Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Zuckerwert in der Schwangerschaft

Dr. med. Vincenzo Bluni

Dr. med. Vincenzo Bluni
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Frage: Zuckerwert in der Schwangerschaft

Märzi

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Guten Tag Dr. Bluni, ich bin total entsetzt: gestern habe ich einen Zuckerbelastungstest machen lassen (ohne Verdacht, einfach nur präventiv) und die Werte waren sehr grenzwertig! Der Arzt sagte allerdings, das wäre kein Diabetes, ich solle einfach nur "aufpassen". Der Langzeitzuckerwert, den ich beim Frauenarzt habe machen lassen, lag bei 5,0. Meine Werte beim Zuckerbelastungstest: nüchtern 93 mg/dl, nach einer Stunde 177 mg/dl und nach 2 Stunden 146 mg/dl. Was mir auch aufgefallen ist, ich hatte noch nie vorher einen so hochen Nüchternzucker, der lag eigentlich immer so bei 85 mg/dl. Ich bin normalgewichtig und habe jetzt bis zur 25. SSW 5 kg zugenommen. Meine Tochter wog vor 4 Jahren 3120 g bei 39+1 SSW. Das "lustige" ist, seit ich schwanger bin, habe ich gar nicht mehr so viel Lust auf Süßes und esse auch nicht so viel allgemein, weil mein Magen meistens wie zugeschnürt ist (habe ein fast ständiges Völlegefühl). Ich bin total verunsichert und weiß auch nicht, wie ich "aufpassen" soll. Leider bin ich familiär vorbelastet, mein Vater hat Diabetes Typ 2 und ein Onkel (mütterlicherseits) Typ 1. Kann ich irgendetwas tun oder bin ich jetzt nur besonders empfindlich in der Schwangerschaft? Bei meiner Tochter hatte ich so etwas gar nicht. Vielen Dank, Märzi


