Tiffi153
Sehr geehrte Frau Henkes, es kostet mich sehr viel Überwindung Ihnen zu schreiben, da ich befürchte, verurteilt zu werden. Ich verurteile mich selbst. Es gab heute Morgen eine Situation, die mir noch immer in den Knochen steckt. Und ich möchte ganz ehrlich sein. Mein Sohn hat zu Weihnachten eine Tonibox geschenkt bekommen, bei uns sind Medien aufs Geringste reduziert, Fernsehen kennt er nur bei Oma, bei uns läuft er nie. Heute Morgen wollte er über die Tonibox Musik hören, ich habe es ihm erlaubt und ihm mehrmals gesagt, dass wir zum Frühstück ausmachen, er danach weiterhelfen könne. Das Ausmachen habe ich mehrmals angekündigt, es kam nicht plötzlich für ihn. Als ich sagte, er solle Pausemachen und zum Frühstück kommen, hat mein Sohn mich angefallen wie ein wildes Tier. Ich kniff sich in mein Gesicht fest bis ich blutete. Ich sagte ihm mehrmals, dass er loslassen solle, es mur weh tue. Er ließ nicht los. Ich war wütend, traurig, war geschockt und hatte Schmerzen, so dass ich meinen Sohn von mir weghaute.Er fing an zu weinen, ich weinte und sein Bruder, der es beobachtete, weinte ebenfalls. Wir beruhigten uns und waren alle entsetzt über die Eskalation. Mein Sohn sagte gleich zu mir: "Du hast mich gehauen. Das macht man nicht!" Ich sagte ihm, dass er recht habe, das macht man nicht, wir drückten uns und entschuldigten uns beieinander. Ich sagte ihm, wie es bei mir dazu kam, dass es nicht richtig war. Wir haben uns beieinander entschuldigt, gedrückt und gesagt, wie lieb wir uns haben. Ich berichtete auch gleich meinem Mann davon per Telefon. Ich möchte auch, dass mein Sohn heute Abend ihm davon erzählt, damit er nicht das Gefühl hat, er müsse mich jetzt schützen oder so. Nochmals: Das ist normalerweise nicht die Art und Weise wie wir miteinander umgehen. Wir haben uns jetzt entschuldigt, aber es ist natürlich noch nicht gut. Was kann ich tun, was braucht mein Sohn jetzt um das zu Verarbeiten und wie erklären Sie sich den aggressiven Ausbruch?
Guten Tag, ich finde es gut, dass Sie den Mut gefunden haben, mir trotz Ihrer Vorbehalte zu schreiben. Es gibt keinen Grund, Sie zu verurteilen und das sollten Sie auch selbst nicht tun. Im Zusammenleben mit Kindern kann es immer wieder zu Grenzsituationen kommen, in denen Eltern nicht optimal reagieren. Das ist sehr menschlich. Entscheidend für die Verarbeitung einer negativen Erfahrung ist die anschließende Aufarbeitung. Sie waren von dem unvermuteten Angriff Ihres Sohnes überrascht und hatten Schmerzen. Daher haben Sie den aggressiven Impuls Ihres Sohnes aufgenommen und zur Abwehr genutzt, indem Sie ihn geschlagen haben. In solchen extremen Situationen kommt der Selbstschutz vor der eigenen erzieherischen oder moralischen Haltung. Ihr Sohn ist in einem Alter, in dem Kinder ihre aggressiven Impulse kennenlernen und versuchen, sich mit deren Hilfe zu behaupten. Das gehört zu dieser Entwicklungsphase, bis Kinder gelernt haben, ihre aggressiven Strebungen sozial angemessener einzusetzen. Aus der Distanz kann ich nicht einschätzen, warum Ihr Sohn diesen Ausbruch in der beschriebenen Situation hatte. Manchmal werden Dreijährige von solchen Impulsen überrollt und sind ihnen hilflos ausgeliefert. Ich finde, dass Sie den Vorfall mit Ihren Söhnen sehr angemessen geklärt haben. Es ist auch wichtig, dass Sie offen damit umgehen und kein Geheimnis daraus machen, was alle belasten würde. In der Nachbesprechung, z.Bsp. heute mit dem Vater, sollte auch deutlich werden, dass Ihre Reaktion darauf beruhte, dass Ihr Sohn Sie heftig angegriffen hat, ohne dass er dafür Vorwürfe bekommt. Da Ihr Sohn und Sie eine gute Beziehung zueinander haben, wird dieser einzelne Vorfall diese gute Beziehung nicht nicht dauerhaft belasten. Sie müssen das Ereignis nicht weiter ansprechen. Für Ihren Sohn ist es jedoch wichtig, dass Sie darüber sprechen, wenn er es von sich aus anspricht. Sie helfen Ihrem Sohn, wenn Sie in dieser Entwicklungsphase antizipieren, dass er er solche Ausbrüche bekommen kann. Dann können Sie rasch reagieren und ihn sozusagen "vor sich selbst schützen". Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes
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