Gliederschmerzen-ausgelaugt vom Stillen?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Gliederschmerzen-ausgelaugt vom Stillen?

Liebe Biggi, liebe Kristina, zuerst mal möchte ich mich herzlich bei Euch bedanken, ich habe in den letzten Jahren viel bei Euch gelernt, habe jetzt das 3. Kind (3. 5 Monate, 2. 3 Jahre,1. 18 Jahre). Eure Beratung habe ich bereits „rund um den Globus“ empfohlen. Wenn ich nicht schon einen erfüllenden Beruf hätte, würde ich noch gern Stillberaterin werden. Mir fällt auf, dass ich wie bei den beiden ersten Kindern, jetzt zum selben Zeitpunkt, also nach 5 Monaten Stillen, besonders ausgelaugt bin und auch ständig unter „Gliederschmerzen“ leide, die sich bei mir immer besonders nachts und morgens im Kreuzbeinbereich bemerkbar machen. Fühlt sich an wie starke Verspannung oder Gliederschmerzen bei Infekt, ein ständig „bohrendes Gefühl“, welches sich auch durch Lageänderung nicht bessert. Tagsüber ist es besser. Ist das bekannt? Ich persönlich denke immer, es muss vielleicht auch an „Kalziumverlust“ oder sonstigen Mängeln liegen, die sich durch das Stillen entwickeln. Gibt es vielleicht eine besondere Ernährungsempfehlung? Multivitamine nehme ich schon. Das vorige Kind habe ich 1,5 Jahre gestillt (war nicht nur meine Entscheidung☺), meine Tochter würde ich gern erst mal über das erste habe Jahr bringen. Ferner frage ich mich, ob mal durch Studien ermittelt wurde, wie viele Kalorien die Mama essen muss, um 100ml Mumi a 60 Kcal zu produzieren? Sicher ja mehr als 60. Gefühlt esse ich eigentlich nicht sehr viel mehr als früher- habe aber auch nicht übermäßig sehr abgenommen, sprich ich wiege jetzt noch 1 kg mehr als zu Schwangerschaftsbeginn. Danke Bina

Mitglied inaktiv - 28.12.2009, 14:39



Antwort auf: Gliederschmerzen-ausgelaugt vom Stillen?

Liebe Bina, danke für dein Lob, wenn dich dein beruf mal nicht mehr ausfüllt, bist Du herzlich willkommen! Einen Zusammenhang zwischen Muskelschmerzen und dem Stillen kenne ich nicht. Es gibt allerdings einen selten auftretenden Zusammenhang zwischen Gelenkschmerzen und dem Stillen. Es wird angenommen, dass es sich um eine genetisch beeinflusste Autoimmunreaktion handelt, die sich bereits in der Schwangerschaft zeigen kann und nach der Geburt wieder zurückgeht. Betroffene Frauen, die ihr erstes Kind stillen, spüren diese Symptome, insbesondere an Händen und Fingern eventuell untere Extremitäten. Möglicherweise hängt das mit dem erhöhten Prolaktinspiegel zusammen. Für die Mutter ist es hilfreich, sich so oft wie möglich auszuruhen, mehr im Liegen zu stillen, Hände, Arme mit Kissen während des Stillens zu stützen. Da bestimmte gymnastische Übungen regelmäßig ausgeführt lindernd wirken können, ist es empfehlenswert, dass Du mit deiner Ärztin/Arzt über die Möglichkeit und über Krankengymnastik sprichst. Eventuell ist auch eine Behandlung mit (stillverträglichen) Medikamenten (so steht es in der Fachliteratur) anzuraten. Das Stillen verursacht keinen Kalziumverlust. Gabi Eugster beschäftigt sich schon seit langem mit dem Thema Kalziumversorgung und ich zitiere jetzt aus ihrem Artikel „Kalzium und Osteoporose“, der in „Laktation und Stillen“ 2/2004 erschienen ist: „Bei den Ernährungsfaktoren steht Kalzium im Mittelpunkt. Auch wenn der Mineralstoff nicht der einzige Ernährungsfaktor ist, er bleibt wichtigster Baustein des Knochens. Die Aufnahme von täglich 1000 mg Kalzium, welche die Referenzwerte empfehlen, wird von vielen Frauen nicht erreicht. Nebenbei erwähnt: