Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillsituation in Deutschland

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Frage: Stillsituation in Deutschland

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Hallo Biggi, hier habe ich mal eine ganz schwierige Frage: In der Zeitung stand in den letzten Tagen ein Artikel, dass deutsche Frauen viel früher abstillen, als die aus anderen Ländern. Wie kommt das wohl? Wie sehen die Stillsituationen in anderen Ländern aus? Ist die Lobby der Säuglingsmilchersteller hier vielleicht viel größer? Wäre toll, wenn Du mir weiterhelfen könntest und auch Deine Meinung dazu schreibst! Danke und Liebe Grüße Janina mit Alexander (9 Monate und fast voll gestillt)


Biggi Welter

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? Liebe Janina, es gibt mehrere Untersuchungen zum Thema Stilldauer und Stillhäufigkeit in Deutschland und anderen Ländern. In Deutschland wurde kürzlich die SuSe-Studie (SuSe steht für Stillen und Säuglingsernährung) veröffentlicht. Die SuSe-Studie ist im Ernährungsbericht 2000, S. 81 - 95, erschienen, Herausgeber ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE). Auch die Untersuchung „Stillen in Österreich" vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen im Auftrag des Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bietet interessante Einblicke in das Stillverhalten, nicht nur in Österreich. Du kannst sie beim Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen in Wien oder auch unter der ISBN Nr. 3-85159-008-2 bestellen. Letztlich dürften die im Verhältnis zu anderen Ländern schlechten Stillraten nicht nur von der Werbung der Säuglingsnahrungsindustrie abhängen, sondern auch von der vielfach fehlenden Unterstützung und den vielen falschen Informationen, die Mütter zum Thema Stillen bekommen. Oft kapitulieren die Frauen ja vor Problemen, die bei entsprechender Unterstützung und Information gar nicht erst aufgetreten oder recht leicht zu beheben wären. Doch wenn diese Unterstützung und Information fehlt, was bleibt der Frau denn dann ... Als Stillberaterinnen versuchen wir, den Frauen so viel Information und Unterstützung zu geben, wie wir können und hoffen immer noch darauf, dass unsere Arbeit sich langfristig auszahlen wird. Allerdings sind wir nur relativ wenige und es fehlt vielfach die Anerkennung, wie wichtig unsere Arbeit ist. Die besten Multiplikatoren sind jedoch die Mütter selbst. Jede von euch, die ihrer Schwester, Freundin oder Nachbarin vorleben kann, wie schön das Stillen sein kann und wie praktisch, die aufzeigt, wie viele Vorteile das Stillen für Mutter und Kind hat, hilft dabei mit, dass es mehr Mütter geben wird, die mit Freude ihr Baby stillen werden. LLLiebe Grüße Biggi


