Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Gründe für öfteres Stillen ? (Baby 4 Monate)

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Gründe für öfteres Stillen ? (Baby 4 Monate)

Elli_1983

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Guten Morgen, ich stelle fest, dass mein Kleiner jetzt nicht mehr nur tagsüber öfter an die Brust will sondern ich auch nachts öfter anlegen muss. Tagsüber war es die letzten Wochen im Schnitt 8x pro Tag für ca. 30min und jetzt gleiche Dauer aber ca. 12x pro Tag (wie in vorigen Posts geschrieben). Ich wundere mich etwas weil diese Tendenz nun auch auf nachts übergeht: statt vorher nur 2x wach zu werden zum Stillen nach 6h-8h gegen 2h morgens das erste Mal und dann nochmal gegen 6h ist es jetzt so, dass ich 3x-4x nachts stillen muss. Meine Frage ist: * Woran liegt dieser für mich gefühlte Rückschritt? Nachts ist es eher ein Problem als tagsüber natürlich. * Und auch kann ich irgendwas tun um den Kleinen zu helfen dahin zu kommen durchzuschlafen? Ich hörte manche Babys machen schon mit 4 Monaten ihre Nächte oder? Danke nochmals, Elli


Biggi Welter

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Liebe Elli, als Eltern glauben und hoffen wir immer auf eine lineare Weiterentwicklung der Fähigkeiten unserer Kinder. Beim Schlafverhalten können wir jedoch nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung kontinuierlich verläuft, im Gegenteil, relativ viele Babys schlafen mit zwei Monaten deutlich länger und anhaltender als mit vier oder sechs Monaten. Das Schlafverhalten hängt nicht unbedingt oder nur in extrem geringem Maße von der Ernährung ab. Gerade in der Zeit ab etwa vier bis sechs Monate wachen viele Babys (wieder) vermehrt auf. Dies liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Dein Kind scheint auch am Tag auf vieles zu reagieren und sucht wahrscheinlich viel Nähe und Geborgenheit an der Brust. Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Du kannst jetzt mit vielen Tricks versuchen, die Situation zu verändern, aber es wird nur Stress und Tränen geben, denn dein Kind IST einfach in der Phase, in der es dich so viel braucht. In dieser Zeit verarbeiten Kinder vieles in der Nacht, und brauchen die Bestätigung, dass Mama ganz nah ist, und die beruhigende Milch, noch ziemlich. Es ist kein Rückschritt, wie es scheint, sondern zeigt, dass sich dein Kleines weiter entwickelt! Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Dein Baby braucht also vor allem eines: Zeit zum Reifen. Vielleicht "schenkst" du ihm einfach noch ein bisschen von dieser Zeit, in der du ihm gestattest, so zu sein, wie es ist. Du machst nichts falsch! Und hast du es schon einmal mit dem Kinn-Trick" probiert? Der ist oft sehr hilfreich bei Babys, die die Brust fast ein wenig aus Gewohnheit im Mund haben wollen beim Schlafen. Dabei legst du, wenn du die Brust dem schlafenden Kind aus dem Mund gezogen hast, einen Finger längs unter die Unterlippe, so dass die Lippe beim "Suchen" einen gewissen Widerstand spürt. Dieser Widerstand wirkt beruhigend auf viele Kleinen, und sie schaffen es sich zu entspannen und eine tiefere Schlaf-Ebene zu erreichen... Das geht auch, wenn das Kind im Schlaf oder Halbschlaf wieder zu "suchen" beginnt: Man drückt ganz sanft sein Kinn nach oben. Bei vielen Babys wirkt das Wunder und sie schlafen plötzlich auch ohne Brust weiter/wieder ein. Manche Mütter berichten, dass es sogar geholfen hat, wenn sie ein kleines Kuscheltier ans Kinn des Kindes gelegt haben... Da ist es natürlich wichtig darauf zu achten, dass die Atemwege nicht blockiert werden :-). Wichtig ist auch, dass du weißt, dass dies zwar eine lange Phase ist, aber sie WIRD vorbei gehen! Bis dahin ist es meist einfacher, das Drumherum zu ändern, als das Baby. • Nimm ALLE Hilfe an, die du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ... • Vielleicht findest du auch einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinem Kind zu spielen oder spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun. • Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss. • Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menüs kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar. Ich hoffe, die Antwort hilft dir weiter. Liebe Grüße Biggi


Elli_1983

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Hallo Biggi, danke dir für diese sehr ausführliche Antwort. Es hilft mir bestimmt sehr! Wenn du sagst dass eventuell das Zahnen anfängt: woher weiß ich denn wenn er anfängt seine Zähne zu bekommen? Weil wenn ich weiße Spuren am Zahnfleisch sehe dann ist es ja erst ein spätes Signal - ich sehe es wenn es schon vorbei ist . Den Kinnsgriff kannte ich noch nicht, das muss ich ausprobieren. Danke für den Tipp ! Au ja du hast natürlich völlig Recht mit deiner Analyse mit dem Mode-Problem, es ist ein Problem der modernen Lebensweise. Ich kann meinem Baby natürlich mehr Zeit schenken . Ich bin noch dieses Jahr komplett von der Arbeit freigestellt doch ich hoffe, dass sich das wieder zum Guten wendet bevor ich Anfang Januar 2023 wieder in Vollzeit arbeiten muss... Da wird es sonst noch viel schwerer... Derzeit ist meine Form noch sehr gut. Ich bin tagsüber nicht müde und kann viel unternehmen aber klar diese Umstellung fängt erst an jetzt . Ich bin leider weit weg von meiner Familie und kann daher vor allem auf meinem Partner nach dem Feierabend zählen. Mittlerweile kenne ich andere Mamas und denke wir könnten uns bestimmt gegenseitig unter die Arme greifen. Bisher konnte ich immer selbst was kochen oder ins Restaurant gehen mit Freunden. Das ging bisher ganz problemlos. Das Baby hatte in der letzten Untersuchung beim Kinderarzt ein normales altersgerechtes Gewicht. Ich habe auch etwas mehr Appetit als ohne Stillen. Liebe Grüße Elli


Biggi Welter

Biggi Welter

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Liebe Elli, wenn dein Baby viel sabbert, an allem herumknabbert, rote Wangen hat, dann könnte das mit dem Zahnen in Verbindung stehen. Ansonsten bleib gelassen, dein Kind wird jeden Tag reifer! Ganz liebe Grüße Biggi


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