Frage im Expertenforum Ergotherapie bei Kindern an Kristin Windisch:

3,5 jähriger überempfindlich?

Kristin Windisch

 Kristin Windisch
Staatlich anerkannte Ergotherapeutin
Zertifizierte Fachergotherapeutin für Pädiatrie GfpF

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Frage: 3,5 jähriger überempfindlich?

Vöglein93

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Hallo Kristin. Ich hatte auf Instagram einen Post einer Ergotherapeutin gesehen da wurde die Wahrnehmung von unterempfindlichen und überempfindlichen Kindern dargestellt. Bzw reizsuchend und reizvermeidend. Einige punkte passten zu meinem Kind: Haare waschen ist von anfang an eine Qual für ihn, kämen mag er auch nicht besonders, er findet vieles zu laut und macht sich die Ohren zu (z.b wenn der Zug durchfährt oder wenn der Hahn vom Bauern kräht), vermeidet einige Konsistenzen von Lebensmitteln, ist teilweise sehr vorsichtig auf dem Spielplatz z.b (außer auf dem Laufrad, da kennt er keine Angst) kneift die Augen zu bei hellen lichtern (sag oft er hat Angst vor der Lampe, wenn die an ist), mag keine unangekündigten Berührungen. Ich habe mir eigentlich wenig gedanken drum gemacht aber als ich das gelesen habe bin ich doch sehr am Grübeln. Aber andererseits passen auch die reizsuchenden punkte gut zu ihm: Läuft gerne barfuß (zuhause jedenfalls) liebt massagen und mag gekitzelt zu werden, liebt trampolin und springen, schaukelt gerne viel und schnell, mag laute musik oder lautes spielen vorallem wenn man selber noch mitmacht, ist doch eher ein wildes kerlchen. Hmm... jetzt wo ich die gegenseite aufgezählt habe, mache ich mir vielleicht doch zu viele gedanken? Was meinst du? Aber solche sachen wie Haare waschen und aussortieren von einigen Lebensmitteln weil die Konsistenz nicht gefällt und das einiges zu laut ist und er sich die Ohren zu hält wo ich sage es ist nicht zu laut, da überlege ich doch schon. Liebe Grüße


Kristin Windisch

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Hallo, generell kann man in den verschiedenen Wahrnehmungsbereichen unterschiedlich empfindlich sein - also jemand, der z.B.sehr geräuschempfindlich ist, kann im Bereich Gleichgewicht trotzdem reizsuchend (unterempfindlich) sein - so ergeben sich auf der einen Seite empfindliche Bereiche (Licht wäre die visuelle Wahrnehmung, Geräusche die auditive WN, Berührungen die taktile WN,...) und auf der anderen Seite hat man dann in eurem Fall doch wieder den Eindruck von wild und unerschrocken (Spielplatz, toben, schaukeln im Bereich vestibuläre und propriozeptive WN). Ausserdem gilt das Prinzip "Eigenaktivität hemmt": also ein Kind, welches auditiv überempfindlich ist, erträgt nur schwer "Fremdgeräusche" (v.a.plötzliche, auf die es sich nicht vorher einstellen konnte), kann aber besser tolerieren, wenn es selbst den Krach produziert. Das ist gut damit vergleichbar, dass wir kitzelig sind, wenn uns jemand anderes kitzelt (Fremdeinwirkung), das aber nicht funktioniert, wenn man sich selber kitzelt (Eigenaktivität), das hängt mit Verarbeitung und Regulation im Gehirn zusammen. Wenn dein Kind also bestimmte Dinge schwer erträgt (Haare waschen, Geräusche, Berührungen,...), dann hilft es, wenn das Kind dies selbst tun kann (also Haare selbst shampoonieren lassen, sich mit etwas Hilfe selbst abbrausen oder selbst einen Eimer Wasser über den Kopf schütten - oder dabei mit anderer Selbstaktivität ablenken, z.B.das Kind soll ein Lied singen, während die Haare abgespült werden / bei lauten Geräuschen selber "Krachmacher" spielen nach dem Motto, wir wollen genauso laut machen wie die Sirene/der Zug/wir spielen selber Hahn und krähen lauter als der vom Nachbarn / im taktilen Bereich: selbst eincremen lassen, selbst anziehen lassen statt es von außen zu ertragen, usw.) - so kann einem überempfindlichen Kind entgegengekommen werden. Ob es sich bei deinem Kind tatsächlich um überempfindliche WN handelt, oder um ein sensibles Kind, kann ich aus der Ferne nicht einschätzen. Hier ergibt sich ein Handlungsbedarf, wenn das Kind im Alltag darunter leidet, also z.B.taktil überempfindliche Kinder aufgrund der Berührung von anderen Kindern aggressiv reagieren, etc. Dann könnte man aus dem Bereich S.I. (sensorische Integration) eine ergotherapeutische Diagnostik machen lassen und da auch Strategien vermitteln, die regulierend auf das Kind wirken (z.B. haben Kälte, Vibration und propriozeptive Reize einen regulierenden Effekt, also alles mit Tiefendruck, wie bei starker Massage, springen, ziehen,schieben,drücken,... - für den Berührungsbereich deines Kindes kann man damit gut entgegenwirken und Entspannung reinbringen). Alles Gute Kristin Windisch


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