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Hallo Janina, ich denke schon auch, dass die künstliche Säuglingsnahrung daran schuld ist. Zumal in der Zeit als wir Säuglinge waren, äußerst massiv und agressiv z.T. mit Lügen (die Milch reicht nicht, Kind nimmt ab, Muttermilch hat zu viele Schadstoffe, praktischer usw.) dafür geworben wurde. Fast alle meines Alters (zumindest alle die ich fragte), sind Flaschenkinder. Ich bin nun 31. Dies ging bis in die achtziger Jahre, bis die WHO ein Abkommen machte bezüglich des Stillens. Stillfreundliche Krankenhäuser (die hatten mir sehr geholfen, bzw. es stand nichts anderes zur Debatte) und vor allem, dass die Werbung erst die Folgemilch bewerben darf usw. haben dem etwas entgegengewirkt. Doch punkt sechs Monate werden die meisten Kinder (wenn nicht schon früher)dann abgestillt, was ich wirklich nicht verstehe. Da wollen die meisten Eltern immer das Allerbeste für ihr Kind und dann stellen sie auf minderwertige (auch wenn die Werbung das Gegenteil sagt) Säuglingsersatznahrung um. Auch Mütter die nicht arbeiten müssen, oder nicht krank sind oder aus anderen Gründen nicht Stillen können.l Was mir auch auffiel ist der Druck der Eigenen Mutter, die nicht selber gestillt hat (gebe dem Kind doch endlich mal was "Vernünftiges", die dünne Milch reicht ihm/ihr doch nie....), dem viele nicht standhalten können. Man braucht schon eine gehörige Portion Selbstvertrauen und Überzeugung, um dem immensen äußerem Druck standzuhalten. Wieso sollte ich mich von der minderwertigen Nahrung abhängig machen, viel Geld bezahlen und auch noch die Mehrarbeit des Zubereitens, Spülens und dann doch füttern müssens, in Kauf zu nehmen? Wie bekomme ich mein Kind dann fortan ruhig, wenn es nicht mehr nach Bedarf (und bei Flaschennahrung kann man schnell überfüttern) stillen kann? Ist es wirklich so eine Erleichterung die Flasche an jemanden zu delegieren? Leztendlich habe ich dann kein "Beruhigungsmittel" mehr fürs Baby und muss mich anderweitig abmühen. Ganz zu schweigen von dem gesundheitlichem Vorteil. Das natürliche menschliche Abstillalter (wenn man nicht eingreift), liegt bei 2,5 - 7 Jahren!!!! Unser mittlerweile 2 1/4 jähriger Sohn wollte sich auch noch nicht abstillen, obwohl nun sein kleiner Bruder (3monate) mit ihm gemeinsam an der Brust hängt. Und das ist gut so! Denn wenn beide trinken, fühlt sich der Große nicht zurückgesetzt (nucki auch... und er darf uneingeschränkt) und er hat dann keinen Grund eifersüchtig zu sein. Auch wenn ich beim stillen sitzte und er ist da, ist mir das lieber, als wenn er irgendwo im Haus was anstellt und ich kann nicht eingreifen, da ich ja festsitze. Fühle mich aber oft wie ein Exot, denn ich kenne nur ganz wenige Langzeitstillende und erst nach Tandemstillenden muss man lange suchen. Soweit meine Ansicht, die ich jedem gerne erzähle, der sie hören möchte. Falls mir Gleichgesinnte mailen wollten, freue ich mich auch. Grüße Andi Klier


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Hallo Janina und Andi und Biggi, Andi , Du hast die möglichen Gründe klar dargelegt, danke. Ich bin zwar kein Flaschenkind (geboren 1956 im Gründungsjahr der LLL, meine Mama ist Jahrgang 35), doch ich durfte nachts nicht gestillt werden, weshalb ich das ganze Haus zusammenschrie, so dass mein Onkel ausziehen wollte. Bis zu meiner eigenen Schwangerschaft mit 40 Jahren habe ich mir übers Stillen keine Gedanken gemacht. Mein jetzt fast 13-jähriger Neffe konnte nicht gestillt werden, die 8,5 Jahre alte Nichte schon. Deren Mama, meine Schwägerin empfahl mir ein stillfreundliches Krankenhaus. Das Stillbuch von Hannah Lothrop hat mich in der Schwangerschaft begleitet (die Kapitel über Stillschwierigkeiten habe ich nie gelesen). Eine andere Schwägerin, die Schwester des Papas von Carmen, die Oma von Carmen und eine Freundin und vor allem meine Intuition unterstützten mich beim (Langzeit-)Stillen. Und auch Biggi gebührt großer Dank dafür, dass ich vor 2,5 Jahren nicht abstillte, sondern "Wir stillen noch" und andere LLL-Literatur las. Mittlerweile ist Carmen 4 Jahre und wir stillen noch fast jeden Abend zum Einschlafen. Falls mir Gleichgesinnte mailen wollten, freue ich mich auch. Liebe Grüße Inge


