Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Einschlafprobleme

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Einschlafprobleme

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Hallo, meine Tochter ist 4,5 Monate alt und hat enorme Einschlafprobleme. Sie verschläft nur an der Brust, wird dann schlafend ins Bett getragen und wacht dann noch mal nach einer halben Stunde oder Stunde auf, schreit fürchterlich und will dann noch mal trinken. So schafft man es, dass sie irgendwann fest schläft. Auch tagsüber schläft sie nur an der Brust ein oder im Kinderwagen. Möchte langsam abstillen, mittags bekommt sie bereits Gemüse. Habe aber Angst davor, wie sie dann einschlafen soll. Sie nimmt kaum einen Schnulli und lässt sich auch anders schlecht beruhigen trotz Abendritual....im bett beruhigen etc. Vielleicht hast du mir einen Rat. Danke im Voraus. Liebe Grüsse Bianca


Biggi Welter

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? Liebe Bianca, Für ein Baby ist es absolut normal, dass es in den Armen und an der Brust der Mutter einschläft. „Emanzipierte“ Babys sind in der Evolution noch nicht vorgesehen und da unsere Kinder mit der gleichen genetischen Ausstattung auf die Welt kommen, wie in grauer Vorzeit, funktioniert nicht alles sofort so, wie es in unsere moderne Welt passen würde. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist das Stillen und gemeinsame Schlafen eine bewährte Methode Kinder glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen zu lassen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche“ Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit `ModeA ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Jetzt schauen wir uns einmal den menschlichen Säugling an (der heißt übrigens nicht einfach so „Säugling“): Er wird absolut hilflos und auf seine Mutter/Eltern angewiesen geboren und hat das starke Bedürfnis nach Nähe und ein großes Saugbedürfnis. Mit zunehmendem Alter wird er immer selbstständiger werden, sein Saugbedürfnis wird abnehmen und sein Bedürfnis nach ununterbrochener Nähe wird ebenfalls geringer werden. Und nun kommt der Punkt: `Mit zunehmendem AlterA bedeutet nicht einige wenige Monate, sondern umfasst einen Zeitraum von Jahren. Selbst ein Dreijähriges, das schon recht gut sprechen kann, das selbstverständlich laufen und sich von der Mutter wegbewegen kann, ist noch auf die Mutter/Eltern angewiesen und wird noch immer viel Kontakt und Fürsorge brauchen. Die Fürsorge wird anders aussehen, als bei einem sechs Wochen oder sechs Monate oder auch einem einjährigen Kind, aber das Kind ist weiter abhängig. Die „Zivilisation“ oder wie auch immer wir es nennen wollen hat nun dazu geführt, dass es in unserer Gesellschaft relativ gefahrlos möglich ist, ein Kind nicht mehr permanent bei der Mutter zu haben, es nicht zu stillen usw. Das heißt aber nicht, dass diese Veränderung beim Kind schon angekommen ist. Unsere Kinder werden weiterhin mit der gleichen genetischen Ausstattung wie die Steinzeitbabys geboren und wissen nicht, dass sie in einer Wohnung leben, in der weder Schlangen noch Säbelzahntiger lauern und in der es auch sonst keine lebensbedrohenden Gefahren gibt, die unmittelbare Auswirkungen haben, wenn die Mutter nicht immer präsent ist. Sie haben daher die gleichen Bedürfnisse wie vor Tausenden von Jahren. Sehr viele schlafende Babys reagieren zudem ungemein ungehalten auf Lageveränderungen und schrecken auf, wenn sie vom Arm ins Bett gelegt werden. Eine jede Lageveränderung reizt das Gleichgewichtsorgan im Ohr und kann dazu führen, dass das Baby aufwacht. Wenn ein Baby liegend (an der Brust) einschläft und liegen bleiben kann, die Lageveränderung also wegfällt, sind die Chancen, dass es weiterschläft erheblich besser. Möglicherweise wird das Kind auch wach, weil das Bett kälter ist als der Körper von Mutter oder Vater. Diese Temperaturunterschiede können ebenfalls zum Aufwachen führen. Hier hilft es, das Baby in eine Decke zu wickeln und in die Decke eingewickelt hinzulegen. Auch der Kopf sollte in der Decke liegen, denn selbst ein vorgewärmtes Bett hat eine andere Temperatur als Mamas (oder Papas) Körper. Dazu kommt: Menschenbabys sind Traglinge, die den Kontakt zur Mutter brauchen. Es ist von der Natur nicht vorgesehen, dass sie alleine sind und auch nicht, dass sie alleine schlafen. Das widerspricht dem Bild vom süß in der Wiege schlummernden Baby, das fast alle Frauen (zumindest beim ersten Baby) haben. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein Baby weint, wenn es abgelegt wird. Ein Tragetuch kann da wie ein Zaubermittel wirken. Ihr Baby kann Ihre Nähe spüren, es wird sich an Ihrem Körper beruhigen, die Koliken verringern sich, es wird weniger weinen, vielleicht sogar recht gut schlafen und Sie haben mindestens eine Hand frei (und auch Ihren Kopf, weil das Baby wieder ruhiger ist), um andere Dinge zu tun. Versuchen Sie einmal. Eine Autorin nennt dies so schön „Perspektive teilen“. Das Tragetuch ermöglicht es dem Kind, am Leben der Familie problemlos teilzunehmen und mit Ihnen die Perspektive zu teilen. Lassen Sie sich von einer tucherfahrenen Frau einmal zeigen, wie vielseitig einsetzbar ein Tragetuch sein kann. Tucherfahrene Frauen finden Sie in fast jeder Stillgruppe und auch sonst wäre es sicher ein guter Gedanke, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen. Neben vielen nützlichen Tipps bekommen Sie dort auch moralische Unterstützung. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL-Stillberaterin heraus. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens „Schlafen und Wachen - ein Elternbuch für Kindernächte“ von Dr. William Sears empfehlen, das im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL-Stillberaterin (auch bei uns) erhältlich ist. Dr. Sears ist nicht nur Kinderarzt, sondern auch achtfacher Vater und aus seinen Büchern spricht nicht die graue Theorie, sondern auch eine ganze Menge Lebenserfahrung im Zusammenleben mit Kindern. Auch wenn Sie jetzt abstillen, wird das nichts daran ändern, dass Ihr Kind Ihre Nähe sucht und braucht und auch die Nächte werden dadurch nicht automatisch ruhiger. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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