Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Beikosteinführung

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Beikosteinführung

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Hallo Birgit, meine Tochter ist jetzt 6 1/2 Monate alt und ich wollte mittags mit einigen Löffeln Gemüse anfangen. Beikostzeichen sind eigentlich da, allerdings ist sie nicht wirklich begeistert. Ab den 3. Löffel würgt sie bis alles wieder draussen ist. Kein Problem dachte ich ,wir stillen einfach weiter und warten nochmal 1, 2 Wochen ab. Jetzt erzählt mir aber jeder das sie dringend Beikost benötig weil sie sonst einen Eisenmangel entwickelt.Ist das wirklich so dramatisch oder können wir uns noch ein bischen Zeit lassen? Eigentlich geniessen wir das Stillen beide sehr und es klappt auch ohne Probleme. Wir haben übrigends Karotte versucht, da sie einen sehr flüssigen Stuhlgang hat. LG und vielen Dank im vorraus Kerstin mit Jan u. Lilli


Biggi Welter

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? Liebe Kerstin, Es gibt keine verbindliche Monatsangabe, wie lange ein Kind ausschließlich gestillt werden kann, denn das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Für ein Frühgeborenes gelten beispielsweise andere Regeln als für ein reif geborenes Kind und nicht jedes Kind ist zum gleichen Zeitpunkt reif für die Beikost. So gibt es Kinder, die bereits vor dem vollendeten sechsten Lebensmonat vehement nach der Beikost verlangen und andere, die tatsächlich ein ganzes Jahr ausschließlich von Muttermilch leben und dabei sehr gut und ohne Mangelerscheinungen gedeihen. Die Eisenreserven, die ein Baby bei der Geburt hat und das leicht zu verwertende Eisen aus der Muttermilch reichen zusammen gewöhnlich aus, um den Hämoglobinwert auch noch ins zweite Lebenshalbjahr des Babys hinein innerhalb des normalen Bereiches (10,2 bis 15 gm/dl) zu halten (McMillan 1976; Siimes 1984; Duncan 1985). Eine Untersuchung an gestillten Babys, die weder Eisenpräparate noch mit Eisen angereicherte Getreideprodukte erhalten hatten, ergab, dass die Babys, die sieben Monate und länger ausschließlich gestillt wurden, im Alter von einem Jahr deutlich höhere Hämoglobinwerte aufwiesen, als diejenigen Babys, die mit weniger als sieben Monaten bereits feste Nahrung bekommen hatten (Pisacane 1995). Die Forscher fanden bei den Babys, die sieben Monate lang voll gestillt worden waren, keinen Fall von Anämie während des ersten Lebensjahres und folgerten daraus, dass ausschließliches Stillen während der ersten sieben Lebensmonate das Risiko einer Anämie senkt. Eine finnische Studie ergab, dass bei neun Monate alten Kindern, die immer noch ausschließlich gestillt werden, ein Eisenmangel in weniger als 25 % der Fälle auftritt. Ohnehin ist der Zeitpunkt, wann ein Baby Beikost erhalten muss recht willkürlich gewählt und hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, ohne dass es einen echten Beweis für die absolute Richtigkeit des jeweiligen Zeitpunktes gibt. Hier auch noch ein Auszug aus einem Artikel von Dr. Alfredo Pisacane anlässlich der 15.internationalen LLL-Konferenz in Washington: `Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein gesunder vollgestillter Säugling seinen Zeitpunkt des ersten Zufütterns selbst bestimmen kann, ohne Bedenken dadurch einem Eisenmangel ausgesetzt zu werden. Selbst bei Kindern, die sich dem ersten Geburtstag nähern, hat der Autor keine Bedenken, wenn sie einen fitten Eindruck machen. Niedriger Eisengehalt im Blut des Kindes ist nur behandlungswürdig bei gleichzeitigen anderen Krankheitsanzeichen. Seiner Meinung nach sind die festgelegten Grenzwerte (auch in der Schwangerschaft) überholungsbedürftig und wenig gesichert. Tatsächlich erhöht sich die Gefahr einer Anämie bei zu früher Beikost, wenn sie nicht sehr eisenhaltig ist, da die optimale Eisenaufnahme der Muttermilch durch Beikost behindert wird. Es wird 50% des Muttermilcheisens resorbiert, aber nur 5% bei Flaschennahrung! Zuviel Eisen erhöht evtl. eine mögliche Erkrankung wie z.B. Malaria und ist gefährlicher als ein Eisenmangel. Bei sechs Monaten ausschließlich muttermilchernährten Kindern liegt die Gefahr einer Anämie bei 4%. Bei den jetzt noch gültigen Grenzwerten ändern wir das, was sich seit einer halben Millionenjahre bewährt hat." Doch alle diese Studien ersetzen nicht, dass IMMER das einzelne Kind angeschaut werden muss und für jedes Kind eine individuelle Entscheidung getroffen werden muss. Verweigert ein Kind deutlich länger als sieben oder acht Monate jegliche Beikost, ist es sicher nicht verkehrt, das Kind genauer anzuschauen und eventuell auch die Eisen- und Zinkwerte zu kontrollieren. Es kommt zwar eher selten vor, doch manchmal liegt die Essensverweigerung der Kinder gerade an einem Mangel dieser Spurenelemente und dieser Mangel verschärft sich dann noch weiter, wenn das Kind nicht isst. Stillen länger als 6 Monate ist durchaus möglich, aber der Mutter sollte dann zu einer guten Beobachtung des Kindes auch durch die Kinderärztin/arzt geraten werden, um die (seltenen) Fälle herauszufiltern, in denen es doch mal Probleme gibt. Meist wird sich bei einem von sich aus die Beikost verweigernden und voll gestillten Kind herausstellen, dass alles in Ordnung ist und mehr oder minder plötzlich wird das Kind der Mutter "die Haare vom Kopf essen", doch wir sollten immer im Hinterkopf behalten, dass es auch mal anders sein kann. Probier es auch mal mit Fingerfood, das ist oft erfolgreicher als Brei vom Löffel. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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