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Liebe Janina, die anderen beiden Postings enthalten schon einen Grossteil der Argumente, die ich auch so empfinde. Meiner Ansicht nach aber ist auch eine totale Desinformation schuld. Bis ich mit 34 schwanger wurde, hatte ich keinerlei Ahnung. Ich dachte, Stillen heisst: Kind kommt, andocken, trinken, Bäuerchen, fertig. Und Mutter und Kind können das von Natur aus. Mehr wusste ich nicht. Und so geht es einem Grossteil der Bevölkerung. Außerdem: Ärzte haben keinerlei Ahnung, werden aber dazu oft befragt , v.a. Kinderärzte, und ich finde es skandalös, dass das Stillen nicht Teil deren Ausbildung ist, und so erzählen Kinderärzte teilweise einen Schafmist übers Stillen, dass einen graust. Und die Eltern glauben ihnen , denn: es handelt sich ja (scheinbar)um einen Kinderspezialisten. Ein weiterer Grund: in Deutschland gibt es lediglich 14 !! Krankenhäuser, die die WHO Plakette "stillfreundliches Krankenhaus" haben. Unvorstellbar. Wir sind stillmässig ein Entwicklungsland. Wobei ich gehört habe von einer angehenden Stillberaterin, dass es in Frankreich noch viel schlimmer sein soll. Jedenfalls: die Vorurteile rund ums Stillen sind vielfältig, einfältig und sehr lebendig. Ich bin dem einen oder anderen ja auch aufgesessen, bevor ich hierher kam und mich mit dem Thema anfing, intensivst zu beschäftigen. Wenn Dich weitere Gründe interessieren, schau doch mal bei www.uebersstillen.org nach, und dort bei den Artikeln des kanad. Still-Spezialisten Jack Newman - der hat sie alle aufgelistet und widerlegt sie mit einer scharfen Rhetorik und Argumentation. Für mich ein Zeichen, dass diese Vorurteile woanders (z.B. in Kanada) auch SEHR lebendig sind. Traurig.... Noch eine interessante Seite ist die der AGB - Arbeitsgemeinschaft Babynahrung. Dort wird die Praxis einiger Babynahrungshersteller untersucht, die trotz Verboten versuchen, kostenlos Babynahrungsproben zu verteilen und die Mütter vom Stillen abzuhalten. Eins ist klar: es ist traurig. Je mehr ich mich damit beschäftige, umso mehr stelle ich fest: mir ist kaum ein Thema im Leben begegnet, das derart von * Ignoranz * Vorurteilen und * Einmischung geprägt ist. Dass es dabei um die Zukunft und Gesundheit unserer Kinder geht - umso schlimmer.... schreib mir, wenn Du an einem weiteren Austausch diesbezüglich interessiert sein solltest. liebe Grüße von Doro P.S. eines meiner Lieblingsargumente von Jack Newman ist, dass man offensichtlich problemlos eine blanke Brust zur Bierwerbung akzeptiert, aber blöde Blicke wirft, wenn diese ausgepackt wird,um ein Kindchen zu ernähren... unglaublich.


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Eins noch: der Druck der Mütter (Schwiegermütter), von dem bereits erzählt wird, der ist allgegenwärtig. Meiner Meinung nach ist es v.a. die Generation, der man übers Stillen so viel Unsinn erzählt hat, und die jetzt das Wissen von vor 30 Jahren runterbetet, v.a. um das eigene schlechte Gewissen, diesem Unsinn aufgesessen zu sein, niederzuknüppeln. Dem Argument, dass die Menschheit schon längst ausgestorben sein müsste, wenn all dieser Unsinn richtig wäre, weiss eigentlich aber niemand richtig was entgegenzusetzen :-)) damit stopf ich den Leuten immer das Mundwerk. Grüße von Doro, die hofft, dass sich was ändert...und die vorhat, ihre Tochter so lange zu stillen, solange das Kind das möchte und Milch da ist. Punkt aus. Soll mal einer wagen, was dagegen zu sagen :-))


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