Grünkernfrikadelle
Sehr geehrte Zahnärztinnen, Meine Frage bezüglich BPA-/Weichmacherfreier Komposit-zahnfüllung hat meine Zahnärztin nun mit einem Präparat namens "bisico" beantwortet, wobei ich noch nicht nachgeschaut habe, ob es tatsächlich frei von Weichmacher ist....man muss seinen Ärzten ja auch mal ein bisschen vertrauen. Was ich nun vor Ort vergessen habe zu fragen war, wie die Wirkungsweise von fluor genau abläuft. Fluor wird ja in manchen Personenkreisen kontrovers diskutiert. Einerseits soll es vor Karies schützen, andererseits soll es bei unsachgemäßer Anwendung fluorvergiftung und letharie hervorrufen können, weiterhin bei zu hoher Dosierung die Knochen so hart machen, dass sie die natürliche elastizität verlieren und in der Folge brüchiger werden... Was ich bisher (auf einem mir empfohlenen fluoridierungsPräperat) gelesen habe war, dass das örtlich auf die Zähne aufgetragene fluor calcium aus dem Speichel in den zahnschmelz einbauen hilft, weiterhin stört das fluor strepptococcus mutans (und/oder andere kariesauslösenden Bakterien?) beim zerstören des zahnschmelzes... Als Warnhinweis steht, bei verschlucken größerer Mengen des Präparates solle man Kalziumhaltige Lebensmittel (Milch...)zu sich nehmen um das fluor schnell zu binden. Meine konkrete Frage zu dem Thema: welcher Stoff bindet denn nun welchen? Zieht fluor Kalzium in den Zahn oder zieht Kalzium fluor aus dem Zahn raus? Oder kleben die beiden Elemente einfach gerne zusammen und bilden dadurch eine schöne schmelzschicht auf den Zähnen? Haben sie Links oder Literatur Tipps für mich, wo ich das nochmal nachlesen könnte, wie der positive Effekt der zahnfluoridierung genau abläuft? Danke!
Hallo, eigentlich gehört ihre Frage nicht mehr in das Leistungsspektrum dieses Forums. Ausgereifter Zahnschmelz besteht hauptsächlich aus den anorganischen Verbindungen Kalzium, Phosphat, Karbonat, Magnesium und Natrium, deren Menge zwischen 93 und 98 Gew.% schwankt. Zweitgrößter Bestandteil ist Wasser, wobei die Mengenangaben zwischen 1,5 und 4 Gew.% variieren (SCHRÖDER, 1992). Der restliche Anteil des Zahnschmelzes besteht aus organischen Verbindungen wie Proteinen und Lipiden. Außerdem wurden über 40 weitere Spurenelemente im Zahnschmelz nachgewiesen. Der kleine Anteil organischen Materials im Schmelz besteht aus Proteinen (ca. 58%), Lipiden (ca. 40%) und Spuren von Kohlenhydraten, Zitrat und Laktat (HELLWIG et al., 1999) und befindet sich zum größten Teil im inneren Drittel der Schmelzschicht in Form von Schmelzbüscheln (WEATHERELL et al., 1968). Wasser liegt im Zahnschmelz in zwei Formen vor. Zum einen ist es kristallin in der Hydratationsschale vorhanden, zum anderen ist es lose an die organische Schmelzmatrix gebunden. Das lose an die organische Schmelzmatrix gebundene Wasser kann bei Erwärmung verdampfen, bei Feuchtigkeitszufuhr aber auch wieder aufgenommen werden. Dies kann zur Erklärung bestimmter physikalischer Phänomene bei der Kariesentstehung bzw. –prävention beitragen. Während des Flüssigkeitsstroms wirkt der Schmelz als Molekularsieb, wobei Ionen sowohl aus dem Zahnschmelz heraus als auch in ihn hinein gelangen können. Die anorganischen Hauptbestandteile des Zahnschmelzes, Kalzium und Phosphat, liegen im Verhältnis von 1:1,2 als Apatitverbindung (Ca10-xPO6-x)X2H2O in Form kleiner Kristalle vor. Dabei handelt es sich nicht um die stöchiometrische Verbindung Ca10(PO4)6(OH)2. Durch einen Mangel an Kalzium-, Phosphat-, und Hydroxylionen sowie durch das Vorhandensein von Karbonat und Hydrogenphosphat