Noch eine nicht polemisch gemeinte Frage: Sind die Franzosen in ihrer Mehrheit mit Bindungsproblemen belastet?

Dr. med. Rüdiger Posth Frage an Dr. med. Rüdiger Posth Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Frage: Noch eine nicht polemisch gemeinte Frage: Sind die Franzosen in ihrer Mehrheit mit Bindungsproblemen belastet?

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, die Frage beschaeftigt mich, weil wir in diesen Sprachraum ziehen werden: In Frankreich und zu einem gewissen Prozentsatz auch in der franzoesischen Schweiz ist es Usus, sein Kind mit sechs Monaten in eine Creche, bzw. zu einem Childminder zu geben. Muesste das nicht zu einer Haeufung von unsicheren/vermeidenden Bindungen fuehren? Gibt es dazu Studien? Bisher sind mir "die Franzosen" als ein Volk eigentlich immer kinderfreundlicher vorgekommen als die Deutschen und Einzelindividuen auch nicht auffaellig, aber vielleicht achte ich auch nicht auf die richtigen Indizien. Wie gesagt, die Frage ist nicht polemisch gemeint und ich moechte bitte auch keine solche Antwort. Mit freundlichen Gruessen, Ihre Muttimaus

Mitglied inaktiv - 11.09.2003, 16:52



Antwort auf: Noch eine nicht polemisch gemeinte Frage: Sind die Franzosen in ihrer Mehrheit mit Bindungsproblemen belastet?

Hallo, ja das alte Wort, man findet nur das, was man sucht, bewahrheitet sich immer wieder. Und man kann heutzutage sehr geschickt eine Studie so stricken, daß das herauskommt, was man herausfinden will. Daher gibt es vermutlich kein Land auf der Welt, welches bei sich selbst ein schlechtes oder falsches Erziehungssystem nachweist. Das trifft auch auf die Bundesrepublik Deutschland zu. Aber was sind denn Childminder und Creche? Klingt beeindruckend. Heißt wahrscheinlich nur "organisierte Kindermädchen", oder? Also ich mag Frankreich sehr, Land wie Leute. Wenn ich mich das alles immer fragen würde, ... Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 12.09.2003



Antwort auf: Noch eine nicht polemisch gemeinte Frage: Sind die Franzosen in ihrer Mehrheit mit Bindungsproblemen belastet?

Deine Frage finde ich hochinteressant und habe mich oft dasselbe gefragt! Hast Du die "Methoden" der alten DDR-Betreuung im "arte" letztends gesehen? Konnte es kaum anschauen, es krampfte sich mir alles zusammen bei so viel "perfekt durchorganisierter, uniformierter Kinderfeindlichkeit". (z.B. mußten Kinder um ein Kind, das es noch nicht geschafft hatte, trocken zu sein- wohlbemerkt in einem nahezu lächerlichen Alter von 2 Jahren- herumgehen und es lauthals auslachen und "Ätsch, ätsch" machen."- mir standen die Tränen in den Augen!!) Und da sehe ich schon einen Zusammenhang zwischen seelischer Gesundheit/ auffälligen Sozialverhalten und Erziehung... Ich hoffe nicht, daß hier im Forum noch jemand die flächendeckende Kinderabschiebung der DDR propagiert,sonst entschuldige ich mich! LG Hanna

Mitglied inaktiv - 12.09.2003, 16:48



Antwort auf: Noch eine nicht polemisch gemeinte Frage: Sind die Franzosen in ihrer Mehrheit mit Bindungsproblemen belastet?

Hallo Muttimaus, da hast Du Herrn Dr. Posth wohl auf dem falschen Fuß erwischt;-), daher die lakonische Antwort. Es bringt Menschen seiner Denkrichtung in Erklärungsnot. So ganz ernst kann man aber auf Deiner Frage nicht antworten: Natürlich sind nicht alle Franzosen bindungsgestört - weil frühe Fremdbetreuung als Alleinauslöser dafür niemals in Frage kommt. Und Kinderfreundlichkeit und frühe Fremdbetreuung schließt sich nunmal nicht aus, ein Blick nach Frankreich, Norwegen, GB etc genügt. Zu einer Bindungsschwäche gehören viel mehr Faktoren, Familie, peer-group-Erfahrungen etc. Mit Sicherheit wird des bindungsgestörte Franzosen geben, genauso wie bindungsgestörte Deutsche. Nach den Bondingtheorien müßten übrigens alle nichtgestillten, Kaiserschnittkinder beziehungsgestört sein...was das Nichtstillen angeht mag ich dem ja zustimmen;-), dennoch dürften nicht alle deutschen Kinder der Jahrgänge 1969-1978 gestört sein... Und zu Hanna: Ich bin ein großer Freund der Möglichkeit der flächendeckenden Kinderbetreuung, was ist daran so schlecht? Dein Kind muß doch nicht daran teilnehmen. Dass die Erziehungsmethoden der 60er Jahre (BRD und DDR) größtenteils überkommen sind, sollte heute doch common ground sein. Und Vorurteile, wie Du sie propagierst, dienen dazu, dass viele Menschen noch heute Kitas als Aufbewahrungs- und Drillstätten sehen anstatt als die liebevolle Alternative der Kleinkindbetreuung die sie tatsächlich sind. Grüße Anna.

Mitglied inaktiv - 15.09.2003, 13:19



Antwort auf: Noch eine nicht polemisch gemeinte Frage: Sind die Franzosen in ihrer Mehrheit mit Bindungsproblemen belastet?

Fuer die vielen Beitraege! Das hat mich etwas sicherer gemacht. Ich werde mir einfach mal die Kinder anschauen und da, wo die sich wohlzufuehlen scheinen, auch meinen Sohn hingehen lassen, wenn er es mag.

Mitglied inaktiv - 18.09.2003, 13:15