Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

In falschen Situationen stillen - Lektüre gesucht

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: In falschen Situationen stillen - Lektüre gesucht

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Liebe Kristina, liebe Biggi, ich hab mal eine Frage zu "Zuviel-Stillen" im Sinne von, in den falschen Situationen. Eine Bekannte von mir hat das Problem, dass sie meint, ihre Tochter (jetzt 6 Monate 2 Wochen, mehr als 9kg schwer) trinke zuviel, da auch das Gewicht zu rasant rauf geht (pro Monat 1kg). Sie wird bis jetzt nur voll gestillt und ich meine auch, dass ihre Kleine in vielen Fällen einfach nur signalisiert, dass sie Abwechslung braucht, was neues sehen will, Anregung braucht. Leider will sie ihr Kind nicht im Tuch tragen, da es ihr zu schwer ist; war ein Tipp von mir um dem Kind genügend Interessantes zu bieten, währenddessen man selbst arbeitet. Ansonsten geht sie zum Babyschwimmen mit ihr und auch viel Spazieren.... Welche Lektüre könnte man ihr empfehlen? Zu einer Stillberaterin zu gehen hab ich auch schon empfohlen, nur geht es meiner Meinung nach um eine grundsätzliche Einstellung mit einem Baby umzugehen. Habt ihr da hilfreiches auf Lager? Von den vielen Büchern, die ich gelesen habe, könnte ich ihr jetzt nicht EIN Buch empfehlen, welches alles auf einen Punkt bringen würde. Dankbar für eure Hilfe! Tina


Biggi Welter

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Liebe Tina, ein "Zuviel-Stillen" gibt es nicht. Babys gibt es in verschiedenen Größen und die Bandbreite ist da sehr groß. Wie ein Kind als Baby aussieht, sagt auch nichts darüber aus, wie es später als Erwachsener aussehen wird. Die Statur der Kinder ist genetisch festgelegt und bei einem Kind das nach Bedarf gestillt wird, ist nicht zu befürchten, dass dadurch der Grundstein für ein späteres Problem mit Übergewicht gelegt wird. Im Gegenteil, Stillen schützt vor Übergewicht. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch ein gestilltes Baby zwischendurch wie ein kleiner Buddha aussehen kann. Im Gegensatz zur (industriell) stark weiterverarbeiteten Nahrung enthält Muttermilch keine leeren Kalorien. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ein gestilltes Kind, das rasch zunimmt, als Erwachsener Gewichtsprobleme haben wird. Im Gegenteil es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass Stillen eindeutig vor Übergewicht schützt und dass dieser Schutz nicht nur im Kindesalter sondern auch beim Erwachsenen anhält. Das Fett, das sich in der relativ passiven Phase vor dem Krabbelalter möglicherweise ansammelt, stellt einen Vorrat für die sehr aktive Phase dar, in der das quirlige Krabbelkind keine Zeit zum Essen haben will. Im Alter von ein bis zwei Jahren werden die Kinder, die schnell zugenommen haben, gewöhnlich von alleine schlanker. Gerade Kinder, die nach Bedarf gestillt werden, behalten ein gutes Gefühl dafür, wann sie satt sind, denn sie entscheiden ja selbst, wann und wieviel sie trinken. Also keine Sorge, durch das Stillen nach Bedarf wird sicher nicht den Grundstein für spätere Gewichtsprobleme gelegt. Mit der Brust kann frau ein Kind nicht zustöpseln. Kein Kind lässt sich an die Brust zwingen und wenn ein Kind nicht gestillt werden will, sondern ein anderes Bedürfnis hat, dann wird es dies unmissverständlich kund tun. Stillen ist eine aktive Sache von beiden Partnern und ohne dass das Kind mitmacht, geht es nicht. Ich bin sicher, dass manche Mutter gelegentlich versucht, das Kind mit der Brust zu beruhigen, einfach, weil es jetzt gerade praktisch und bequem wäre, aber das funktioniert in den allermeisten Fällen nicht solange das Kind nicht will, weil das Kind nicht gegen seinen Willen an die Brust gebracht werden kann. Die (weiche) Brust, kann nicht einfach in den Mund gesteckt werden wie zum Beispiel eine Flasche oder ein Schnuller (der ja sogar im Mund festgehalten werden kann). Stillen ist viel mehr als nur eine Form der Ernährung: es ist Trost, gibt Nähe, Geborgenheit und Zuwendung. Deshalb ist das Stillen in keiner Hinsicht mit dem Flaschegeben zu vergleichen. Dennoch bedeutet es keineswegs, dass eine stillende Frau nur mit der Brust Zuwendung gibt. Seit Anbeginn der Menschheit werden Kinder an der Brust der Mutter getröstet und Essstörungen sowie die ganzen (angeblichen) Schlafstörungen bei Kindern sind ein recht neue Erscheinung, die es in unserer modernen Welt gibt, in der die überwiegende Mehrheit der Menschen nicht oder nur kurz gestillt wurden. Es wird immer wieder behauptet, dass Stillen nach Bedarf und auch Langzeitstillen zu Abhängigkeiten führe oder gar irgendwelchen Verhaltensstörungen oder der Sucht Vorschub leiste. Es ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Durch die Befriedigung der Bedürfnisse muss das Kind keinen Ersatz suchen und somit verringert sich die Suchtgefahr. Sucht bedeutet ja, dass ein Ersatz gesucht und verwendet wird, weil ein Bedürfnis nicht gestillt wurde. Wenn Du dich darüber näher informieren willst, wende dich an die Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (um Frau Dr. Evelin Kirkilionis), Obere Dorfstraße 7 in 79400 Kandern. Unter anderem kannst Du dort Veröffentlichungen wie "Das Original anbieten bevor die Suche nach dem Ersatz beginnt" beziehen. LLLiebe Grüße Biggi


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