ist Zahnschmelz aus nichtstöchiometrischen Apatitkristallen aufgebaut . Durch interne Substitutionsreaktionen kann Fluorapatit oder fluoridiertes Hydroxylapatit gebildet werden. Die Kristallgitterstrukturen dieser Verbindungen sind stabiler als die von reinem Hydroxylapatit. Wird Karbonat in das Schmelzmineral eingebaut, verliert dieses bei einem kariösen Angriff gegenüber Hydroxylapatit an Resistenz. Schmelz kann auch noch nach abgeschlossener Schmelzbildung durch exogene Fluoridzufuhr mit Fluorid angereichert werden.Die Wirkung liegt vornehmlich in der Hemmung der Demineralisation und in der Förderung der Remineralisation. An die Zahnoberfläche adsorbierte Fluoridionen schützen die Kristalle vor ihrem Abbau. Sie werden schwieriger gelöst. Auch eine Kalziumfluoridschicht auf der Zahnoberfläche hat solch einen schützenden Effekt. Steigt in der Phase der Remineralisation der pH-Wert wieder an, fällt zuerst Fluorapatit aus, weil es früher repräzipitiert wird. Es wird also auch die Remineralisationszeit verkürzt. Fluoride reagieren auf verschiedene Weise mit gesundem Zahnschmelz: • Präeruptiv kann Fluorid während der Schmelzbildung fest in das Kristallgitter eingebaut werden. Es entsteht fluoridiertes Hydroxylapatit HFAP bzw. Fluorapatit FAP. • Nach der initialen Auflösung des oberflächlichen Zahnschmelzes präzipitiert fluoridiertes HFAP bzw. FAP. • An der Zahnoberfläche werden Schmelzmineralien initial aufgelöst, anschließend schlägt sich bereits ab einer Fluoridkonzentration von 10 ppm ein kalziumfluoridähnliches Präzipitat nieder . Während bei neutralem pHWert ein Kalziumfluoridpräzipitat mit hohem Phosphatanteil gebildet wird, enthält eine Kalziumfluoridschicht, die bei niedrigem pH-Wert präzipitiert, weniger Phosphat . Dieser Niederschlag löst sich wieder auf und freiwerdende Fluoridionen diffundieren in den Speichel und in den Zahnschmelz oder liegen unspezifisch oder spezifisch (z.B. an Kalzium) absorbiert vor. • Fluorid diffundiert in den Zahnschmelz und bindet spezifisch an freie Bindungsstellen der Kristalle. • Fluorid diffundiert in den Zahnschmelz und geht unspezifische Bindungen ein. Nach lokaler Fluoridierung schlägt sich in Abhängigkeit von der Fluoridkonzentration, dem pH-Wert und der Kontaktzeit als Hauptreaktionsprodukt ein relativ stabiles kalziumfluoridähnliches Präzipitat (CaF2) auf der Zahnoberfläche nieder. Neben dem Kalziumfluorid sind auch Phosphate, Proteine und andere Bestandteile enthalten. DIJKMANN konnte zeigen, dass nach Duraphat®-Appplikation diese Schicht nicht sofort wieder aufgelöst wird, sondern nach drei Monaten immer noch Kalziumfluoridglobuli auf der Schmelzoberfläche zu finden sind. Die Stabilität des Kalziumfluorids beruht auf der Adsorption von Hydrogenphosphat-Ionen (HPO43-), wodurch an der Oberfläche eine löslichkeitshemmende Schutzschicht entsteht . Kommt es infolge eines kariösen Angriffs zum pH-Abfall, werden aus dem Kalziumfluorid Fluoridionen freigesetzt. CaF2 funktioniert demzufolge als pH gesteuertes Fluoridreservoir. Die freigesetzten Fluoridionen hemmen einerseits die Demineralisation und fördern andererseits die Remineralisation. siehe auch: http://www.bfr.bund.de/cm/343/verwendung_fluoridierter_lebensmittel_und_die_auswirkung_von_fluorid_auf_die_gesundheit.pdf Ein tolles Buch: wenn Sie es genau wissen wollen: Prophylaxe und Präventivzahnmedizin von Jean-François Roulet,Stefan Zimmer gibt es auch bei google books Liebe Grüße
Grünkernfrikadelle
Sehr geehrte Fr.Dr.Esch, vielen Dank für ihre ausführliche Antwort. :-)