Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Essprobleme bei 7-Jährigem

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Frage: Essprobleme bei 7-Jährigem

Mitglied inaktiv

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Hallo! Schon seit längerem gibt es ein Problem bei meinem Sohn Lukas, 7 1/2 Jahre, womit ich mich gern an Sie wenden würde. Im Babyalter habe ich bereits beim Zufüttern bemerkt, dass er einige Speisen ablehnte, er aß lieber Brei als Stückiges. Damals dachte ich "es wird schon". Mit einem Jahr kam er in eine Krabbelgruppe; dort hörte ich oft, daß er das angebotene Essen nicht mitgegessen hatte und ich wurde langsam ungeduldiger. Da ich zu diesem Zeitpunkt berufstätig war, kümmerte sich mein Mann um unseren Sohn und gab zunächst, wie auch ich, den "Wünschen" nach: Nudeln, Reis, Brot, Milchprodukte, Eier, rohe Karotten und wenig mehr, ohne Fleisch und Gemüse. Mit der Zeit verlangten wir aber, dass L. bei unserm Essen probieren sollte, wir wollten schließlich erreichen, dass er keine "Extrawurst" bekam und Neues ausprobiert, und von da an wurde aus den gemeinsamen Mahlzeiten oft ein Kampf. Auch durch Bemerkungen (z.B. Großeltern) von Außen hat sich L. immer mehr bedrängt gefühlt. Eigentlich hat Lukas Freude am gemeinsamen Essen, er bereitet gern mal mit mir z.B. Butterbrotschnittchen mit Karotte zu, damit wir auf dem Wohnzimmerboden "picknicken". Ich selbst koche inzwischen immer so, daß L. sich was rauspicken kann und wenn mal nichts dabei ist, darf er, wenn die anderen fertig sind, sich z.B. noch eine Schale Müsli machen. Insgesamt waren mein Mann und ich uns immer unsicher, wie wir auf die Essenssituation reagieren sollten, schwankten öfters zwischen gewähren, ignorieren, versuchen, es zu akzeptieren. Mein Mann ist eher derjenige, der härter durchgreift, ich dagegen möchte nicht mit Druck erziehen. Alle Kinderärzte haben uns bisher aus medizinischer Sicht zu verstehen gegeben: solange Lukas sich normal entwickelt, gesund ist (er war seltener krank als seine Geschwister) ist alles okay, manche Kinder würden solche Phasen durchlaufen. Bloß ich finde, daß Lukas sich zunehmend abgrenzt. Beispielsweise möchte er nicht zur Ferienfreizeit mit, weil er, wie er selbst sagt, dort nicht mitessen möchte (obwohl sein guter Freund mitgeht). Auch bei Einladungen sitzt er kaum am Tisch nach dem Motto " wenn die Grillwurst kommt geh ich lieber spielen". Für uns stellt sich die Frage, was wir tun können, dass unser Sohn lieber isst und nicht das Essen für ihn (und für uns) ein Problem ist. LG Niesi


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo Niesi im Rahmen meiner Arbeit hier im Forum Kochen für Kinder kann ich dir leider nicht weiterhelfen. Ich kann dir nur ganz allgemein ein paar Fakten nennen. Manche Kinder sind sehr eigen, in ihren Vorstellungen beim Essen. Das muss meist nicht überbewertet, als vielmehr akzeptiert werden. Je mehr das Thema "mein Kind will nicht essen" in den Fokus rückt, desto kritischer kann sich die Situation zuspitzen und zum Selbstläufer werden. Ein Erklärungsversuch kann sein, dass sich dein Kind mit diesem Verhalten in eine bestimmte Position drängt. Er erhält Aufmerksamkeit. Denn du schreibst, dass dein Kind durchaus Freude am Essen hat und wenn ihm etwas vom Mittagstisch nicht schmeckt, dass er um satt zu werden, sich anschliessend eine Portion Müsli zubereitet. Auch gibt es evtl Situationen, mit denen dein Kind evtl schlechter umgehen kann. Zum Beispiel das Essen in Gesellschaft, das er lieber meidet? Essen ist auch als kulturelles Ereignis zu betrachten. Und da die Ärzte deinem Kind eine gute Gesundheit bescheinigen, scheint das Problem vielmehr auch u.a. auf sozio-kulturellen Aspekten zu gründen. Evtl kann dir Frau Schuster, hier bei rub, noch ein bisschen weiterhelfen und Tipps geben. Hilft dir das weiter? Grüsse Birgit Neumann Noch ein paar Hintergrundinformationen: Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben noch dazu eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem Neuen (essen). Auch hier wieder, evolutionsbiologisch betrachtet, eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Besonders bittere Speisen sind oft giftig. Deswegen wird ein bitterer Geschmack von Kindern meistens abgelehnt. Grüne Paprika schmecken gekocht meist bitter. Aber auch alte Möhren können manchmal bitterer sein. Kinder sollten bis zu 10 mal etwas probiert haben, bevor sie es wirklich gut akzeptieren und sich an den Geschmack gewöhnt haben. Auch der Geruchssinn spielt eine große Rolle. Denn noch bis ins Erwachsenenalter (lebenslang) hinein sind solche Erinnerungen mittels Geruchssinn aktiv, und die Bereitschaft später im Erwachsenenalter eine Speise zu probieren, ist dadurch sehr gross. Somit nimmt die Geruchsprägung noch vor der Geschmacksprägung eine wesentliche Rolle ein. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Appetitsteuerung viele Faktoren zusammenspielen. Eine ganz wichtige Rolle spielt auch die individuelle Verdauung der Speisen, die u.a. von der mikrobiologischen Darmbesiedelung abhängt. Jedes Kind hat seine Favoriten. Dieses Herauszufinden, ist schon mal was wert Dazu ist es wichtig, dass ein Kind ein möglichst breitgefächertes Repertoire hat, aus dem schöpfen kann. Das bedeutet, dass möglichst viel probiert werden sollte. Manchmal ist so eine Situation nicht der Essenstisch, sondern vielleicht der Spielplatz, bei der Oma, im Urlaub, im Restaurant etc Die Verdauung ist individuell verschieden. Was dem einen gut bekommt, kann beim anderen zu Unwohlsein führen. Deswegen mögen viele Kinder Gemüse oft weniger gerne essen. Gemüse hat zwar Vitamine Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe aber bringt (im Vergleich zu Obst) keine Sättigung. Die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe sind manchmal schwerer verdaulich. Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde, weil die Zubereitungsweise eine direkte Auswirkung auf die Verdauung/Verdaulichkeit hat. Mit viel Fett (z.B. Rahmspinat) werden Ballaststoffe verträglicher. Ketchup bspw. hat einen hohen Zuckeranteil. Die Säure wird abgemildert und Kalorien kommen hinzu. Erbsen haben von Natur aus einen leicht süßlichen Geschmack. Pizza ist auch fettreicher wegen dem Käse und Öl. Deswegen akzeptieren Kinder oft mit Gemüse belegte Pizza.


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