Frage: "Bonding" nach der Geburt - wie wichtig?

Lieber Dr Posth. Eine Frage, die mich interessiert: Wie wichtig (aus wissenschaftlicher Sicht) ist das Bonding unmittelbar nach der Geburt? Man hört immer wieder, dass es gut sein soll aber was sind die Konsequenzen, wenn es nicht stattfindet? Mein Sohn war eine Frühgeburt (sehr plötzliche Spontangeburt in der 33. SSW, Kind munter und gesund) und nach der sehr schönen Entbindung habe ich ihn nur kurz anschauen können, dann war er die nächsten 3.5 Wochen auf der Kinderstation. Gestillt wurde er erst richtig, als er zu uns nach Hause kam. Natürlich trauere ich ein bisschen um die erste Zeit mit ihm aber es geht ihm (jetzt 9 Mon.) und mir sehr gut. Er ist ein sonniges und liebes Kind und die erste Zeit, wo er hauptsächlich im Bettchen lag und nur alle 4 Stunden kurz auf dem Arm war, scheint ihm nichts auszumachen. Spielt diese erste Zeit mit den Eltern also doch keine so große Rolle, oder wie funktioniert das? Danke für die sehr interessante Antworten hier! Ich lerne sehr viel. Grüße Unta

Mitglied inaktiv - 25.08.2008, 08:35



Antwort auf: "Bonding" nach der Geburt - wie wichtig?

Liebe Unta(?), aus rein theoretischer Sicht ist der unmittelbare Mutter-(Vater!)-Kind-Kontakt nach der Geburt sehr wichtig und nachhaltig förderlich für das Urvertrauen und die primäre Bindung. Da Sie Leserin meines Forums sind, haben Sie von mir bestimmt auch keine andere Meinung erwartet. Aber ich bin Realist genug und im Übrigen ja auch langjähriger Kliniker gewesen (incl. Frühgeborenenabteilung und Kinderintensivstation), als dass ich nicht wüsste, dass ein solches Verhalten unmittelbar nach der Geburt nicht der einzige Weg zu solchen Qualitäten ist. Die Natur ist flexibel und findig genug, Mangelsituationen und ungünstige Verläufe bis zu einem gewissen Grade auch im Nachhinein auszugleichen. Die Menschheit hätte sonst nicht überlebt. Aber das ist natürlich keine Rechtfertigung für ein falsches Vorgehen! Das bonding (schreckliches Neudeutsch) ist das Optimun unmittelbar nach der Geburt. Darunter geht es in Abstufungen weiter, ohne dass das endscheidende Ziel der sicheren Bindung sofort verunmöglicht wäre. Aber manche postpartale Depression und manches Stillversagen ließe sich durch das richtige Verhalten nach der Geburt verhindern, den Kreissaal-Teams sei es geklagt. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 27.08.2008