Frage im Expertenforum Schwangerschaftsberatung an Dr. med. Vincenzo Bluni:

Fruchtwasseruntersuchnung

Dr. med. Vincenzo Bluni

Dr. med. Vincenzo Bluni
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Frage: Fruchtwasseruntersuchnung

Mitglied inaktiv

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Hallo Herr Dr. Bluni, ich bin 35 Jahre alt und jetzt in der 6. SSW. ( In fünf Wochen werde ich 36). Auf meine Nachfrage bezüglich der Notwendigkeit einer Fruchtwasseruntersuchung hat mein Frauenarzt gemeint, dies sei aufgrund meines Alters anzuraten. Frage 1: Gilt man eigentlich schon als "über 35", wenn man bei Schwangerschaftsbeginn genau 35 ist? Das Risiko soll doch erst "über 35" steigen. Zählt das Alter der Mutter bei der Empfängnis oder das bei der Geburt? Frage 2: Vorausgesetzt, es würden keine weiteren Risikofaktoren im normalen Ultraschall festgestellt und ich würde auf die Fruchtwasseruntersuchnung verzichten-wie hoch wäre das statistische Risiko, ein behindertes Kind zu bekommen? (Wir haben keine familiären Auffälligkeiten und bereits ein gesundes Kind , bei dem ich 32/33 Jahre alt war.) Frage 3: Wozu würden Sie mir raten?


Dr. med. Vincenzo Bluni

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liebe Anja, sofern kein besonderes familiäres Risiko vorliegt und die Frau nicht 35 Jahre oder älter ist, würde sicher nicht generell zu einer weiterführenden Diagnostik geraten werden. Die Besprechung zu diesem Thema kann sicher auch schon zu jedem Zeitpunkt vor diesem Alter stattfinden. Sofern die Frau 35 Jahre oder älter ist und/oder es ein familiäres Risiko für genetische Erkrankungen oder Missbildungen gibt, sollte man mit ihr bei Kinderwunsch oder zu Beginn einer Schwangerschaft schon über die damit verbundenen Risiken für Mutter und Kind sprechen und dazu gehört eben auch das Thema Pränataldiagnostik inklusive der Möglichkeit einer genetischen Beratung. Über die nicht invasiven Verfahren der Pränataldiagnostik, wie z.B. das Ersttrimeesterscreening oder Triple-Test sollte man, sofern gewünscht, ebenso mit der Schwangeren/ dem Paar sprechen, wie auch über die invasiven Verfahren, wie Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) oder Chorionzottenbiopsie. Dazu gehört dann auch die individuelle Information über mögliche Konsequenzen und Risiken, so dass die Eltern den Sachverhalt gut nachvollziehen können, um ihnen die Möglichkeit zu geben, dann eine eigene Entscheidung für oder gegen eine weiterführende Diagnostik zu treffen. Das Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer Trisomie 21 ("mongoloide Störung" oder Down-Syndrom) liegt bei einer 25jährigen (keine familiäres Risiko vorausgesetzt) bei 1: 1352, bei einer 30jährigen bei 1:895,bei einer 32jährigen 1:659, bei einer 36jährigen bei 1:280, bei einer 38jährigen 1: 167 und bei einer 40jährigen bei 1:97. Ebenso steigt bei einer Frau ab dem 35. Lebensjahr das Risiko für schwangerschaftsspezifische Komplikationen, wozu auch Fehlgeburten gehören, an. Das Risiko einer Fehlgeburt infolge einer Fruchtwasserpunktion oder einer Chorionzottenbiopsie liegt in etwa bei 1:100, was dem Risiko einer 40jährigen für die Geburt eines Kindes mit einem Down-Syndrom entspricht. Wenn die Frau/die Eltern sich gegen eine invasive Diagnostik wie der Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie zum Ausschluss einer Trisomie oder ähnlicher Chromosomenstörungen entscheiden, weil sie das Risiko z.B. für eine Fehlgeburt nicht eingehen möchten, dann ist der Frau (insbesondere, wenn sie älter ist, als 35 Jahre) in erster Linie die Messung der Nackentransparenz oder das Ersttrimesterscreening zwischen der 11.+14. SSW (durchgeführt in einer entsprechend kompetenten Einrichtung!)zu empfehlen. Auf den Triple-Test muss man zumindest hinweisen, dass es ihn auch gibt. Zu diesen beiden Möglichkeiten der Pränataldiagnostik finden Sie ausführliche Erläuterungen, wenn Sie die Stichworte in der Suchfunktion auf dieser Seite eingeben. Ansonsten gibt es bei www.praenatal.de dazu ausführliche Beschreibungen, die auch für Laien geschrieben sind. Hier ist also zunächst die ausführliche Information der jeweiligen Methoden im Vordergrund stehend. Die Entscheidung selbst kann aber nur das betroffene Elternpaar selbst fällen. VB


