Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Nächtlicher Dauerhunger

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Nächtlicher Dauerhunger

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Hallo Biggi, meine Kleine (knapp 6 Mon.) schafft mich z.Z. völlig. Sie bekommt nachts und morgens Brust, tagsüber Brust und Pre-Fläschchen im Wechsel, mittags Karottenbrei. Tagsüber ist sie gut drauf, hat nur alle 3-4 Stunden Hunger und trinkt ordentlich. Nachts allerdings kommt sie alle 2-2,5 Stunden und trinkt dann auch lange, bleibt eine halbe Stunde angedockt. Meistens muss ich sie dann lösen, sie würde wohl am liebsten die ganze Nacht an meiner Brust schlafen. Und ab halb 5 ist sie miestens wach und quietschfidel, da ist an Schlaf auch nicht mehr zu denken. Gestern abend habe ich aus Verzweiflung mal Folgemilch 2 gegeben, da hat sie 200ml fast in eins getrunken. die Phase bis zur ersten Nachtmahlzeit war zwar 1h länger, aber dann ging es wieder im 2h-Takt. Ich kann nicht mehr. Hast du Tipps für mich? Danke und Gruß, Miriam


Biggi Welter

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? Liebe Miriam, der Tipp lautet „Löse dich von der Vorstellung, dass sich das Schlafverhalten des Kindes über die Ernährung beeinflussen lässt“. Gäbe es die `WundernahrungA, die ruhige Nächte garantiert, wäre sie außerdem längst (mit großem Werbeaufwand bekannt gemacht) im Supermarkt oder der Apotheke zu kaufen, es würde sich jemand eine goldene Nase damit verdienen und keine Familie würde mehr über ein Schlaftraining nachdenken. Es ist ein normaler entwicklungsphysiologischer Verlauf, dass Babys ab dem Alter von vier bis sechs Monaten nachts (wieder) vermehrt aufwachen. Dieses Aufwachen liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung oder eben das Abstillen auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. Es gibt kein Patentrezept, um ein Kind zu längeren Schlafphasen zu bringen. Hätte ich eines, das das Kind achtet, würde ich ein Buch darüber schreiben und damit einen Bestseller landen, an dem sich gut verdienen ließe. Die Kunst besteht nun darin, einen Weg zu finden, dass sich Mutter und Kind wohl fühlen können. Wo schläft dein Baby denn? Die Nächte können sehr viel einfacher werden, wenn das Baby in unmittelbarer Nähe der Mutter schlafen kann. Für die Mutter ist es sehr viel praktischer, wenn das Baby mit im eigenen Bett liegt (was weltweit bei Mehrzahl aller Kinder und in unserer Kultur sehr viel mehr als von den Eltern zugegeben wird der Fall ist) oder auf einer Matratze oder in einem Kinderbett direkt neben ihrem Bett. Die Mutter muss nachts nicht aufstehen, muss nicht erst richtig wach werden, sondern kann im Liegen stillen und unmittelbar danach weiterschlafen. Auch das Kind muss gar nicht erst richtig wach werden und zu schreien beginnen und kann somit auch schneller wieder einschlafen. Auf diese Weise kann viel Kraft gespart werden und die Nächte verlaufen für alle Beteiligten ruhiger. Auch tagsüber kannst Du versuchen, dir selbst Nischen zu schaffen, die Du ganz gezielt für deine Erholung nutzt. Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchtest, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens `Schlafen und Wachen - ein Elternbuch für KindernächteA von Dr. William Sears empfehlen, das im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL-Stillberaterin (auch bei uns) erhältlich ist. Dr. Sears ist nicht nur Kinderarzt, sondern auch achtfacher Vater und aus seinen Büchern spricht nicht die graue Theorie, sondern auch eine ganze Menge Lebenserfahrung im Zusammenleben mit Kindern. LLLiebe Grüße Biggi


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