Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Kleinkind zieht sich zurück

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Kleinkind zieht sich zurück

Aghlp

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Liebe Frau Henkes Ich schreibe Ihnen, weil mich eine Situation über meinen Sohn (5.5 Jahre) nachdenklich stimmt.  Generell ist er: - hochsensibel, wenn zu viel Besuch da ist, hält er sich die Ohren zu und sagt:‘Was ist das für ein Lärm“  - aktiv, spricht viel - Interessiert, fröhlich - Weiss viel - Gemäss IQ Test beim Psychologen überdurchschnittliche Intelligenz - Sozial oft Probleme: Immer wieder in Streitereien verwickelt - Von den Kindergartenlehrpersonen bekommen wir oft negative Nachrichten, dass es sozial zu schwierig sei Seit klein auf habe ich eine Zimmerstunde eingeführt, was heisst, dass er auf seinem Zimmer sein/ spielen musste für ca. 30 Min. Manchmal weigerte er sich, ich konnte ihn aber immer überreden und er blieb in seinem Zimmer (schaute ein Buch, hörte Hörbücher). Ich war in der Nähe - vielleicht trennten uns 6 Meter.  Die Türe blieb offen und er verweilte da, war aber auch froh, als er wieder ins Wohnzimmer konnze. Die Zimmerstunde tat ihm ab 4 Jahren auch gut, da er oft reizüberflutet ist / war und sich so „erden“ konnte.  Die Zimmerstunde ging dann seitens ihm und mir ein bisschen in Vergessenheit - sodass er eigentlich keine Zimmerstunde mehr machte.    Wir hatten es aber vor ca. 1 Monat wieder thematisiert und er war dann noch 1x gemäss meiner Aufforderung in seinem Zimmer. Nun vor 2 Wochen hat er mich plötzlich überrascht indem er sagte: „Mama ich mache oben eine Zimmerstunde..“ am Anfang war ich noch voller Freude - aber nun ist es so, dass er immer mehr in seinem Zimmer ist. Er ist bis zu 2.5 Stunden am Stück im Zimmer (ist das nicht zu viel für 5 Jahre?), hinzu kommt, dass er nun die Türe zu macht. Heute hat er sogar noch einen Türstopper hinter die Türe gestellt, sodass man von aussen nicht mehr rein gekommen ist. Letzte Woche habe ich ihn zu uns geholt. Er wäre noch länger im Zimmer geblieben.    Manchmal kommt er auch von sich aus zu uns- ist so wie immer (fröhlich, stellt seine Fragen, fragt, ob ich ihm vorlesen kann..) Wenn ich zu ihm ins Zimmer gehe, dann ist er eigentlich zufrieden - spielt mit der Eisenbahn, malt Parkplätze für die Autos oder hört Hörbücher… wenn ich ihn frage, ob ich bei ihm bleiben soll oder ob er gerne alleine sein möchte, sagt er: „Lieber alleine.“    Ich fühle mich schlecht, wenn er so lange alleine sein möchte. Vielleicht hat das auch damit zu tu , dass er uns oft überfordert…er möchte Natur und gesellschaftliche Themen sehr genau wissen - stellt Fragen über Fragen…bis wir am Ende mit unserem Latein sind. Spricht viel, lässt wenig Raum für die Schwester….Dass wir genervt sind, zeigen wir auch oft: „Geh doch lieber spielen…“ „Ich weiss auch nicht alles!“ „Jetzt stellen wir mal keine Fragen!“  Ich weiss, dass das pädagogisch ein Nogo ist, jedoch ist es im Alltag mit 100 anderen Sachen und einem weiteren Kleinkind schwierig.    Wie schätzen Sie seinen Rückzug ein? Ist das für einen 5.5 jährigen adäquat bzw.  Ist das in der Entwicklungspsychlogie eine bekannte Phase?  Oder vermuten Sie, dass unsere Abweisung ihn dazu gebracht hat, uns zu vermeiden?


Ingrid Henkes

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Guten Tag, ich vermute Ihr Sohn hat mit fünf Jahren entdeckt, dass das Alleinesein im Zimmer Vorteile haben kann. Er kann sich in Ruhe auf das konzentrieren, was er tun möchte und wird nicht von der kleinen Schwester gestört. Er wird von Ihnen weniger kontrolliert, wenn er möglicherweise etwas nicht Erlaubtes vorhat. Er muss keine Anforderungen an sein Sozialverhalten erfüllen. Solange Ihr Sohn gut gelaunt in seinem Zimmer spielt, ist die Länge des Rückzugs in Ordnung. Sie sollten den Türstopper entfernen und dafür sorgen, dass er sich nicht einschließen kann. Oft gibt es gute Gelegenheiten zwischendurch mal nachzusehen, wie es einem Kind geht. Suchen Sie einen Vorwand (etwas zu trinken bringen, etwas Wichtiges fragen o.ä.), um zu schauen, wie er gestimmt ist und was er macht. Die vielen Fragen Ihres Sohnes scheinen auf Geschwisterrivalität zu beruhen. Er lässt der Schwester wenig Raum, weil er befürchtet, dass sie ihm seinen Platz in Ihrer Liebe streitig machen könnte. Wenn Sie sein Bedürfnis nach Ihrer Aufmerksamkeit zurückweisen, verstärkt das seine unbewusste Angst, weniger als die Schwester geliebt zu werden. Es könnte in solchen Situationen helfen, wenn Sie Ihrem Sohn vermitteln, dass nicht er etwas falsch macht, sondern dass Sie z.B. gerade zu beschäftigt oder erschöpft sind, um ihm zu antworten. Bieten Sie ihm an, sich später in Ruhe mit ihm hinzusetzen und seine Fragen zu beantworten. Das kann ihm die nötige Sicherheit geben. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


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