Mitglied inaktiv

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Hallo, man kann natürlich keine ganz genaue Grenze festlegen. Der Übergang zu einem höheren Down-Risiko ist ja fließend und nicht in Monaten zu errechnen. Man hat sich in der Medizin einfach auf einen Zeitpunkt einigen müssen. Und hat innerhalb der stetig zunehmenden Häufigkeit von Down-Kindern bei zunehmendem Alter der Mutter einfach eine Linie gezogen und gesagt, ab hier empfehlen wir einen FW-Untersuchung. Übrigens gilt diese Empfehlung für die FW-Untersuchung nicht erst, wenn man ÜBER 35 ist, sondern ab dem 35. Lebensjahr, soviel ich weiß. Wenn ich Du wäre, würde ich aber trotzdem keine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen, sofern Nackenfaltenmessung, Doppler-Ultraschall und Triple-Test in Ordnung sind. Mir sagte mein Arzt, das Risiko, bei der FW-Untersuchung eine Fehlgeburt zu haben sei mit ein bis zwei Prozent immer noch größer, als das Risiko, ein Downkind zu haben (etwa 0,8 Prozent). Wichtig ist auch, dass Du für Dich die Konsequenzen der Fruchtwasser-Untersuchung bedenkst. Wenn Du Dir absolut nicht vorstellen kannst, ein Down-Kind zu haben, ist sie natürlich eher angesagt, als wenn Du auch ein Down-Kind lieben könntest. Man muss auch wissen, dass im Falle eines schlechten Ergebnisses der Fruchtwasseruntersuchung eine Abtreibung ansteht. Da das Baby, wenn das Ergebnis kommt, schon recht groß ist, bedeutet dies, dass eine normale Geburt dafür notwendig ist. Das Kind wird dann vorher im Mutterleib per Giftspritze getötet und Du musst es dann normal oder per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Letztlich must Du allein die Entscheidung treffen, kein Arzt wird sich hier festnageln lassen. Schließlich muss auch Dein Gyn befürchten, dass Du ihn rechtlich belangst, falls Du ein Down-Kind bekommst und er eine FW-Untersuchung zuvor für unnötig erklärt hat. Dies gilt auch für Doc Bluni, der Dir hier natürlich ebenfalls nicht abraten wird. Liebe Grüße, Gabi


Mitglied inaktiv

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Hallo! Dr. Bluni kann dir sicher die Wahrscheinlichkeiten für ein Down-Kind in Abhängigkeit des Alters der Mutter nennen. Mit 35 liegt es aber immer noch niedriger als die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt, wie Gabi schon geschrieben hat. Bitte laß diese Untersuchung deshalb nicht durchführen, allein nur weil dir dein Arzt dazu rät!!! Du allein mußt die Entscheidung treffen und auch die Konsequenzen tragen. Solltest du dein Kind durch die Untersuchung verlieren, wird der Arzt nur mit den Schultern zucken, aber ersetzen kann er es dir nicht! Du mußt deshalb als erstes entscheiden, ob du das Kind im Fall eines Falles austragen würdest, bzw. ob du bereit bist, das Risiko einer Fehlgeburt einzugehen, um damit ein Down-Kind erkennen und abtreiben lassen zu können. Bzw. auch eine andere Behinderung, ich weiß nicht so genau Bescheid, was man alles bei der FU erkennen kann. Sollte dir das Risiko der FU zu groß sein bzw. eine Abtreibung käme ohnhin nicht in Frage, dann solltest du lieber auch keine entsprechenden Blut- oder Ultraschalluntersuchungen machen lassen. Denn wenn diese kritisch ausfallen, wirst du deinem Arzt nur schwerlich erklären können, warum du die FU ablehnst, wahrscheinlich wird man dich doch zur FU überreden. Ich finde es am wichtigsten, daß du nur das machst, was DU mit allen Konsequenzen zu akzeptieren bereit bist. Du mußt es nicht tun, weil dein Arzt dir dazu rät. Er wird weder ein behindertes Kind für dich pflegen noch deine Trauer um ein verlorenes mildern. Trau dich, deine Entscheidung selbstbewußt zu vertreten, laß dich nicht zu etwas drängen, was du nicht willst. Alles Gute! Claudia


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