Dr. med. Vincenzo Bluni

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Hallo, 1. Zur endgültigen Diagnosestellung eines Schwangerschaftsdiabetes wird am besten ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) bei unveränderter Ernährung der Schwangeren durchgeführt. Dieses am sinnvollsten in einer diabetologischen Schwerpunkteinrichtung oder bei einem niedergelassenen Diabetologen. Hierzu muss die Schwangere vor der Testung 9-12 Stunden nüchtern sein. Zu Beginn bekommt sie erstmalig Blut abgenommen (Nüchternblutzucker), dann erhält sie 300 ml einer Zuckerlösung mit 75 Gramm Glukose zu trinken. Nach einer und nach zwei Stunden wird erneut Blut zur Bestimmung des Blutzuckers abgenommen. Nach den neuesten offiziellen Vorgaben, die auch von den deutschen Fachgesellschaften übernommen werden, liegt nach einer Belastung mit 75 Gramm Glucose ein Gestationsdiabetes (GDM) vor, wenn mindestens einer der folgenden drei Grenzwerte erreicht oder überschritten wird (Werte aus dem kapillärem Vollblut) nüchtern: größer/gleich 92 mg/dl (5,11 mmol/l) nach 1 Std.: größer/gleich 180 mg/dl (9,99 mmol/l) nach 2 Std.: größer/gleich 153 mg/dl (ca. 8,5 mmol/l) Die Therapie des GDM erfolgt nach dem Blutzuckertagesprofil mit Zielwerten von unter 90 mg/dl nüchtern und unter 120 mg/dl zwei Stunden nach dem Essen. Wenn Lebensstiländerungen nicht ausreichen, dann muss mit Insulin behandelt werden. In jedem Fall ist es ratsam, dass die betroffene Schwangere in einer diabetologischen Schwerpunktambulanz zur weiteren Abklärung und Therapieempfehlung vorgestellt und betreut wird. VB Quellen: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-020_S1_Die_aerztliche_Betreuung_der_schwangeren_Diabetikerin_05-2008_10-2010.pdf (AWMF-Leitlinie 015/20: „Die ärztliche Betreung der schwangeren Diabetikerin“, Stand: 2008, letzter Abruf: 13.12.2010) http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/redaktion/mitteilungen/leitlinien/PL_DDG2010_Schwangerschaft (Praxis-Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) Stand: 2010, letzter Abruf: 13.12.2010) Moses, Robert G. , MD, New Consensus Criteria for GDM - Problem solved or a Pandora's box?, Diabetes Care February 27, 2010 vol. 33 no. 3, 690-691 2. eine Diabetikerin kann heute eine Schwangerschaft in aller Regel "normal" austragen und ein gesundes Kind zur Welt bringen. Es ist aber zu fordern, dass sie sich schon bei der Planung, spätestens sofort nach Feststellung der Schwangerschaft, von einem diabetologisch erfahrenen Internisten und einem mit diabetologischen Problemen vertrauten Gynäkologen gemeinsam betreuen lässt. Wichtigstes Ziel der Prophylaxe und Behandlung ist eine normoglykämische (normale Zuckerwerte) Diabeteseinstellung. Dieses Ziel ist erreicht, wenn die Blutglukosewerte vor den Mahlzeiten unter 90 mg/dl, eine Stunde nach dem Essen unter 140 mg/dl, zwei Stunden danach unter 120 mg/dl liegen. In der ersten Schwangerschaftshälfte soll das HbA1c im oberen Normbereich, später im unteren Normbereich stoffwechselgesunder Schwangerer liegen (Normbereich mit 4,8 bis 6,0 %). Das Therapiekonzept des Gestationsdiabetes sieh als erste Stufe eine Ernährungsberatung vor. In 90% der Fälle genügt diese Ernährungsumstellung (bei der übrigens kaum eine Patientin Hungergefühl hat), um das Therapieziel zu erreichen. Gleichzeitig sollte eine ausreichende Bewegung der Schwangeren sichergestellt sein. Bereits ein halbstündiger Spaziergang nach dem Essen kann die Blutzuckerwerte deutlich senken. Nur bei Schwangeren, die auch dann noch ein pathologisches Blutzuckertagesprofil (wie oben angegeben) aufweisen, ist zusätzlich eine Insulingabe notwendig. Zur Ernährungsumstellung ist folgendes zu sagen: Empfohlen wird eine Ernährung, die eine für die Bedürfnisse der Schwangerschaft adäquate Kalorienmenge und Zusammensetzung enthält. Der Kalorienbedarf für eine Schwangere im 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel (Trimenon) beträgt ca. 30 kcal/kg Körpergewicht. Bei Frauen mit einem Body-Mass-Index von größer 27 kg/ Quadratmeter Körperoberfläche am Beginn der Schwangerschaft sollte die Kalorienmenge auf 25 kcal/ kg Körpergewicht reduziert werden. Die Kostverordnung soll von einer ausgebildeten Fachkraft nach Kohlenhydrat-Einheiten (KE) quantifiziert werden. Weiteres besprechen Sie bitte mit den Experten vor Ort. Auf den Internetseiten der Deutschen Diabetes-Klinik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf http://www.diabetes.uni-duesseldorf.de/download/DDFI_Broschuere_Schwangerschaft.pdf (letzter Abruf:5.1.2011) können Sie dazu eine sehr informative Broschüre für Betroffene downloaden. VB


Märzi

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Hallo Dr. Bluni, vielen Dank für Ihre Antwort! Ja, genauso einen Glucosetoleranztest habe ich gestern gemacht. Nach Ihren Angaben war dann ja "nur" der Nüchternblutzucker zu hoch, liegt aber ein Gestationsdiabetes vor. Mein Hausarzt meinte aber nur, ich solle "aufpassen", hat mich nicht zum Diabetologen überwiesen und Blutzucker soll ich auch nicht messen... Ich habe mir jetzt aber ein Blutzuckermessgerät gekauft und werde meine Werte beobachten. Danke und Gruß, Märzi


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