Frage im Expertenforum Gestärkt durch die Kinderwunschzeit an Dipl.-Psych. Sally Schulze:

Erneute SS mit BPS?

Dipl.-Psych. Sally Schulze

Dipl.-Psych. Sally Schulze
Psychologische Psychotherapeutin

zur Vita

Frage: Erneute SS mit BPS?

Maryluu33

Beitrag melden

Sehr geehrte Frau Schulze,  vor 6 Monaten kam mein Sohn bei 38+0 per Kaiserschnitt gesund zur Welt. Die Schwangerschaft war für mich eine ganz schlimme Zeit. Ich habe die Diagnose BPS, bin aber sehr gut und über viele Jahre therapeutisch behandelt worden und kann mittlerweile wirklich gut mit meinen Symptomen umgehen. Allerdings hatte ich bereits zu Beginn meiner SS erneut große Ängste vor meinen Emotionen. Aber nicht, weil wir die Skills zur Regulation fehlten, sondern weil mir meine Ärzte sagten, ich soll mich entspannen, da der Körper auf Stress und starke Emotionen mit einer Fehlgeburt oder später vorzeitigen Wehen reagieren kann. Eine Fehlgeburt hatte ich glücklicherweise nicht, aber vorzeitige Wehen ab der 20. Woche. Es war eine selbsterfüllende Prophezeiung. Der Rat, Stress und starke Emotionen zu vermeiden (was ich einfach aufgrund meiner Erkrankung nicht kann), hat mich so fürchterlich unter Druck gesetzt, dass ich dauerhaft unter massiver Anspannung stand und extreme Ängste hatte. So schlimm, dass ich auch mit meinen Skills nichts mehr bewirken konnte. Ich konnte dadurch bedingt kaum schlafen, hatte schlimme Alpträume und war immer wieder wegen vorzeitiger Wehen zur Beobachtung in der Klinik. Im zweiten Trimester bekam ich dann noch die Diagnose Plazentra praevia marginalis, wodurch sich weitete Ängste vor Blutungen und dem Verlust des Kindes einstellten. Ich war die ganze SS über in psychotherapeutischer Behandlung, aber selbst vor der Therapie hatte ich irgendwann Angst, da während der Sitzungen natürlich wieder starke Emotionen entstehen. Es war ein Teufelskreis.  In Woche 37. bestand dann noch der Verdacht auf eine schwere bakterielle Infektion, weshalb ich dann endgültig dauerhaft stationär aufgenommen wurde. Der Verdacht bestätigte sich letztlich nicht, aber zu der Zeit konnte ihn niemand sicher ausschließen. Mir ging es zu dieser Zeit in der Klinik unfassbar schlecht. Ich habe versucht, Gynäkologen und Psychiatern glaubhaft zu erklären, dass ich die Situation nicht mehr aushalten kann und bitte schnellstmöglich per KS entbinden möchte. Über Tage wollte man dieser Bitte nicht nachkommen und es ging mir immer schlechter. Erst als ich an einem Morgen ganz ehrlich sagte, dass es mir so schlecht geht, dass ich aus dem Fenster springen könnte, wurde der KS für den kommenden Tag geplant. Zum Glück verlief dann alles gut, aber das waren unfassbar schlimme 9 Monate für mich, an die ich nicht einmal mehr denken mag. Ich hätte so gerne ein zweites Kind, schaffe so eine katastrophale SS aber nicht noch einmal. Allerdings weiß ich auch nicht, was ich tun könnte, damit eine zweite SS ruhiger verläuft. Ich kann an meinen starken Emotionen nichts ändern. Ich kann sie managen, aber vorher kommen sie und führen vielleicht wieder zu vorzeitigen Wehen und ich muss das alles noch einmal aushalten, was ich definitiv nicht schaffe. Auch die beste Therapie (die ich sicher habe) kann mir diese Emotionen ja nicht abnehmen.  Mein niedergelassener Psychiater empfahl mir die bedarfsmäßige Einnahme von Tavor, in der Klinik rieten mir die Psychiater ganz dringend ab, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Ich weiß einfach nicht, ob ich es überhaupt wagen soll, es noch einmal zu versuchen. Ich habe das Gefühl, ich das kann ich weder mir noch einem weiteren kleinen Menschen in mir zumuten... Haben Sie eventuell eine Rat für mich oder eine hilfreiche Idee? Ganz herzlichen Dank 


