Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Schilddrüsenwerte

Dr. med. Vincenzo Bluni

Dr. med. Vincenzo Bluni
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Frage: Schilddrüsenwerte

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Hallo Herr Dr. Bluni, mein FA hat mir empfohlen, meine Schilddrüse vom Hausarzt untersuchen zu lassen, da eine Fehlfunktion eine Schwangerschaft verhindern kann. Meine Werte sind wie folgt: T4 5,42 T3 0,98 TSH 4,25 Der TSH-Wert liegt um 0,05 über der Obergrenze. Da mein FA z.Zt. in Urlaub ist, würde ich nun gerne wissen, ob der etwas zu hohe TSH-Wert eine Schwangerschaft verhindern kann und wie das behandelt werden kann. Vielen Dank! Nele


Dr. med. Vincenzo Bluni

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liebe Nele, nein, das muss nicht der Fall sein. Ich würde aber bitten, dass die Interpretation solcher Laborwerte immer ein Arzt vor Ort vornimmt, um Missverständnissen vorzubeugen. VB


Mitglied inaktiv

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Hallo Nele! Ich bin selbst von einer Schilddrüsenkrankheit (Morbus Basedow, Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, welche zu einer chronischen Überfunktion führt) betroffen, kenne mich daher ein bißchen damit aus. Zunächst einmal solltest Du Dir vom Hausarzt zu den Blutwerten auch immer die Normwerte (die Werte, die auf dem Laborbericht in Klammern stehen) und die Einheit, in der gemessen wurde, geben lassen. Beim TSH wäre die Einheit beispielsweise mU/l, beim T3 und T4 ng/l oder nmol/l. Ohne Normwerte und Maßeinheit sind die Werte schlecht zu beurteilen. Dein TSH-Wert, der ja nach Aussage Deines Arztes bereits über dem Normbereich liegt, spricht aber auf jeden Fall dafür, daß Du eine Schilddrüsenunterfunktion hast. Diese Unterfunktion kann in der Tat das Zustandekommen einer Schwangerschaft behindern, da bei Störungen im Schilddrüsenhormonhaushalt oft auch die weiblichen Hormone durcheinandergeraten. Jetzt müßte dringend abgeklärt werden, warum Du eine Schilddrüsenunterfunktion hast. Dazu sind weitere Untersuchungen notwendig, die Du am besten bei einem Endokrinologen (Facharzt für Drüsenerkrankungen) durchführen läßt. Hausärzte kennen sich leider eher selten gut mit der Schilddrüse aus. Beim Endokrinologen solltest Du nochmals Deine Blutwerte bestimmen lassen, aber dieses Mal darauf bestehen, daß neben dem TSH die Hormonwerte von fT3 und fT4 bestimmt werden. fT3 und fT4 sind die freien Hormone im Blut, deren Höhe wesentlich mehr über Deine Schilddrüsenfunktion aussagt als T3 und T4. Außerdem solltest Du Deine Schilddrüsenantikörper bestimmen lassen, und zwar TRAK, TgAK und TPO. Die Bestimmung der Antikörper ist wichtig, um herauszufinden, ob Du vielleicht eine Hashimoto-Thyreoiditis hast. Bei Hashimoto hättest Du TPO-Antikörper und evtl. auch TgAK-Antikörper. Ein Vorhandensein von TRAK-Antikörpern spräche dagegen eher für Morbus Basedow bzw. für eine Mischform zwischen Hashimoto und Basedow (selten, aber auch das gibt es). Hashimoto ist eine chronische Schilddrüsenentzündung, bei der das Immunsystem durch eine Fehlreaktion Antikörper gegen die eigene Schilddrüse bildet und diese allmählich zerstört. Dabei kann die Schilddrüse schrumpfen (das ist bei den meisten Hashi-Erkrankten der Fall) oder (seltener) sich auch vergrößern. Hashimoto ist eine Autoimmunkrankheit, leider chronisch und unheilbar, betroffen davon sind in Deutschland ungefähr 10 % der Bevölkerung. Also gar nicht so selten, auch wenn Du wahrscheinlich vorher noch nie was davon gehört hast. Hashimoto führt zu einer Unterfunktion der Schilddrüse, da die durch die Antikörper angegriffene Schilddrüse meistens alleine nicht mehr genug Schilddrüsenhormone herstellen kann. Dein erhöhter TSH-Wert (TSH =Thyroid (=Schilddrüse) Stimulierendes Hormon) läßt zumindest den Verdacht aufkommen, daß Du Hashi haben könntest, denn je weniger Schilddrüsenhormone die Schilddrüse bildet, desto höher ist der TSH-Wert, weil die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) durch vermehrte Produktion von TSH Deine Schilddrüse zu mehr Hormonproduktion anregen möchte. Hashimoto läßt sich wie gesagt nicht heilen, aber behandeln. Um die Unterfunktion auszugleichen, müßte Dir der Arzt künstliche Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin) verordnen, welche Du dann einnehmen müßtest. Wahrscheinlich (wenn es wirklich Hashi ist) für den Rest Deines Lebens. Aber man gewöhnt sich dran ;-), ich muß das Zeugs auch lebenslang einnehmen, da mir wegen Basedow die Schilddrüse entfernt wurde. Bei Hashimoto ist es wichtig, daß Du kein zusätzliches Jod zu Dir nimmst, da dieses die Autoimmunreaktion in Deinem Körper verschlimmern könnte. Wenn der Arzt Dir Schilddrüsenhormone verschreibt, achte bitte darauf, daß es nicht das Präperat Thyronajod ist, denn dieses enthält Jod, was bei Hashi wie gesagt nicht gut wäre. Du solltest bei Hashi auch auf jodiertes Speisesalz verzichten und jodierte Fertiggerichte meiden. Und natürlich auch keine Jodtabletten (Jodetten) einnehmen. Neben Hashimoto gibt es aber auch noch weitere mögliche Ursachen für eine Unterfunktion, z. B. sogenannte kalte Knoten. Kalte Knoten sind (zystige) Veränderungen im Schilddrüsengewebe, die keine Hormone mehr produzieren. Bei größeren kalten Knoten kann es zu einer Unterfunktion kommen. Kalte Knoten kann man mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung und/oder mit einem Szintigramm feststellen. Kalte Knoten sollten unbedingt operativ entfernt werden, denn leider kann es - wenn auch selten - vorkommen, daß diese zu Schilddrüsenkrebs entarten. Als letzte Möglichkeit käme noch eine Unterfunktion aufgrund von Jodmangel in Betracht. In diesem Falle hättest Du wahrscheinlich einen ausgeprägten Kropf, d.h. eine stark vergrößerte Schilddrüse. Hier wäre eine Behandlung mit Jod notwendig und sinnvoll, aber NUR wenn es wirklich ein Jodmangelkropf ist (bei Hashimoto wäre es wie schon erwähnt nicht gut, wenn Du Jod einnehmen würdest). Weitere Infos zur Schilddrüse - auch zum Thema Kinderwunsch/Schwangerschaft - findest Du im Internet auf folgenden Seiten: www.hashimotothyreoiditis.de www.morbusbasedow.de (ist die Schwesternseite zu der über Hashi) www.schilddruesenpraxis.de Ich drücke Dir die Daumen, daß es bald mit dem Baby klappt! Viele Grüße Jutta


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