Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillen / Schlafverhalten

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

zur Vita

Frage: Stillen / Schlafverhalten

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Liebe Biggi Welter, meine Tochter ist 5 Monate und ich stille sie voll (nach Bedarf). Es klappt alles prima, ich würde mir nur wünschen, das ich zu mehr Nachtruhe käme... Bei uns läuft es wie folgt ab: Abendritual/Bettgehzeit ca. 19.00 Uhr, mit abschliessendem Stillen, bei dem sie meistens einschläft. Dann wieder Stillen um ca. 23.00, 2.00 Uhr und ca. 5.00 Uhr. Wenn ich merke dass sie nachts unruhig wird, wild am Daumen saugt und anfängt zu quäken, nehme ich sie raus und stille sie, es sind meist ca. 10 Min. Sie trinkt dann gierig und zügig, bis sie wieder einschläft. Ich habe gelesen, das ein Säugling in diesem Alter Nachts keine Nahrung mehr braucht. Handelt sich es da also um eine liebgewonnene Gewohnheit von ihr ? Gibt es irgendeine Möglichkeit, den Sillrhythmus Nachts zu verlängern ? Von irgendwelchen Schlaf-Trainings-Programmen halte ich gar nichts, das möchte ich betonen, auch wenn man die von allen Seiten empfohlen bekommt. Sie tagsüber öfter anzulegen, klappt gar nicht. Bitte nicht falsch verstehen, ich stille sehr gerne, wollte aber trotzdem mal nachfragen, wie Sie das so beurteilen. Vielen Dank ! LG Katja mit Emilia


Biggi Welter

Biggi Welter

Beitrag melden

? Liebe Katja, Gerade in der Zeit ab etwa vier bis sechs Monate wachen viele Babys (wieder) vermehrt auf. Dies liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung oder eben das Abstillen auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Haben Sie ein wenig Geduld mit sich und dem Kind und versuchen Sie sich den Alltag so einfach wie möglich zu machen, damit Sie genügend Ruhe für sich bekommen. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind.Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. Es gibt kein Patentrezept, um ein Kind zu längeren Schlafphasen zu bringen. Hätte ich eines, das das Kind achtet, würde ich ein Buch darüber schreiben und damit einen Bestseller landen, an dem sich gut verdienen ließe. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Liebe Biggi, vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich hätte nun allerdings noch eine Frage betr. Schlafen am Tag. Meine Tochter (5 Monate) schläft tagsüber so gut wie nicht, obwohl sie mehrmals täglich (ca. 10.00, 13.00 und 17.00) deutliche Zeichen von totaler Müdigkeit zeigt. Ich versuche dann sie zur Ruhe zu bringen, um sie ins Bettchen zu legen. Dort bleibt sie aber ausserst selten und wenn sie doch mal einschläft, schläaft sie selten länger als 45 min. Ich habe den Eindruck sie kämpft mit allen Mitteln gegen den Schlaf, obwohl sie in doch dringend braucht. Nachts verbringt sie ca. 13 Std. (von ca. 19.00 -8.00) in Ihrem bzw. meinem Bett, unterbrochen von den in meiner vorherigen Mail beschriebenen nächtlichen Stillzeiten. WEshalb kämpft sie so wehement gegen das Schlafen am Tag ? Auch wenn ich sie in meiner Nähe lasse (Laufstall/Babywippe) schläft sie nicht ein, reibt sich aber wie verrückt die roten Augen, gähnt und zappelt.. Ich würde mich freuen wenn sie nochmal einen Rat für mich hätten. Vielen Dank! Katja


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Liebe Katja, in diesem Alter beginnt manchmal schon die sogenannte Fremdelphase. Das heißt, das Kind beginnt ganz bewusst zwischen fremd und bekannt zu unterscheiden und lernt nun auch sehr deutlich, dass es ein eigener Mensch ist. Dies kann für das Kind sehr aufregend und verunsichernd sein und dann will es natürlich nicht alleine sein, schon gar nicht, wenn es sich in den Schlaf fallen lassen soll und damit ja auch das letzte bisschen Kontrolle abgeben muss, das es in seiner Welt hat. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses "natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit "Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Auch wenn Ihr Kind in Ihrer Nähe ist, spürt es Sie nicht. Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser "Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass dies Eltern sich als Versager fühlen sollten. Haben Sie noch ein wenig Geduld mit sich und Ihrem Kind und lassen Sie Ihr Baby Baby sein. Es mag Ihnen jetzt endlos vorkommen, doch die Zeit vergeht wirklich schneller, als Sie jetzt vielleicht denken. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Sie im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin (auch hier im Stiöö-Shop) bekommen können. LLLiebe Grüße Biggi


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.