lina456
Sehr geehrter Herr Dr. Gagsteiger, was halten Sie von diesem kurzen Artikel? Ist das unseriöser Quatsch oder Wissenschaft? Wir waren in Holland im Urlaub und da erzählte mir eine Holländerin von dieser Studie/Theorie. Ich frage mich, ob das seriös ist und man aus ethischen Gründen keine große Sache draus macht oder ob es lediglich Quatsch ist. Ich bin gespannt auf Ihre Meinung. Mit freundlichen Grüßen! https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21051285/
Guten Tag, da gestern der 1. April war und man an diesem Tag gerne mal „in den April geschickt“ wird, sollte man solche Meldungen – gerade wenn sie etwas ungewöhnlich klingen – immer auch mit einem gewissen Augenzwinkern beurteilen. Ich habe mir den von Ihnen genannten Artikel (PubMed-ID 21051285) jedoch unabhängig davon angeschaut. Er trägt den Titel „Earthing: Health Implications of Reconnecting the Human Body to the Earth’s Surface Electrons“ (deutsch in etwa: „Erden: Gesundheitliche Auswirkungen der Wiederanbindung des menschlichen Körpers an die Erdoberflächen-Elektronen“). Worum geht es in dem Artikel? Die Kernaussage dieser Arbeit ist, dass der Kontakt des menschlichen Körpers mit der Erdoberfläche („Earthing“ oder „Grounding“) einen positiven Einfluss auf verschiedene Gesundheitsmarker haben könne – etwa auf Stress, Schlafqualität, Entzündungsprozesse oder das Herz-Kreislauf-System. Die Hypothese lautet, dass elektrische Ladungen (Elektronen) von der Erde auf den Körper übertragen werden und so u. a. entzündungshemmend wirken könnten. Wie ist der wissenschaftliche Kontext? Studienlage: Das Thema „Earthing“ wird überwiegend in kleineren Pilotstudien oder sehr spezifischen Untersuchungen diskutiert. Die meisten Arbeiten stammen aus einer relativ kleinen Forschergruppe, die dieses Themengebiet aktiv vorantreibt. Replikation und Qualität: Um solide wissenschaftliche Evidenz zu haben, wären größere, methodisch hochwertige Studien nötig, idealerweise randomisiert und placebokontrolliert, die unabhängig durchgeführt werden. Solche robusten Replikationen gibt es bislang kaum. Mögliche Erklärungsansätze: Einige Vermutungen stammen aus der Elektrophysiologie (elektrische Ladung, Erdung usw.) und beziehen sich auf bekannte physikalische Phänomene. Allerdings ist der Schritt von theoretischen Überlegungen zur konkreten biologischen Wirksamkeit und klar messbaren, reproduzierbaren Effekten bislang nicht eindeutig belegt. Ist das nun „wissenschaftlich“ oder „Quatsch“? Kein völliger „Quatsch“: Es ist nicht so, dass die Idee an sich völlig aus der Luft gegriffen wäre. Es existieren zumindest gewisse physiologische bzw. physikalische Grundlagen und kleine Studien, die Effekte nahelegen. Nicht etablierte Lehrmeinung: Allerdings ist „Earthing“ kein anerkannter Bestandteil der Schulmedizin. Die meisten Ärztinnen und Ärzte ordnen es eher in den Bereich der Komplementärmedizin oder Alternativmedizin ein. Mangel an solider Evidenz: Es liegen keine großen, methodisch einwandfreien Studien vor, die eindeutig belegen, dass „Earthing“ einen reproduzierbaren und bedeutsamen Nutzen für klinisch relevante Endpunkte hat. Warum hört man relativ wenig davon? Fehlende breite Akzeptanz: Weil die wissenschaftliche und medizinische Gemeinschaft insgesamt skeptisch bleibt, solange keine robusten, größeren Studien vorliegen. Konflikte & Bias: Viele der bestehenden Untersuchungen wurden in kleinem Rahmen durchgeführt und sind teils mit Interessenkonflikten behaftet (z. B. Firmen, die „Earthing“-Zubehör verkaufen). Kein massives Aufsehen: Wenn eine Theorie wissenschaftlich noch nicht breit abgesichert ist, findet sie in seriösen Fachzeitschriften oder Konferenzen seltener größeren Widerhall. Fazit Der Artikel ist eine existierende Publikation in einer (nicht hochrangigen) Fachzeitschrift, also nicht bloß ein Blogbeitrag. Es ist somit nicht völlig aus der Luft gegriffen. Allerdings gibt es keine starke, anerkannte Evidenz, die „Earthing“ als echte, wirksame Behandlungsmethode empfehlen würde. Man kann das Thema sicher mit einem Augenzwinkern betrachten (und es nicht zuletzt wegen dem 1. April für einen potenziellen Scherz halten). Grundsätzlich handelt es sich jedoch eher um eine Theorie aus dem alternativen Bereich, die noch auf große, solide wissenschaftliche Bestätigung wartet. Wer es ausprobieren will (beispielsweise Barfußlaufen), wird – solange es vernünftig geschieht – höchstwahrscheinlich keinen Schaden nehmen. Versprechungen à la „Das heilt oder verhindert Krankheit X“ sind aber nicht seriös belegt. Mit freundlichen Grüßen Ihr Dr. Gagsteiger
lina456
Sehr geehrter Herr Dr. Gagsteiger, Nun habe ich mich auch mit dem Thema „Earthing“ auseinandergesetzt und musste lachen. Es tut mir wirklich leid, dass auch Sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen mussten durch meine Frage. Ich wollte sagen, dass da etwas sehr schief gelaufen ist. Ich habe Ihnen eigentlich keinen Link zu diesem Thema geschickt, sondern einen mit dem Titel „Female gender pre-selection by maternal diet in combination with timing of sexual intercourse--a prospective study A M Noorlander et al. Reprod Biomed Online. 2010 Dec.“ komisch… mich führt der Link zu diesem Artikel und nicht zu „Earthing“. Ich habe Sie schon mit einem unsinnigen Artikel konfrontiert und Sie haben sehr ausführlich und professionell hierauf geantwortet. Ich wollte dazu zwar nichts wissen, aber ich habe was dazu gelernt. Vielen Dank also, wer weiß wozu das gut war. Vielleicht reicht Ihnen ja bereits der Titel des Artikels, um ihn einzuordnen zur Kategorie Aprilscherz oder wissenschaftlich? Liebe Grüße
Die Idee, dass Diät und Timing des Geschlechtsverkehrs das Geschlecht eines Babys beeinflussen können, ist ein Thema, das sowohl wissenschaftliches Interesse als auch populäre Mythen hervorgerufen hat. Einige Studien behaupten, dass bestimmte Diäten den pH-Wert der Vagina oder die Elektrolytkonzentration im Körper verändern können, was theoretisch die Beweglichkeit oder Überlebensfähigkeit von Spermien mit X- oder Y-Chromosomen beeinflussen könnte. Ebenso gibt es Theorien, die besagen, dass das Timing des Geschlechtsverkehrs in Bezug auf den Ovulationszeitpunkt die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, ein Kind eines bestimmten Geschlechts zu zeugen. Allerdings ist die wissenschaftliche Beweisführung für diese Methoden insgesamt ziemlich schwach oder widersprüchlich. Die meisten seriösen Studien und Expertenmeinungen kommen zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Kind eines bestimmten Geschlechts zu bekommen, nahezu 50:50 ist, und dass diese natürlichen Methoden der Geschlechtsselektion nicht zuverlässig sind. Während es interessant ist zu erforschen, wie verschiedene Faktoren möglicherweise geringfügige Einflüsse auf das Geschlecht des Kindes haben könnten, sollten solche Ansätze mit Vorsicht und Skepsis betrachtet werden, insbesondere wenn es um Entscheidungen im Rahmen der Familienplanung geht.