Frage im Expertenforum Frühgeburt an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch:

Spina befida (sorry etwas länger :-/ )

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch
Kinderarzt und Neonatologe

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Frage: Spina befida (sorry etwas länger :-/ )

Mitglied inaktiv

Sehr geehrter Herr Dr. Jorch, ich bin in der 35. SSW (34+4). Seit gut 2 Wochen wissen wir die Diagnose unseres Sohnes: "große lombosacrale Myelo-Menigo-Zele mit konsekutiver ACM, Zyste des Cavum veli interpositi" Für mich hört sich das alles ganz grausman an, obwohl ich mittlerweile schon viel darüber gelesen habe. Letze Woche war ich im Universitäts-klinikum Leipzig zum fetalen MRT u. eine Fruchtwasserpunktion wurde gemacht. Leider ist das Konsil erst in 2 Wochen, aber ich habe jetzt schon Fragen, darum wende ich mich an Sie. Man hat uns zu verstehen gegeben, wenn sich auf Grund der Punktion zusätzliche geistige Schäden m.hoher Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, könnten wir nach wie vor entscheiden, ob wir die SSW zu Ende führen. Geht das in Dtl.?? Haben wir da was falsch verstanden? Wenn ja, wie wird sowas gemacht?????????? Hat der kleine Mann mit dieser Diagnose überhaupt eine Chance ein normales Leben führen zu können??? Man sagte uns, ob er laufen kann oder nicht, kann uns im Vorfeld niemand sagen. Nun habe ich aber gelesen, das eine Gehfähigkeit ab dem 3. Lendenwirbel fast aussichtslos ist, ab dem 4. bis zum Kreuzbein erhöhen sich die Chancen erheblich. Sieht man im Ultraschall nicht, in welchem Bereich sich die Spina bifida befindet, um Prognosen abgegen zu können?? Sollte der kleine Mann auf die Welt kommen, wie lang muss er denn ungefähr im KH bleiben??? Für unsere Familie ändert sich ja dadurch alles, ich habe bereits eine 5 jährige Tochter und Leipzig ist von uns knapp 100 km entfernt. Sorry, sorry für die vielen Fragen. Ich weiß, ich kann die alle im Konsil stellen, aber bis dahin sind es noch ganze 2 Wochen und ich mache mir solche Gedanken. Vor allem darum, WARUM man es nicht VIEL früher gesehen hat. Ganz ehrlich (auch wenn´s grausam klingt) hätten wir die Diganose zur Feinddiagnostik bekommen, würde ich das Kind sicher nicht mehr unterm Herzen. Auch wenn sich das jetzt für viele herzlos anhört. Momentan fühle ich einfach so. Danke fürs "Zuhören". Lieben Gruß aus Thüringen Herzlichst Nadin


Eine Beratung über Internet in einer solchen Situation kann nur Teilantworten geben und ich habe mich gefragt, ob ich dieses Wagnis überhaupt eingehen sollte. Ich habe mich aber entschlossen, wenigstens einige allgemeine Antworten zu geben. 1. Bis zur Geburt sind in Deutschland Abtreibungen möglich. Entscheidend ist, ob das Aústragen der Schwangerschaft für die Schwangere zumutbar ist. 2. Wenn das Kind nach der Geburt lebt, muß es trotz Behinderung behandelt werden, da ihm dann - im Gegensatz zu vorher - die gleichen Rechte zustehen wie allen anderen Bürgern auch. 3. Tötung des Fetus vor der Geburt dahingegen ist unter bestimmten Umständen erlaubt und wird auch so praktiziert, um zu verhindern, dass ein Kind, welches eigentlich nicht leben soll, dann doch lebenrettende Maßnahmen erhält. 4. Eine sichere Prognosestellung ist auch durch Einsatz moderner Methoden nicht möglich. Die Wahrscheinlichkeitsaussagen können aber etwas sicherer gemacht werden. 5. Selbst bei Anwendung aller Maßnahmen der pränatalen Diagnostik werden 2/3 aller schwerwiegenden angeborenen Gesundheitsstörungen nicht erkannt. Die Aussage: "Die Pränataldiagnostik war o.B., ein Kind ist also gesund" ist definitiv falsch. 6. Die Prognose bei Spina bifida wird im Wesentlichen durch 3 Behinderungen bestimmt: 1. Hydrozephalus: Wenn keine Shuntkomplikationen eintreten, ist hier die Prognose meistens gut. Der I.Q ist normal. Hirnfehlbindungen, die von vornherein eine geistige Behinderung erwarten lassen, sind selten. 2. Beine: In vielen Fällen sind die Kinder später auf einen Rollstuhl angewiesen. Diese Tatsache allein ist aber mit einem glücklichen Leben vereinbar, wie viele Beispiele aus dem öffentlichen und nicht öffentlichen Leben zeigen. 3. Blase/Nieren: Die in unterschiedlichem Maße gestörte Blasenkontrolle dürfte die größte Beeinträchtigung darstellen und war früher häufig lebenbegrenzend, wenn eine Schädigung der Nieren durch Harnstau nicht verhindert wurde. Fazit: Letztlich wird es Ihre Entscheidung sein, medizinische Befunde können etwas zur Entscheidung beitragen. Noch ein Tip: Lassen Sie sich auf jeden Fall auch durch einen Neuropädiater beraten. Pränataldiagnostiker, Geburtshelfer und Neonatologen kennen aus ihrer eigenen beruflicher Erfahrung den Start ins Leben aber nicht den weiteren Verlauf.


