihn gleichzeitig aber erschrecken. Das kann soweit gehen, daß er Dinge "sieht", die gar nicht da sind. Den jeweiligen Auslöser haben Sie aber gar nicht mitbekommen, da er für Sie völlig trivial war oder von Ihnen nicht bemerkt wurde. Seine magische Phase (J.Piaget) läßt ihn diese "Hirngespinste" immer wieder aufleben, v.a. dann, wenn sich die Begleitsituation wiederholt. Wie können Sie nun reagieren? Sprechen Sie in kindlicher Weise mit Ihrem Sohn darüber, was er da sieht, und nehmen Sie ihn ernst! Reden Sie ihm seine Phantasien nicht aus, sondern benutzen Sie diese dazu, eine kleine Geschichte einzufädeln, in der das Bedrohliche dieser Vision von "guten Mächte" an seiner Seite (auch Sie als Eltern sind gemeint! bezwungen wird. Sie werden sehen, daß Ihr Sohn dieses Fortspinnen seiner Ideen mit der Wendung zum Guten besser versteht und aufnimmt, als Ihre rationalen Erklärung wie "guck doch mal genau hin, da ist doch gar nichts!" Oder "hab´ keine Angst, Dir passiert schon nichts". So vorzugehen hat auch noch den Vorteil, daß Sie Ihrem Sohn zugleich eine Botschaft mit auf den Weg geben, die lautet, "es gibt gegen alle Bedrohungen eine Gegenmacht, die Dich beschützt". Dabei können Sie ihm mit der Zeit suggerieren, daß er diese Gegenmacht selbst besitzt, und Sie stärken auf diese Weise das gerade für ihn so unentbehrliche Selbstbewußtsein. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 05.11.2002