Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Zu eng gebunden?

Frage: Zu eng gebunden?

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Hallo liebe Stillberaterinnen! Ich finde Ihre Einstellung so klasse und hole mir hier Bestätigung und Ermutigung, wenn ich von anderen Müttern wieder einmal verwirrt wurde. Meine aktuelle Frage betrifft ein Thema, bei dem ich immer wieder verwirrt werde: Ich stille meine Tochter (4 Monate) voll und es klappt sehr gut. Durch Ihre Beratung komme ich durch Dauerstill-Phasen prima durch. Nun möchte ich Abends gerne wieder (1x die Woche) zum Chor gehen und werde von der Umwelt sehr ermutigt. Vor drei Wochen haben wir schon einen Versuch gestartet, ich hatte Milch abgepumpt, der Papa passte auf. Dieser Versuch endete schließlich darin, dass Lina so lange schrie, bis ich da war und sie an die Brust nahm - dann schlief sie ein. Mir war sofort klar: Das muss sie nicht wieder erleben! Zum alltäglichen Procedere bei uns: Sie schläft Abends nur an meiner Brust ein, gemeinsam mit mir im Bett, wo sie dann auch liegen bleibt. Wenn sie schläft, stehe ich wieder auf. Mein Mann ist unter der Woche so viel weg, dass die Kleine ihn kaum sieht. Dafür hat er drei Tage Wochenende und ist da. Wenn sie satt ist, möchte sie die Brust manchmal nicht mehr, aber sie möchte gerne weiter saugen. Den Schnuller nimmt sie nicht, ich gebe ihr dann meinen Finger, an dem sie saugt. Ich bin nun verunsichert, weil von allen Seiten (Müttern!) kommt: "Das ist aber anstrengend!", "Dann kannst du ja nie weggehen!", "Das Kind muss sich ja auch an den Papa gewöhnen." Ständig komme ich unter Druck, dass wir das irgendwie hinkriegen müssen, dass die Kleine nun endlich auch mal vom Papa ins Bett gebracht wird. Ich spüre, dass sie eine sehr starke Bindung an mich hat und immer wieder meine Nähe braucht. Sie geht auch mal bei anderen (Fremden) auf den Arm, braucht aber immer wieder Blickkontakt zu mir und möchte dann nach einer Zeit auch wieder zu mir. Zuhause ist sie ein sehr fröhliches Kind, lacht viel und entwickelt sich klasse. Woanders ist sie unsicher, Lärm irritiert sie je nach Stimmung (obwohl wir zu Hause wirklich nicht leise sind) mal mehr mal weniger und sie weint deutlich mehr. Ich habe nun die Sorge, dass ich zu sehr "klette" und sie ein ganz ängstlicher Mensch wird, der nicht selbststänidig ist. Gott sei Dank unterstützt mich mein Mann und sagt: "Bindung und Sicherheit vor Autonomie!", aber die anderen Mütter machen das alle so anders und die Babys machen das problemlos mit. Zum Schluss muss ich sagen, dass ich im Prinzip nicht darunter leide - ich genieße die enge Bindung zu meiner Kleinen, wenngleich ich natürlich auch froh bin, wenn sie schläft und ich Momente für mich habe. Also: Meinen Sie, ich binde die Kleine zu sehr an mich? Vielen Dank für eine Antwort!


Biggi Welter

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Liebe LinasMamma, das Verhalten deines Kindes wird sicher von manchen Menschen als extrem anhänglich oder mutterfixiert bezeichnet, doch es ist ein vollkommen normales Verhalten für ein Baby. Es ist sogar wichtig, dass ein Kind zunächst eine feste und verlässliche Bindung zu einer Person aufbaut (und diese Person ist bei einem gestillten Kind naturgemäß fast immer die Mutter). Aufbauend auf dieser Erfahrung kann das Kind dann später seinen Horizont erweitern und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch das "Fundament" der engen Beziehung zur ersten Bezugsperson sollte fest sein und so zum Fundament der Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit überhaupt zu werden. Wie schnell oder langsam das Kind dann seine Fühler ausstreckt und Kontakt zu anderen aufnimmt und dort Bindungen knüpft ist ebenso wie das Laufenlernen oder Sprechen von Kind zu Kind verschieden. Jedes Kind hat da seinen eigenen Zeitplan. Du würdest niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn Du weißt, dass sie dadurch verkümmern oder sogar sterben würde. Genau so wenig können wir an unseren Kinder "ziehen", um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Keine Angst, dein Baby wird weder ein Muttersöhnchen noch ein ewig unselbstständiger Mensch, sondern Du legst jetzt den Grundstock für einen in sich ruhenden, selbstbewussten und selbstständigen Menschen. Dein Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: "Tragen") Ganz llliebe Grüße Biggi


