Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Er schläft nicht mehr!

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Er schläft nicht mehr!

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Hallo Biggi, da denkt man es läuft endlich gut mit dem Baby und schon kommt die nächste Hürde! Luke ist jetzt 4 Monate und 2 Wochen alt und wacht seit einigen Tagen 3-4 Mal in der Nacht auf, dabei hat er seit Februar wunderbar geschlafen, 9-12 Stunden am Stück. Er will dann auch immer an die Brust und trinkt wie ein Weltmeister. Um neun Uhr legen wir ihn ins Bett, das erste Mal will er um 1.30h essen, dann um 4.30 und dann um 6.00 wieder. Dann hole ich ihn zu uns ins Bett. Dort schläft er auch wieder ein, aber nur für eine Stunde und hat dann wieder Hunger. Ab 8.00 Uhr will er dann nicht mehr schlafen. Tagsüber wollte er schon immer so alle 2-3 Stunden trinken so daß es sich jetzt nicht viel geändert hat. Woran kann es liegen? Er hat damit angefangen als er krank war, er hatte tagelang Durchfall und 38,4 Fieber. Da ist er Nachts immer mit Durst und einer vollen Windel aufgewacht und da habe ich ihn direkt gestillt damit er mir nicht von innen austrocknet. Er macht jetzt noch so 4-5 mal täglich in die Windel, bis vor einer Woche hat er alle 14 Tage ein mal gemacht! Was ist das für ein Prozeß den er jetzt durchmacht? Können Sie es erklären? Für uns sieht es so aus als ob er alles was er während seiner Krankheit abgenommen hat (0,5 kg) wieder aufholen will. Wann wird er wieder mehr schlafen? Oder soll ich mal langsam mit Beikost anfangen? Anscheinend wird er nicht richtig satt... für alle Tips bin ich dankbar!!! Viele Grüße aus Köln, Doro


Biggi Welter

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? Liebe Doro, wenn Sie mir nicht geschrieben hätten, wie alt Ihr Kind ist, hätte ich auf etwa vier Monate getippt, denn Ihr Sohn verhält sich ganz typisch für dieses Alter und zwar unabhängig davon, dass er vor Kurzem krank war. Es ist geradezu klassisch, dass ein Baby in diesem Alter anfängt nachts (wieder) häufiger aufzuwachen und auch wieder häufiger nach der Brust zu verlangen. Das liegt jedoch nicht daran, dass die Milch nicht mehr ausreicht, sondern ist entwicklungsbedingt. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Es gibt jedenfalls genügend Gründe dafür, dass das Kind unausgeglichen ist und nachts häufiger aufwacht. Für die Mütter ist es meist schwer, diesen „Rückschritt" zu akzeptieren. Doch in Wirklichkeit ist es ein Fortschritt, denn dein Kind hat wichtige neue Entwicklungsschritte gemeistert und ist dabei noch weitere anzugehen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ein Baby am Abend nur ausreichend „abgefüllt" werden müsse, um ruhigere Nächte zu erreichen. Wer auch immer das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dass Beikost oder künstliche Säuglingsnahrung besonders lange „vorhalten" und Kinder dann länger schlafen, der hat vielleicht ein Ausnahmekind gehabt oder eventuell sogar gar keines. Ich will nicht behaupten, dass es nicht manchmal tatsächlich so ist, dass ein Baby länger schläft, wenn es am Abend einen Brei oder eine Flasche mit künstlicher Säuglingsnahrung bekommt, aber es ist keinesfalls die Regel (und vielleicht sogar einfach nur Zufall) und nicht wenige Kinder schlafen nach einer „Reichhaltigen Abendmahlzeit" sogar noch schlechter. Die Fähigkeit länger zu schlafen, hängt nicht von der Art der Nahrung und auch nicht von der Menge der Nahrung ab. Das wurde inzwischen in Studien hinlänglich festgestellt und haben auch schon viele Eltern erkennen und erleben müssen. Es ist ein Reifungsprozess beim Kind, der von Kind zu Kind unterschiedlich schnell verläuft. Selbst wenn Sie jetzt am Abend eine Flasche mit künstlicher Säuglingsnahrung oder Beikost geben, dann ist das keine Garantie für ruhigere Nächte. So anstrengend es auch sein kann: es ist nicht unnormal, dass ein so kleines Baby nachts mehrfach - auch im Zweistundenrhythmus - aufwacht. Eine zu frühe Einführung der Beikost ist nicht sinnvoll, da dadurch der Organismus des Kindes überfordert werden kann, vor allen der Darm und die Nieren des Kindes können überlastet werden und außerdem erhöht eine zu frühe Einführung der Beikost das Allergierisiko. Dass ein Kind ab dem fünften Monat Beikost bekommen soll, ist Wunschdenken der Industrie, die ihre Ware verkaufen will. Die Empfehlung von unabhängigen Organisationen, wie zum Beispiel der WHO lauten eindeutig „ausschließliches Stillen (bzw. Muttermilchersatzprodukt) bis das Kind ein halbes Jahr alt ist" und das nicht nur für allergiegefährdete Kinder, sondern für alle Kinder. Haben Sie ein wenig Geduld mit sich und Ihrem Kind und versuchen Sie sich den Alltag so einfach wie möglich zu machen, damit Sie genügend Ruhe für sich bekommen. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt Ihnen in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Als stillende Mutter haben Sie den ungeheuren Vorteil, dass Sie Ihr Kind durch diese für alle anstrengende Zeit begleiten können, ohne dass Sie richtig wach werden und aufstehen müssen. Genießen Sie dieses Privileg, sich einfach nur umdrehen zu müssen, so dass Ihr Kind an Ihre Brust kann und dann, wenn schon nicht sofort weiterschlafen zu können, so doch zumindest ruhen zu können. Sie machen nichts falsch, wenn Sie Ihr Baby dann stillen, denn Stillen ist ja nicht nur Ernährung, sondern gibt Ihrem Kind auch Nähe, Geborgenheit und Sicherheit. Wenn Du gerne lesenund ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens „Schlafen und Wachen - ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Sie im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL-Stillberaterin bekommen können. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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