Wechsel auf besonderes Gymnasium?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Wechsel auf besonderes Gymnasium?

Sehr geehrter Herr Dr. Nohr, ich habe eine Frage zum Wechsel aufs Gymnasium, der nächstes Jahr bei meiner Tochter ansteht. Aufgrund ihres insgesamt überdurchschnittlichen Leistungsvermögens und ihres ausgeprägten Wissensdursts hat ihre Lehrerin ein Gymnasium (an unserem Wohnort) empfohlen, das ausschließlich besonders naturwissenschaftlich begabte Kinder nach einer Aufnahmeprüfung aufnimmt und vertieft unterrichtet. Die Klassen sind relativ klein, es gibt viele besondere Angebote wie Projekte. Die Schüler werden dazu aufgefordert, an diversen größeren Wettbewerben teilzunehmen, Konkurrenz wird gefördert. Es ist eine staatliche Schule. Unsere Tochter steht dem Vorschlag erstmal positiv gegenüber, nachdem wir ihr erklärt haben, dass sie dort viele Experimente machen kann, das gefällt ihr. Sie hat allerdings auch viele andere Interessen. Mich interessiert, was Sie aus psychologischer Sicht von diesem Weg halten? Ich kann die vielen Vorteile wie die guten Bedingungen sehen, mache mir aber Sorgen über einen zu großen Leistungsdruck, da wohl manche Schüler auch wieder zurück wechseln. Es geht irgendwie auch um die grundsätzliche Frage, inwieweit Begabung gefördert werden "muß", bzw. wenn, in welche Richtung, wenn es viele Interessen gibt. Herzlichen Dank von Paula

von Paula2020 am 13.02.2020, 23:19



Antwort auf: Wechsel auf besonderes Gymnasium?

Liebe Paula, das ist eine sehr grundsätzliche Frage, welche Grundhaltung die Familie zu dieser Frage einnimmt. Ich kann da nur ein paar Gedanken anmerken, die Ihnen vielleicht bei Ihren Überlegungen helfen kann. Wir sind und haben eine sehr leistungsorientierte Gesellschaft. Ich persönlich glaube aber, dass sowohl der Einzelne, als auch die Gesellschaft, mehr für eine langfristig befriedigende Entwicklung braucht. Manche Neigungsschulen berücksichtigen das und arbeiten viel an der Persönlichkeitsentwicklung, viele leider nicht. Dann entwickelt sich manchmal ein verengtes und evtl. auch elitäres Weltbild (natürlich kann es auch ganz anders sein). In meiner Umgebung haben die leistungsstarken Kinder (meist Mädchen) ihren Weg auch an Gesamtschulen gemacht, waren dann aber in mehr Bereichen entwickelt , als nur in kognitiven Fähigkeiten. Ein anderer Punkt ist der Druck und die Konkurrenz,den die Kinder früh aushalten müssen und der sie manchmal auch bricht. (Heute kümmern sich leider auch normale Gymnasien wenig um die Hintergründe von "Einbrüchen". Es klappt oder nicht!) Ich glaube aber, dass die Zukunft in der Kooperation liegt. (Das ist z.T. auch schon in der Wissenschaft angekommen, wo Ergebnisse ausgetauscht werden und nicht nur wichtig ist, wer es als Erste/r entdeckt hat). Sie sehen, ich neige mehr dazu die Kinder breiter zu entwickeln, möchte das aber gerade deshalb als meine Meinung deklarieren und nicht als sog. "Eyperten-Ratschlag" . Ich wünsche Ihnen genügend Gelassenheit bei dieser schwierigen Zukunftsfrage. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 14.02.2020