Lieber Dr. Posth,
Bitte erklären Sie mir genauer, in wie weit eine "gelungene" Loslösung die Mutter-Kind-Bindung im nachhinein stärkt bzw. sogar noch sicher(er?) macht. Das Thema interessiert mich sehr! Habe darüber des öfteren in Ihren Antworten gelesen, aber immer nur in einem Nebensatz. (In Ihren Langtexten wurde ich ebenfalls nicht fündig)
Und wie ebendiese Loslösung über Papa trotz Zeitnot funktionieren kann!
Unser Sohn ist 10 Monate alt und ich will Papa künftig mehr einbinden. Bisher war das nicht wirklich möglich aber ich denke/hoffe mal, dass noch nichts zu spät ist.
Danke für Ihre super Arbeit!
Grüße!
von
Fonsine
am 02.06.2014, 08:05
Antwort auf:
Loslösung
Hallo, die gelungene Loslösung führt auf der Basis der sicheren Bindung zu einem stabilen eigenständigen Selbst. Ich nenne das das ausgewogenen Selbst. Die weitgehende Ausgewogenheit des Selbst erzeugt aber alle Grundvoraussetzungen für die weitere psychosoziale Entwicklung. Dazu gehören die Entwicklung zur Empathie und die zum Umdenken in die Gedankenwelt des Anderen. Beides führt zur Sozialverträglichkeit und zum Verständnis für die emotionale Lage und die Vorstellungwelt des Anderen, wovon als erstes wieder die Bindungs- und Bezugspersonen profitieren. Die Bindung verstärrkt sich dadurch weiter. Und die Liebe zu den Eltern verstärkt sich durch Bereitschaft gerade für sie, sich selbst in Zukunft mehr zurückzunehmen und auf den Anderen zu hören. Gleichzeitig führen Selbstzufriedenheit und sozialer Erfolg zu einem enormen Reifezuwachs. All das spüren die Eltern als erste. Allerdings spüren auch das alle anderen Erwachsenen, die mit dem Kind zu tun haben.
Für die gute Loslösung sorgt natürlich erst einmal die Quantität der Beziehung zwischen Vater und Kind. Daran mangelt es oft. Aber es gibt auch qualitative Anteile, die die notwndige Loslösung günstig beeinflussen. Dem Kind muss bewusst sein, dass da ein Vater ist, der immer wieder erreichbar ist, wenn auch nicht jederzeit, der ebenso einfühlsam ist wie die Mutter und der eine Freiheit repräsentiert, die das Kind erreichen möchte. So spielen implizite Einflüsse ein große Rolle, also solche, die dem Kind gar nicht bewusst werden, und vor allem auch das Vorbild an sich. Das muss natürlich gut sein und dem Kind Verlässlichkeit, Sicherheit und Beständigkeit vermitteln. Die Loslösung beginnt in der Regel erst nach dem 1. Geburtstag. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 04.06.2014