Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillen?

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillen?

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Hallo, meine Tochter ist inzwischen 3 Monate alt und seit ihrer Geburt habe ich auf den Genuss von Milchprodukten verzichtet. Meine anderen Kinder litten bereits unter einer Milcheiweißallergie, welche sich bereits beim Stillen äußerte in Form von Koliken und Durchfall, wenn ich Milcheiweiß zu mir nahm. Vor ca. 3 Wochen habe ich es dennoch einmal versucht, Käse und Sahne zu mir zu nehmen, wurde jedoch mit einer ruhelosen Stunde in der Nacht bestraft (bis auf ihre 2 Mahlzeiten in der Nacht hat sie sonst immer geschlafen). Zu der gleichen Zeit trat auch ein Ausschlag in ihrem Gesicht auf, welchen ich bis jetzt Sojaprodukten zuordne (ich versuchte, meinen Calciumbedarf damit zu decken), so dass ich zur Zeit auch auf Soja verzichte. Da in den meisten Fertigprodukten entweder Soja oder Milcheiweiß enthalten ist, bleibt nicht mehr viel für mich zu essen übrig und ich ernähre mich recht einseitig (die Zeit, um großartige Gerichte selber zu kochen bleibt leider nicht). Inzwischen bin ich ziemlich erschöpft, leide unter Schweißanfällen und Kreislaufproblemen. Meine Frage: Sollte ich evtl. lieber abstillen, weil die Ernährung für meine Tochter und mich zu einseitig ist oder macht es dennoch Sinn, weiterzustillen? Es wäre toll, einmal eine fachfrauliche Antwort dazu zu hören. Vielen Dank im voraus, Marianne


