Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillen nachts

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillen nachts

Mitglied inaktiv

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Hallo Frau Welter, meine Tochter ist 8 Monate alt. Seit Oktober stille ich sie im 2 Stunden Rhythmus – auch nachts; da manchmal sogar nur alle anderthalb Stunden. Ich habe mit Interesse Ihre Antworten auf die verschiedensten Fragen gelesen und bin froh, dass es Leute wie Sie gibt, denen das Wohl der Kinder so am Herzen liegt. Nun merke ich aber, dass ich einen zunehmenden Unwillen habe nachts alle anderthalb Stunden zu stillen. Daher bitte ich Sie mir zu schreiben, ob es eine Möglichkeit gibt, wie ich das Stillen durch andere Zuwendung ersetzen kann. Ich gebe meiner Tochter seit dem 7.Monat immer wieder Beikost (im Moment Birne und Kartoffel-Kohlrabi). Sie isst aber oft nur wenig und ich habe das Gefühl, dass es bei ihr im Bezug auf Stillmenge und Häufigkeit gar keinen Unterschied macht. Ändert sich das von selbst, oder mache ich etwas falsch? Ich finde es auch schwierig den richtigen Zeitpunkt für die Mahlzeiten zu finden, da ihr Rhythmus nicht sooo regelmäßig ist. Ich bedanke mich schon im Voraus für Ihre Antwort. Herzliche Grüße, Amira


Biggi Welter

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Liebe Amira, es ist ? abgesehen von der Anwendung der sehr umstrittenen und von Stillexperten einhellig abgelehnten Schlaftrainingsprogrammen ? nicht möglich ein Kind an das Durchschlafen zu gewöhnen, ehe es nicht von selbst dazu reif ist. Es ist ja auch nicht möglich ein Kind an das freie Laufen oder das Sprechen zu gewöhnen. All diese Fähigkeiten entwickelt jedes Kind dann, wenn der für das jeweilige Kind richtige Zeitpunkt gekommen ist. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab einem bestimmten Alter nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in einster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. In einem amerikanischen Buch über die Entwicklung von Kindern (Aldrich: "Babys are Human Beeings"') habe ich einmal den wichtigen Satz gefunden "Damit Kinder sich gut entwickeln können, sind liebevolle Fürsorge und ein beständiges, direktes Eingehen auf ihre Bedürfnisse so ausgesprochen wichtig". Das steht zwar manchmal im Widerspruch zu unserem "modernen, westlichen" Lebensstil, aber es zahlt sich langfristig aus. Für viele Menschen unserer Kultur wird "guter Schlaf" mit "ununterbrochenem Schlaf" gleichgesetzt und für junge Eltern ist es dann eine große Herausforderung mit dem Schlaf in "Häppchen" zurecht zu kommen. Genau zu diesem Thema habe ich vor ein paar Tagen eine interessante Stellungnahme eines Gynäkologen gehört, der über das Thema "rooming?in und Müdigkeit der Mutter" gesprochen hat: Er hat dargelegt, dass er aufgrund seiner Dienste und seiner Arbeit im Krankenhaus extrem selten mehr als drei bis vier Stunden am Stück schlafen kann und fünf Stunden ununterbrochener Schlaf sind für ihn bereits der Inbegriff des Luxus. Dennoch ? und obwohl dies schon seit mehr als zehn Jahren für ihn so ist ? fühlt er sich nicht unausgeschlafen oder empfindet seinen Schlaf als qualitativ beeinträchtig. Ich will damit sagen, dass unterbrochener Schlaf nicht mit Schlafmangel gleichgesetzt werden kann und dir deshalb das Abstillen in der Nacht nicht zwingend einen Vorteil bringen wird. Zumal es auch keine Garantie dafür gibt, dass Ihr Kind dann nicht mehr aufwachen wird, nur weil es nachts nicht mehr gestillt werden wird. Wenn Sie aber für sich sicher sind, dass Sie nachts nicht mehr stillen mögen, dann wird das vermutlich nicht ganz ohne Trauer bei Ihrem Kind gehen. Ihr könnt ein festes Ritual mit Kuscheln und Vorlesen oder Geschichte erzählen einführen. Viele Eltern beginnen auch bereits bei einem wenige Monate alten Baby damit, den Tag am Abend noch einmal Revue passieren zu lassen und so ein Gespräch (das sich im Laufe der Zeit dann entwickeln wird) über die Erlebnisse, Freuden, aber auch Sorgen und Nöte des Kindes zu führen. Durch solch ein Gespräch bleiben Eltern dann auch in engem Kontakt mit ihrem Kind und der leider viel beobachtet Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Kind kann entgegengewirkt werden. In diesen Gesprächen können Sie Ihr Kind immer wieder darauf hinweisen, dass Sie der Meinung sind, dass das Stillen in der Nacht nun eingeschränkt wird, dass Sie es aber weiterhin genau so sehr lieb haben, wie schon immer. Eine andere Möglichkeit ist es, dass statt Ihnen Ihr Partner die Nachtschicht bzw. das zu Bett bringen zum Teil übernimmt. Also nicht Sie wenden sich jedesmal Ihrem Kind zu, sondern ihr wechselt euch ab und da ein Mann keine Brust zum Stillen hat, wird er euer Kind auf andere Weise beruhigen müssen. Sie können Ihr Kind ja in der ersten Zeit zuerst stillen und dann Ihrem Partner übergeben. Wenn Ihr Partner nicht einspringen kann, bleibt es an Ihnen, Ihr Kind auf andere Weise zu trösten und zu beruhigen und ihm einen Ersatz für die Brust anzubieten. In dieser Situation ist ein Nachthemd bzw. Kleidung, die sich vorne nicht öffnen lässt oft hilfreich. Wichtig ist, dass Ihr Kind weiterhin Ihre Liebe und Zuneigung spürt und Sie nicht gleich die Geduld verlieren, wenn es nicht so schnell klappt mit dem nächtlichen Abstillen. Viele Frauen glauben, dass sie sich vom Kind distanzieren müssen, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Probieren Sie es einmal mit immer kürzerem Stillen und viel Kuscheln. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

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bin gerade dabei bei meinem kleinen (5 monate) das nächtliche stillen abzugewöhnen da er dadurch tagsüber kaum hunger hat. ich hab mir das buch "jedes kind kann schlafen lernen" besorgt und bis jetzt klappt alles wunderbar. jede nacht stille ich ihn eine minute weniger. vielleicht hilft es dir ja.


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