Baby regt sich immerzu fürchterlich auf

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Baby regt sich immerzu fürchterlich auf

Guten Tag, unserer Tochter, 20 Wochen alt, ist sehr gut entwickelt laut KA, sehr neugierig... aber ich mache mir Sorgen, weil sie extrem "jähzornig" (?) ist. Bsp: sie spielt mit Rassel / O-Ball, ihr fällt es runter -sie fängt bitterlich zu schreien & weinen an, sie wird rot, verspannt sich, Tränen kommen, sie steigert sich richtig rein, und wenn man ihr das Spielzeug wieder gibt, ist's gut. Davor kann sie noch so gutgelaunt sein und lachen. Manche sagen, ich verwöhne das Kind zu sehr, weil ich sie da natürlich schon hochnehme und tröste. Man müsse ihr beibringen sich nicht so aufzuregen. Und es ist hart sie immer so zu sehen, sie zittert dann minutenlang. Sie ist sehr fordernd, langweilt sich schnell, sie will 24/7 spielen, vorlesen, im Trageruch sein, und man muss ihr auch beim einschlafen helfen mit stillen & Ritual, sie schläft sie nie selbst ein. Ist so ein Benehmen normal, Charakter? Kann man in so jungen "Jahren" schon entgegenwirken, es ihr erklären, einfacher machen? Oder macht es wirklich Sinn hier schon zu "erziehen"? Oder ist es einfach noch Unreife? Dazu die Frage, ab wann sind sich Babys ihres Verhaltens bewusst und können z.b. weinen, um zu beeinflussen, was weitestgehend dann als "verziehen" abgestempelt wird, weil dem Baby nichts fehlt und man quasi springt... Vielen Dank & Grüße B.T.

von BarbaraT am 26.09.2019, 05:41



Antwort auf: Baby regt sich immerzu fürchterlich auf

Liebe Barbara T., kann es vielleicht sein, dass Ihnen zuviel in den Umgang mit Ihrer Tochter hereingeredet wird? Im Alter Ihrer Tochter von Verwöhnung, Verziehen und Jähzorn zu sprechen, scheint mir doch erheblich zu früh. Ihre Tochter macht gerade die Erfahrung, dass Sie versuchen, sie zu beruhigen und zu trösten, wenn etwas ihr Unbehagen ausgelöst hat. Dies ist eine absolut notwendige Erfahrung für ein Baby. So lernt es, sich auf Erwachsene zu verlassen und sich sicher zu fühlen. Ihre Tochter will Sie ja nicht bewußt manipulieren, sondern sie hat einfach noch keine anderen Möglichkeiten ihr Unwohlsein auszudrücken als durch Weinen oder Schreien. Auch das Abwarten will im Alter Ihrer Tochter erst allmählich gelernt werden. Sei es beim Stillen, Schlafen oder auch Spielen, ein Baby muss bei allem erst Schritt für Schritt die Erfahrung machen, dass seine Bedürfnisse zuverlässig befriedigt werden. Wenn das Kind diese Erfahrung sicher hat, kann die Bedürfnisbefriedigung auch schon mal etwas aufgeschoben werden. Aber das muss sich erst entwickeln und kann nicht anerzogen werden. Möglicherweise reagiert ihre Tochter tatsächlich temperamentsbedingt etwas heftiger auf eine für sie unangenehme Situation (Ball verloren). Sie kann ihre Stimmung noch nicht selbst regulieren. Umso wichtiger ist es dann doch für Ihre Tochter, dass Sie ihr helfen, aus dieser Stimmung wieder herauszufinden. Sie beschreiben ja, dass sie ihr das Spielzeug dann wieder geben, um die für ihre Tochter unangenehme Situation zu beenden. Allmählich kann ihre Tochter dann mehr Toleranz für solche Frustrationen entwickeln, indem sie bei Ihnen abschauen kann, dass Sie ruhig bleiben - auch wenn der Ball gefallen ist, dass Ihnen eine Lösung für das Problem einfällt - sie heben den Ball wieder auf oder bieten ein anderes Spielzeug an. All das kann man auch mit kindgerechten Worten sprachlich begleiten. So kann Ihre Tochter zunehmend erfahren, dass nicht alle Frustrationen gleich "schrecklich" und unaushaltbar sind und wird geduldiger im Aushalten für sie unangenehmer Situationen. Alles Gute und viele Grüße Ingrid Henkes

von Dr. med. Ludger Nohr am 26.09.2019