Kalzium ist nicht nur für die Knochengesundheit wichtig, der Mineralstoff wird auch zur Blutgerinnung und Reizübertragung im Nervensystem benötigt. Als wichtigster Kalziumlieferant gilt nach bei uns nach wie vor Milch und Milchprodukte. Schwangeren und Stillenden wird empfohlen, mindestens eine Portion Käse, Milch oder Joghurt zusätzlich auf den Speiseplan zu setzen. Doch Milch als bester Kalziumlieferant ist nicht unbestritten. In den asiatischen Ländern gibt es kaum Osteoporose, obwohl Milchkonsum dort nicht üblich ist. Zwar enthält Milch eindeutig sehr viel Kalzium, nämlich 120 mg pro Deziliter, und das Kalzium aus Milch wird mit einer Aufnahmerate von 30 Prozent auch gut aufgenommen. Doch ebenso enthält Milch viel (tierisches) Protein, welches die Kalziumausscheidung über die Nieren verstärkt und so einen negativen Effekt auf die Kalziumbilanz und damit auf die Knochendichte haben kann. In der Framingham Osteoporosestudie, welche die Knochendichte von 900 älteren Menschen zwischen 69 und 93 Jahren verglich, hatten jene die höchste Knochendichte, welche am meisten Obst und Gemüse aßen. Die Liebhaber von Milch und Milchprodukten kamen nur auf den zweiten Platz, obwohl sie das meiste Kalzium aufnahmen . Es gilt also, auch pflanzliche Kalziumquellen zu nutzen. Hier drängen sich insbesondere die kalziumreichen Gemüsesorten Brokkoli, Fenchel, Grünkohl und Lauch auf. Auch Nüsse und Sesam enthalten viel Kalzium. Kalziumreiches Mineralwasser mit mehr als 150 mg pro Liter kann einiges zur Kalziumversorgung beitragen, ebenso mit kalziumangereicherte Fruchtsäfte. Wichtig ist es auch, die Kalziummahlzeiten über den Tag zu verteilen. Insbesondere eine kalziumreiche Spätmahlzeit kann den Knochenabbau während der Nacht bremsen. Kalzium sollte zudem nicht gleichzeitig wie die Kalziumräuber Oxalsäure (in Spinat, Rhabarber und Spargel) oder Phytinsäure (in Vollkornprodukten) aufgenommen werden. Mehr als vier Tassen Kaffee pro Tag hemmt die Kalziumaufnahme ebenfalls, zudem wurde festgestellt, dass RaucherInnen weniger Kalzium aufnehmen können. Als weitere „Knochenräuber“ gelten Alkohol, Zucker und Phosphat. Gerade letzteres findet sich in großer Menge auch in der Milch.“ Hier noch eine Auflistung zum Kalziumgehalt einzelner Nahrungsmittel (jeweils mg/100g): Amaranth 490 Aprikosen, getrocknet 80 Braunalgen 1000 Broccoli 65 Camembert 380 Diät Kurmolke 120 Doppelrahmfrischkäse 65 Eier 125 Feigen, getrocknet 190 Fenchel 100 grüne Bohnen, getrocknet 195 Grünkohl (Federkohl) 110 Haferflocken 65 Hartkäse 790 830 Haselnüsse 225 Heilbutt 11 Karotten 255 Knäckebrot 55 Kohl, getrocknet 375 Kuhmilch/Roh Vollmilch 160 Leinsamen 260 Linsen 75 Mandeln 250 Meerrettich 55 Molke Kwass 108 Parmesan 1225 Petersilie 145 Rahm 110 Sauerkraut 50 Schnittlauch 130 Sellerie 50 Sesam 783 Sojamehl 195 Sonnenblumenkerne 100 Spinat 85 Tomaten 60 Vollkornbrot 95 Vollmilchjoghurt 150 Walnüsse 70 Weichkäse 500 weisse Bohnen 105 Weizenkeime 70 Zwiebeln, getrocknet 160 Ich schließe mich auch Gabi’s Schlusswort an: „Damit schließt sich der Kreis aller Empfehlungen. Obst und Gemüse als Hauptnahrungsmittel werden von allen Experten der Ernährung empfohlen. Dazu kommen Kartoffeln und Getreideprodukte als zweite wichtige Nahrungsgruppe. Milch und Milchprodukte sowie Fleisch sind eine sinnvolle Ergänzung und sollen in kleineren Mengen genossen werden, Fette und Öle sowie Süßigkeiten in sparsamen Mengen sind erlaubt. Wer sich an diese Ernährungsregeln hält ist auf der sicheren Seite.