Dipl.-Psych. Sally Schulze

Dipl.-Psych. Sally Schulze

Beitrag melden

Liebe Maryluu33, zuerst einmal Herzlichen Glückwunsch nachträglich zur Geburt. Es tut mir leid zu lesen, dass die Schwangerschaft eine so schmerzhafte Erfahrung für Dich war. Ich kann verstehen, dass Du Dir deshalb Gedanken machst, wie Du eine weitere Schwangerschaft gestalten könntest.  So wie ich Deine Nachricht lese, hast Du sehr viel getan, um Dir und Deinem Sohn die bestmögliche Ausgangssituation zu schaffen. Ich hoffe Du kannst das Nachempfinden, wenn Du auf die Schwangerschaft zurückblickst. Du schreibst, dass Du gerne ein zweites Kind hättest, aber möchtest, dass die zweite Schwangerschaft ruhiger verläuft. Du hast jetzt einen bedeutenden Vorteil gegenüber Deiner ersten Schwangerschaft. Und das ist Erfahrung. Du weißt, welche Situationen besonders belastend für Dich waren und kannst jetzt im Vorfeld überlegen, wie Du diese Situationen entschärfen kannst. Du kannst also Vorsorge betreiben. Das heißt nicht, dass die Erwartung dann automatisch lautet “Es muss diesmal so und so gut werden”, sondern “Wie könnte ich es schöner/ angenehmer/ ruhiger gestalten”. Konkret würde ich Dir empfehlen eine spezielle psychiatrische Mitbehandlung für die Peripartalzeit aufzusuchen (Peripartalzeit heißt vom Kinderwunsch bis zum Ende der Stillzeit). In Frankfurt, wo ich tätig bin gibt es das an der Uniklinik oder in der Vitos Klinik Bamberger Hof. Viele Kliniken haben mittlerweile solche Angebote. Wahrscheinlich musst Du etwas suchen, um ein Angebot zu finden, evtl. gibt es auch keins direkt in der Nähe von Dir. Insgesamt ist es aber vorteilhaft eine spezialisierte Behandlung zu bekommen. Auch Psychotherapie würde ich Dir weiterhin empfehlen. Ich weiß, dass es schwer ist, weiter hinzugehen, wenn Du bisher keine oder zu wenig Fortschritte gesehen hast. Die wichtigen Fragen sind auch nicht “Wie kriege ich meine Borderline-Persönlichkeitsstörung/BPS weg oder in den Griff”, sondern eher "Was hilft mir wobei?” oder “Ich möchte mir etwas neues überlegen, dass ich probiere und zwar das”. Oder auch in manchen Situationen sagen zu können “So gut kriege ich es hin und es ist ok wie es ist, auch wenn andere es besser hinkriegen” In der Psychotherapie und auch der psychiatrischen Behandlung ist wichtig, dass Du Dir nochmal genau anschaust, zu welcher Art selbstverletzenden Verhaltens (SVV) Du neigst oder, falls Du das nicht machst, was Dir hilft Deine Gefühle anders auszuhalten. Wenn eine Person mit BPS zum Beispiel als SVV raucht oder Alkohol trinkt, macht es schon Sinn vor einer Schwangerschaft das konkret Therapieziel “Ersatzstrategie für Rauchen/Alkohol” zu bearbeiten. Insgesamt geht es immer darum “Wie kann es gehen?” oder “Wie kann ich üben?” und nicht “Soll ich oder soll ich nicht?” Ich hoffe meine Vorschläge helfen Dir weiter. Schreib mir gerne, wenn Du noch Fragen hast.  Viele Grüße, Sally


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.