Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Nachts stillen

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Nachts stillen

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Liebe Biggi, mein Sohn ist 6 Monate alt, 70 cm lang, über acht kg schwer und ist ein fröhlicher kleiner Mann. Er trinkt tagsüber Muttermilch und hat angefangen feste Nahrung (mittags Gemüse und abends Cerealien) zu sich zu nehmen seit Ende des fünften Monats. Das Mittagessen hat anfangs sehr gut geklappt und seit ich versuche Fleisch in den Brei hinzuzufügen, ist es etwas mühsam und er isst ziemlich wenig. Wir haben einen ziemlich festen Tagesrhytmus mit drei Mal Schlafen (zwei Mal kurz und einmal lang) und das Einschlafen bereitet ihm keine Schwierigkeiten mehr. Nach dem Abendritual schläft er allein im Bettchen ein (bei uns im Elternzimmer). Und dann beginnen seit etwa 4 Wochen für mich schlimme Nächte, denn er trinkt alle zwei Stunden, manchmal auch in kürzeren Abständen. Um 20 Uhr abends schläft er ein und meldet sich dann um 22.30 Uhr zum ersten Mal. Ich bin nachts oft allein, da mein Mann beruflich unterwegs ist, und komme nun ans Ende meiner Kräfte. Was kann ich machen? Ich wollte deshalb auch schon abstillen, in der Hoffnung, dass die Kunstmilch in satter macht. Tatsächlich habe ich begonnen ihm abends ein Fläschchen zu geben und zusätzlich zu stillen. Bis jetzt nützt das aber gar nichts. Mit 4 Monaten hat er mal eine ganze Weile 7 bis 8 Stunden am Stück geschlafen. Ende seines vierten Lebensmonats sind wir nach Spanien gezogen, seit dem wacht er graduell immer häufiger auf. Abstillen täte mir aber auch Leid. Wir hatten anfänglich viele Probleme, er nahm nicht zu, und ich musste zufüttern. Schließlich haben wir es geschafft doch nur auf Muttermilch umzusteigen. Der Kinderarzt hat gesagt, dass er durch die Cerealien, Muttermilch und Fläschchen mit Folgemilch schlafen müsste. Ist aber nicht der Fall. Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus!! Ana


Biggi Welter

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Liebe Ana, es ist ein normaler entwicklungsphysiologischer Verlauf, dass Babys ab dem Alter von vier bis sechs Monaten nachts (wieder) vermehrt aufwachen. Dieses Aufwachen liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung oder eben das Abstillen auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. Es gibt kein Patentrezept, um ein Kind zu längeren Schlafphasen zu bringen. Hätte ich eines, das das Kind achtet, würde ich ein Buch darüber schreiben und damit einen Bestseller landen, an dem sich gut verdienen ließe. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens `Schlafen und Wachen ein Elternbuch für KindernächteA von Dr. William Sears empfehlen, das Sie im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen können. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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