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Hallo, wenn ich mich dazu äußern darf. Ihr macht das genau richtig und vor allem der Papa hat recht. In dem Alter braucht sie dich bzw. euch als zuverlässige Bezugspersonen. Alles andere (Selbstständigkeit) entwickelt sich auf dieser sicheren Basis (später! ab ca. 1 bis 1,5 Jahre) von allein. Du klettest nicht, davon kann man in dem Alter gar nicht sprechen. Und glaube nicht alles was andere sagen. Denen sind höchstwahrscheinlich nur ihre persönlichen Interessen wichtiger gewesen (oder sie haben es wiederum "eingetrichtert" bekommen von ihren Müttern/Schwiegermüttern), keiner würde sagen das Baby hätte dabei geweint... Natürlich ist ein Baby anstrengend und andere "flüchten" scheinbar vor dieser Verantwortung. Solange Du sie an der Brust einschlafen lässt (was völlig ok ist!), wird Papa einen schweren Stand haben beim Zubettbringen. Höre immer auf Dein (und Papas) Bauchgefühl und besuche hier vielleicht mal das Forum "Entwicklung" von Dr. Posth. Ich persönlich habe mich ebenso wie Du verhalten als meine Tochter noch ganz klein war. Als letzte Stillmahlzeit habe ich das abendliche Stillen (vorm Zubettgehen) mit 14 Monaten ohne Probleme "abgeschafft". Trotzdem kann ich mir heute (sie ist knapp 2,5 Jahre) an 2 Händen abzählen wie oft Papa sie zu Bett gebracht hat (was mal mehr mal weniger gut klappt, manchmal bin ich auch gar nicht außer Haus). Lass Dir nichts einreden, sie MUSS auch nicht alleine (ein)schlafen oder sonstwas. Ihr macht das gut so! Viele Grüße


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Hallo, auch ich möchte Dich ermutigen so weiter zumachen. Sie ist doch erst 4 Monate. In dem Alter hat meine Kleine noch fast jede Nacht nur auf meiner Brust geschlafen. (Und ich sitzend im Bett.) Jetzt ist sie fast 2 und alles ist gut..... Gib Ihr einfach die Zeit mit Dir. Das ändert sich schneller als man glaubt. Ich habe sie insgesamt 19Monate gestillt und trotzdem hängt sie nicht wie eine Klette an mir. Also, laß Dich nicht verunsichern. Auch ich habe mir ständig anhören müssen, dass das Kind doch alleine bei Papa bleiben kann bzw. dass es doch einfach auch mal eine Nacht zu Oma gegeben werden soll. Jeder muß für sich entscheiden was richtig ist. Ich denke aber, dass die KLeinen noch früh genug ohne uns die Welt entdecken. Lieben Gruß,Cerrin77


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Vielen Dank für die unterstützenden und Mut machenden Antworten! Ich habe das Gefühl, es gibt so eine "sekundäre" Stillfeindlichkeit. Erst soll jeder stillen, weil das ja nachweislich ganz wichtig ist. Das finden alle toll! Aber sobald es klappt, soll man sich als Mutter aber gleich wieder nach Freiheit sehnen und diese dem Kind beibringen und dann heißt es schon nach ein paar Monaten: "Was - du stillst immer noch? Wird das Kind denn da satt? Und wo bleibst du mit deinen Bedürfnissen?" Wer erwartet, dass man, nachdem man Mutter wurde, genau die gleiche ist wie vorher und "nur" zusätzlich noch eine gute Mutter, der hat m.E. etwas nicht verstanden. Ich kann sagen, dass ich mich derzeit sehr glücklich fühle, so eng mit meinem Kind zusammen zu sein - auch in dem Wissen, dass sie schon bald gerne ohne Mama sein will. Und dieses Gefühl wurde hier bestärkt - vielen Dank dafür! Herzliche Grüße!


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Das unterschreibe ich sofort :-) Hier noch ein Buchtipp, falls Du mal das Familienbett "verteidigen" musst (und auch sonst schön zu lesen): "Ich will bei euch schlafen" von Sibylle Lüpold http://www.amazon.de/Ich-will-bei-euch-schlafen/dp/3783161649/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1283523586&sr=8-1


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Laß dich nicht irritieren! was mir schon alles erzählt wurde....Ich schenke meinem Kind keine Freiheit, brauche die Bindung mehr als es selbst, mißbrauche mein Kind, um eigene Defizite aufzuarbeiten..... Ich bin damals, mein Kind war auch 4 Monate, zuhause geblieben, habe alles aufgeschoben. Heute ist mein Sohn ein Jahr alt und fährt gerne mit Papa spazieren, schläft bei ihm ein, wenn ich mal nicht zur Hand bin. Und nichtsdestotrotz: Ich bleibe bei ihm und stille ihn in den Schlaf, trage und kuschle ihn 24 Stunden am Tag, wenn es irgend möglich ist. Ich glaube eine sensible Mutter spürt, wenn der Zeitpunkt loszulassen gekommen ist. Bei uns ist das jedes Mal so, wenn der Kleine nach "Baba" ruft....und es sticht ein wenig in meinem Herz :0) Was Dein Herz sagt, das ist wichtig. Die "Anderen" führen Kriege, grüßen nicht auf der Strasse, lügen und hintergehen. Nur weil die Masse etwas tut, ist es nicht richtig!


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