Sohn 6 Jahre

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Sohn 6 Jahre

Hallo Herr Dr. Nohr, ich habe Ihnen am 12.12. schon einmal wegen meinem Sohn, der nichts mehr wegwerfen kann, geschrieben. Mittlerweile stehen wir auf der Warteliste einer Kinderpsychologin. Da bis dahin noch Zeit vergeht, möchte ich Sie fragen, wie ich meinen Sohn jetzt am besten begleiten kann. Aktuell sammelt er Müll in einer großen Tüte in seinem Zimmer, also leere Verpackungen, Papierschnipsel, Joghurtbecher etc. Nur Dinge, die schimmeln würden, wirft er weg. Wie sollen wir damit umgehen? Als Begründung gibt er immer wieder an, dass er sich nicht von seinem Müll trennen will, der Müll will bei ihm bleiben, er wird panisch, deshalb lassen wir ihn gewähren. Geschichten über die Müllverwertung, dass jedes Ding seine Bestimmung hat und wieder zu einem z.B. neuen Bonbonpapier werden will helfen ihm nicht. Mittlerweile hat sich das so eingebürgert, er will aber nicht, dass Außenstehende etwas davon mitbekommen. Für mich ist es sehr schwer, damit umzugehen, da ich ihn einerseits nicht unter Druck setzen will, andererseits mir auch manchmal ein Augenrollen nicht verkneifen kann... ich sehe den wachsenden Müllberg in seinem Zimmer (ich musste die Menge schon heimlich reduzieren - was er nicht bemerkt) und frage mich ständig, wo ich ansetzen kann, damit es ihm wieder besser geht und er diese „Sicherheit durch das Sammeln??“ nicht mehr braucht.... Vielen Dank für Ihre Hilfe

von B-Fox am 27.02.2020, 17:51



Antwort auf: Sohn 6 Jahre

Hallo, das ist keine leichte Situation, vor allem, weil Ihr Sohn ja eine eigentlich richtige Position hat, die aber überwiegend zu Leid führt. Inwieweit das noch auf etwas anderes hinweist, wird sich in der PT zeigen. Bis dahin kann es nur darum gehen Formen zu finden, mit denen auch die Familie zurecht kommt. Das könnte so aussehen, dass man seinen Wunsch den Müll zu sammeln akzeptiert, aber z.B. nicht in seinem Zimmer. Bei solchen Aktionen ist immer wichtig, dass er glauben kann, dass Sie sein Problem ernst nehmen ("ich finde das eigentlich eine sinnvolle Idee Müll besser zu verwerten, aber sammeln geht aus ...... Gründen in deinem Zimmer leider nicht"). Ihr Kind darf nicht das Gefühl haben, Sie tricksen ihn aus, er muß Ihnen vertrauen können, auch wenn Sie Grenzen setzen. Kinder erleben Abschiede, auch von Gegenständen, oft viel intensiver und grundlegender als die Erwachsenen. Bei Ihrem Sohn kommt dazu, dass er eine rationale Lösung nicht akzeptieren kann. Dies wird auch Inhalt der therapeutischen Arbeit sein, wie er mit "Unabwendbarem" (kognitiv und emotional) umgehen kann, ohne seine Hoffnung und seinen Mut zu verlieren. Ich hoffe, dass das in absehbarer Zeit begonnen werden kann. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 28.02.2020



Antwort auf: Sohn 6 Jahre

Hallo, als ich gerade einen Artikel über die Belastungen der Welt und der Organismen durch Mikroplastik las kam mir die Idee, dass Sie vielleicht mit Ihrem Sohn mal eine kompetente Beratung zum Thema Müllentsorgung aufsuchen. Das könnte ermöglichen, dass zumindest bei dem konkreten Problem durch prof. Antworten bessere Lösungen erreicht werden können. Denn leider hat Ihr Sohn sehr Recht, aber keine praktikable Lösung. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 28.02.2020



Antwort auf: Sohn 6 Jahre

Hallo Dr. Nohr, vielen Dank für Ihre wertvollen Gedanken und Anregungen! Vor allem passt Ihre Beschreibung, dass er lernen muss, mit dem für ihn „Unabwendbaren“ klar zu kommen, sehr gut zu ihm. Was ihn auf Nachfrage sehr belastet ist die Tatsache, dass „sein Müll“ ja beim Recycling erst mal „kaputt gemacht“ wird (also in seinen Augen leiden muss), bevor etwas Neues daraus entstehen kann. Pfandflaschen /-gläser sind dagegen kein Problem. Ich denke, dass es ihm dabei weniger um den Umweltgedanken geht, wenngleich ihn entsprechende Berichte über das Sterben der Meerestiere schon berühren. Bei unserem Müllthema glaube ich eher, dass die Themen Verlust und Endgültigkeit die größere Rolle spielen.

von B-Fox am 28.02.2020, 19:21