Mitglied inaktiv

Liebe Nadin, das klingt alles sehr schrecklich, jeder wünscht sich ein gesundes Kind, leider passieren solche Unfälle der Natur. Ich möchte dir Mut aussprechen auch wenn es dir i.M. vielleicht wenig hilft. Ich selbst war mit meinen Kinds in der Uni-Leipzig, die Neo-intensiv ist hervorragend, die Ärzte und Schwestern top. Ich hoffe für dich und deine Familie dass ihr die nächste Zeit übersteht und dass nicht noch mehr neg, Erfahrungen euer Leben belasten. Alles Gute, viel Kraft wünscht Clara!


Mitglied inaktiv

Liebe Nadin, oh man, mir fehlen die Worte. Ich wünsche euch für die Zukunft alles erdenklich Gute. Als ich deinen Bericht gelesen habe, habe ich spontan an einen sehr aktuellen Beitrag im WDR gedacht. Dort wurde die Uni Bonn vorgestellt, die eine neuartige OP Methode praktiziert, wo das Ungeborene mit z.B. Spina befida noch im Mutterleib operieren. Dort wurde ein Kind vorgestellt, der eben diesen Befund hatte und noch ungeboren operiert wurde. Ihm geht es zum jetzigen Zeitpunkt gut und er bewegt sich altersentsprechend - war soweit ich mich erinnere so ca. 4 Monate alt. Und es hieß, ohne diese OP wäre er nicht so beweglich. Ohne dir nun ggf. unnötig Hoffnung zu machen, denn ich kenne die genauen Möglichkeiten und Grenzen dieser OP nicht, kannst du dich ja mal schlau machen. Wenn ich Zeit habe, versuche ich auch mal etwas raus zu finden.. ALLES ALLES GUTE karya PS: ihr habt den Satz schon richtig verstanden - so habe ich es mal in einem Schwangerschaftsbuch gelesen.


Mitglied inaktiv

siehe hier: http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/klare-sicht-auf-ungeborene-patienten Wie gesagt, ich mache dir hier evtl. total die Hoffnung und es geht in eurem Fall vielleicht doch nicht, weil ggf. das Kind schon zu groß ist!? Aber informiere dich bitte. Vielleicht ist es ja möglich!?


Mitglied inaktiv

Hallo Nadin, ich bin selber Mama eines schwer behinderten Kindes und kann dir berichten, dass das Leben mit ihm trotz vieler Sorgen eine absolute Bereicherung ist. Und dann möchte ich dir noch den Tipp geben, dich mal auf www.rehakids.de umzuschauen. Dort wirst du Eltern finden, die Kinder mit gleicher Diagnose haben. Vielleicht können sie dir ein wenig Unterstützung in dieser schwierigen Situation geben. Alles Gute!


Mitglied inaktiv

Hallo, mein Sohn ist durch seine Frühgeburt auch schwer behindert, kann mm08 nur bestätigen, dass auch ein behindertes Kind einem viel Freude machen kann, trotz der Sorgen. Wir wollten ihn auf keinen Fall mehr missen! Auch er selbst ist trotz seiner Behinderungen ein total glückliches und zufriedenes Kind, lacht viel, weint ganz wenig und macht seine (wenn auch langsamen) Fortschritte. Wollte dir nur Mut machen. Überleg dir auf alle Fälle, ob du mit der Entscheidung, ihn in der 37 SSW noch "abzutreiben" zu lassen, leben kannst! Alles Gute! Ich wünsche dir, dass du die für dich richtige Entscheidung triffst. Gruß, Katja


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