Bindungsverlust

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Bindungsverlust

Hallo, schön, dass Sie hier sind. Ich nutze das gleich mal für meine Frage, die mich sehr beschäftigt. Ich habe einen 7 Monate alten Sohn, den ich über alles liebe. Wir verstehen uns prima und ich - denke zumindest - dass ich es mit ihm gelassen und ruhig angehe, mein Bauchgefühl ist mir ein guter "Ratgeber". Auf die Ratschläge anderer pfeife ich - eigentlich. Doch das Thema Bindung ist ein Thema, das mich echt beschäftigt, bei dem mich die Kommentare/Ratschläge anderer sehr verunsichern.. Bisher habe ich die Bedürfnisse meines Sohnes prompt und zuverlässig erfüllt, ihn nach Bedarf gestillt - tu ich immer noch -, ein Familienbett gebaut (entgegen sämtlicher Unkenrufe), mich Viel mit ihm beschäftigt usw. Ständig musste ich mir anhören, dass ich ihn verwöhne.. *augenroll* Nun fangen die Kommentare der anderen (Familie/Freunde) jedoch an, an mir zu nagen, da sich nun Kommentare hinsichtlich des bevorstehenden Krippenbesuches hinzutun. Es heißt, dass all meine Bemühungen eh umsonst seien, da mein Sohn in die Krippe gehen werde u damit einen Bindungsverlust erleide. Eine befreundete Psychotherapeutin meinte dies auch. Sie klärte mich über Trennungsangst und Objektkonstanz auf (ich musste noch mühevoll nachlesen, um es gänzlich zu verstehen). Kurz - mein Sohn sei mit 15 Monaten (Krippenbeginn) zu jung um diesen unbeschadet in bezug auf die bindung zu meistern. Es lässt mir keine Ruhe. Ich selbst bin mit 6 Wochen (!) in die Krippe gekommen (Erstgeborenenregelung, DDR-Zeiten) und weiß, dass dies definitiv "Schäden" bei mir hinterlassen hat. Ich habe zuerst sämtliche Nahrung verweigert, so dass ich ins KH musste, wo ich dann einen Hospitalismus entwickelte. Dieser gab sich erst, als ich in die Pubertät kam. Ich habe bis heute Verlassenheitsängste. Aufgrund dessen habe ich bereits eine Psychotherapie gemacht. Ich hatte geglaubt, dass es meinem Sohn mit 15 Monaten "gut" gehen würde, wenn er dann mit der Krippe startet und die Zeit davor mit mir verbringt. Nun aber die blöden Kommentare, das Gespräch mit der Psychotherapeuten-Freundin und Nachgelese (Psychotherapeuten sprechen sich für Fremdbetreuung ab 3 Jahren aus - das kriege ich finanziell niemals hin!). Wie sehen Sie denn das? An meinem Text und dessen Länge ist meine Verunsicherung schon deutlich geworden, hm? Vielen Dank vorab!

von Mamminka am 20.02.2018, 08:46



Antwort auf: Bindungsverlust

Liebe Mamminka, das ist eine Frage, zu der es viele Meinungen und wohl keine ideale Lösung gibt. Erst mal muß man sich von starren Zahlen lösen. Es ist einfacher für ein sicher gebundenes Kind mit 15 Monaten, als ein unsicher gebundes mit drei Jahren Trennungen auszuhalten. Es ist wichtig, dass ihr Kind in der Beziehung zu ihnen viel Sicherheit und Vertrauen gefunden hat.Das ist immer und in jedem Alter gut. Er ist damit in einer völligen anderen Situation und Entwicklungsstufe als sie es damals waren. Natürlich ist eine längere Trennung in diesem Alter ein schwieriger Schritt für das Kind, weil es eben keinen klaren Zeitbegriff hat und somit nicht weiß, wie lange sie nicht da sein werden (altersentsprechende Objektkonstanz). Andererseits kann man die anderen Bedingungen (finanzielle Fragen) nicht wegreden. Es gibt nur eine "Familienlösung" . Was können sie tun? Wenn sie finanziell noch etwas Spielraum haben, nutzen sie ihn. Gibt es familiäre Hilfen die besser sein könnten? Ermöglichen sie einen sanften Übergang, bleiben sie anfänglich dabei, damit ihr Kind in ihrer Anwesenheit den neuen Kontakt erstellt. Gestalten sie einen guten Kontakt zu den Erzieherinnen, damit auch sie ein sichereres Gefühl haben, diesen ihr Kind anzuvertrauen. Registrieren sie wie ihr Kind reagiert, wie er mit der Situation umgeht. Und berichten sie ruhig erneut, Entwicklung ist ein Prozess und nur bedingt vorhersehbar.

von Dr. med. Ludger Nohr am 20.02.2018



Antwort auf: Bindungsverlust

Haben Sie vielen Dank für Ihre Expertise. Ihre Antwort beruhigt mich nicht vollends - wie auch -, stimmt mich aber doch etwas hoffnungsvoll. Ich berichte gern wieder. Bis dahin, viele Grüße!

von Mamminka am 22.02.2018, 14:20