“ Solange wir nicht gerade zu den Menschen gehören, die keine Milch (mehr) vertragen, ist gegen Milchprodukte in Maßen wohl nichts einzuwenden, aber es entspricht nicht der Wahrheit, dass Milch prinzipiell für den Menschen nach dem Abstillen notwendig ist und es gibt eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten, die Kalziumversorgung sicher zu stellen – übrigens auch ohne auf Kalziumtabletten zurückzugreifen. Nun zum Kaloriengehalt der Muttermilch. Ich zitiere dir dazu aus dem „Handbuch für die Stillberatung" Mohrbacher, Stock, 1. Auflage 2000: „Untersuchungen in Entwicklungsländern und anderen Teilen der Welt zeigen, dass selbst leicht unternährte Mütter genügend Milch von guter Qualität für ihre Babys bilden. Erst wenn die Mutter vom Hungertod bedroht wird, beeinträchtigt die Ernährung der Mutter ihre Milchmenge oder die Zusammensetzung ihrer Milch (Perez Escamilla 1995; Prentice 1994). Selbst bei Nahrungsmangel kann die Milchbildung der Mutter nur leicht beeinträchtigt sein, wenn ihr Körper über genügend Reserven verfügt, die er für die Milchbildung einsetzen kann (Smith 1947). In einigen Entwicklungsländern, in denen die Lebensmittelversorgung eingeschränkt ist, konnte nicht festgestellt werden, dass die Babys der Frauen, die zusätzliche Nahrung erhielten, mehr an Gewicht zunahmen, als die Babys der Frauen, die keine zusätzliche Nahrung erhielten (Prentice 1983). Bei allgemein gut ernährten Müttern bleibt die Zusammensetzung der Milch meist gleich, selbst wenn sie sich nicht gut ernähren. Chronisch unterernährte Frauen, mit nur geringen Energiereserven und unzureichender Ernährung können Milch bilden, die einen geringeren Vitamingehalt aufweisen, einschließlich der Vitamine A, D, B6 und B12 (siehe auch im Abschnitt „Vegetarierinnen"). In diesen Fällen kehrt der Vitamingehalt ihrer Milch auf einen normalen Wert zurück, wenn die Ernährung der Mutter verbessert wird oder sie zusätzliche Vitamine erhält. Die Fettsäuren in der Muttermilch variieren in Abhängigkeit von der Ernährung der Mutter. So neigen zum Beispiel Mütter, die mehr ungesättigte Fette essen, dazu, Milch mit einem höheren Gehalt an ungesättigten Fetten zu bilden als Mütter, die mehr tierische Produkte essen (Sanders 1992). Dies scheint einer normalen Schwankungsbreite zu entsprechen." Riordan und Auerbach schreiben in „Human Lactation" 2nd edition 1999: „Ob sie (die Frau) auf den Berggipfeln im fernen Tibet, in einem staubigen mexikanischen Dorf oder in einem amerikanischen Vorort oder einer Stadtwohnung lebt, die stillende Frau bildet Milch, die erstaunlich homogen in der Zusammensetzung ist, trotz der ungeheuren Unterschiedlichkeit der konsumierten Nahrung. Nur die Milch einer Frau, die ernsthaft unterernährt ist wird eine messbare Verringerung im Nährstoffgehalt und der Menge aufweisen weil zunächst die körpereigenen Speicher geleert werden, ehe die Milch leidet" Ich gehe nun einmal davon aus, dass wir hier in Europa normalerweise nicht in die Situation kommen, dass eine Frau so extrem unterernährt ist, dass sie kurz vor dem Hungertod steht. Es gibt eine (extrem seltene) Erkrankung der Mutter, bei der die Qualität der Muttermilch so verändert ist. In diesem Fall ist die Zusammensetzung der Fette und Fettsäuren so verändert, dass die Milch nicht adäquat für die Ernährung des Babys ist. Doch diese seltene Situation lässt sich auch nicht über die Ernährung der Frau positiv beeinflussen. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 28.12.2009