Biggi Welter

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Liebe Marianne, obwohl sich Frauen in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich ernähren gibt es so gut wie keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die Milchzusammensetzung deutlich über die Ernährung zu beeinflussen. Dies mag ein Schachzug der Natur sein, um das Überleben des Babys zu sichern. Ernährt sich eine Mutter nicht gut, so geht dies zunächst nicht zu Lasten der Qualität der Muttermilch, sondern zu Lasten der Mutter. Erst wenn die Reserven der Mutter erschöpft sind (zum Beispiel bei schwer unterernährten Frauen in Hungergebieten), kommt es zu Veränderungen der Muttermilch, die jedoch weniger die Qualität als die Quantität betreffen. Auch Stress führt nicht zu einer Qualitätseinbuße der Milch. Hier gibt es nur zwei Ausnahmen, dass die Milch nicht alles enthält, was das Baby braucht: bei extremen Ernährungsformen ohne jegliche tierische Produkte (vegane Ernährung) kann der Gehalt an Vitamin B12 in der Muttermilch nicht ausreichen und bei einer sehr seltenen Stoffwechselkrankheit.Ich gehe jedoch davon aus, dass Sie weder kurz vor dem Hungertod stehen, noch sich streng vegan ernähren oder gar an Hyperlipoproteinämie leiden. Ihre Milch ist also reichhaltig genug. Ich hänge Ihnen noch den Artikel von Gabi Eugster "Kalzium und Osteoporose" an, der in "Laktation und Stillen" 2/2004 erschienen ist LLLiebe Grüße, Biggi "Bei den Ernährungsfaktoren steht Kalzium im Mittelpunkt. Auch wenn der Mineralstoff nicht der einzige Ernährungsfaktor ist, er bleibt wichtigster Baustein des Knochens. Die Aufnahme von täglich 1000 mg Kalzium, welche die Referenzwerte empfehlen, wird von vielen Frauen nicht erreicht. Nebenbei erwähnt: Kalzium ist nicht nur für die Knochengesundheit wichtig, der Mineralstoff wird auch zur Blutgerinnung und Reizübertragung im Nervensystem benötigt. Als wichtigster Kalziumlieferant gilt nach bei uns nach wie vor Milch und Milchprodukte. Schwangeren und Stillenden wird empfohlen, mindestens eine Portion Käse, Milch oder Joghurt zusätzlich auf den Speiseplan zu setzen. Doch Milch als bester Kalziumlieferant ist nicht unbestritten. In den asiatischen Ländern gibt es kaum Osteoporose, obwohl Milchkonsum dort nicht üblich ist. Zwar enthält Milch eindeutig sehr viel Kalzium, nämlich 120 mg pro Deziliter, und das Kalzium aus Milch wird mit einer Aufnahmerate von 30 Prozent auch gut aufgenommen. Doch ebenso enthält Milch viel (tierisches) Protein, welches die Kalziumausscheidung über die Nieren verstärkt und so einen negativen Effekt auf die Kalziumbilanz und damit auf die Knochendichte haben kann. In der Framingham Osteoporosestudie, welche die Knochendichte von 900 älteren Menschen zwischen 69 und 93 Jahren verglich, hatten jene die höchste Knochendichte, welche am meisten Obst und Gemüse aßen. Die Liebhaber von Milch und Milchprodukten kamen nur auf den zweiten Platz, obwohl sie das meiste Kalzium aufnahmen . Es gilt also, auch pflanzliche Kalziumquellen zu nutzen. Hier drängen sich insbesondere die kalziumreichen Gemüsesorten Brokkoli, Fenchel, Grünkohl und Lauch auf. Auch Nüsse und Sesam enthalten viel Kalzium. Kalziumreiches Mineralwasser mit mehr als 150 mg pro Liter kann einiges zur Kalziumversorgung beitragen, ebenso mit kalziumangereicherte Fruchtsäfte. Wichtig ist es auch, die Kalziummahlzeiten über den Tag zu verteilen. Insbesondere eine kalziumreiche Spätmahlzeit kann den Knochenabbau während der Nacht bremsen. Kalzium sollte zudem nicht gleichzeitig wie die Kalziumräuber Oxalsäure (in Spinat, Rhabarber und Spargel) oder Phytinsäure (in Vollkornprodukten) aufgenommen werden. Mehr als vier Tassen Kaffee pro Tag hemmt die Kalziumaufnahme ebenfalls, zudem wurde festgestellt, dass RaucherInnen weniger Kalzium aufnehmen können. Als weitere "Knochenräuber" gelten Alkohol, Zucker und Phosphat. Gerade letzteres findet sich in großer Menge auch in der Milch." Hier noch eine Auflistung zum Kalziumgehalt einzelner Nahrungsmittel (jeweils mg/100g): Amaranth 490 Aprikosen, getrocknet 80 Braunalgen 1000 Broccoli 65 Camembert 380 Diät Kurmolke 120 Doppelrahmfrischkäse 65 Eier 125 Feigen, getrocknet 190 Fenchel 100 grüne Bohnen, getrocknet 195 Grünkohl (Federkohl) 110 Haferflocken 65 Hartkäse 790 830 Haselnüsse 225 Heilbutt 11 Karotten 255 Knäckebrot 55 Kohl, getrocknet 375 Kuhmilch/Roh Vollmilch 160 Leinsamen 260 Linsen 75 Mandeln 250 Meerrettich 55 Molke Kwass 108 Parmesan 1225 Petersilie 145 Rahm 110 Sauerkraut 50 Schnittlauch 130 Sellerie 50 Sesam 783 Sojamehl 195 Sonnenblumenkerne 100 Spinat 85 Tomaten 60 Vollkornbrot 95 Vollmilchjoghurt 150 Walnüsse 70 Weichkäse 500 weisse Bohnen 105 Weizenkeime 70 Zwiebeln, getrocknet 160 Ich schließe mich auch Gabi's Schlusswort an: "Damit schließt sich der Kreis aller Empfehlungen. Obst und Gemüse als Hauptnahrungsmittel werden von allen Experten der Ernährung empfohlen. Dazu kommen Kartoffeln und Getreideprodukte als zweite wichtige Nahrungsgruppe. Milch und Milchprodukte sowie Fleisch sind eine sinnvolle Ergänzung und sollen in kleineren Mengen genossen werden, Fette und Öle sowie Süßigkeiten in sparsamen Mengen sind erlaubt. Wer sich an diese Ernährungsregeln hält ist auf der sicheren Seite." Solange wir nicht gerade zu den Menschen gehören, die keine Milch (mehr) vertragen, ist gegen Milchprodukte in Maßen wohl nichts einzuwenden, aber es entspricht nicht der Wahrheit, dass Milch prinzipiell für den Menschen nach dem Abstillen notwendig ist und es gibt eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten, die Kalziumversorgung sicher zu stellen - übrigens auch ohne auf Kalziumtabletten zurückzugreifen.


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