Lena1707
Hallo zusammen, ich bin etwas verunsichert und würde gerne eure Erfahrungen hören. Wir hatten kürzlich ein Entwicklungsgespräch in der Krippe. Mein Sohn wird im August drei Jahre alt, und grundsätzlich scheint alles gut zu sein. Motorisch und feinmotorisch ist er sehr fit, seit sechs Wochen braucht er keine Windel mehr, er singt Lieder mit, kann Farben zuordnen und bis 20 zählen. Vor vier Wochen hatte er eine Röhrchen-OP, bei der ihm auch die Polypen entfernt wurden. Sprachlich macht er gerade einen enormen Fortschritt und laut der Logopädin gibt es keine Verzögerungen in seiner sprachlichen Entwicklung. Allerdings wurde mir gesagt, dass er sich sehr leicht ablenken lässt und Schwierigkeiten hat, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Zudem scheint ihn Frustration schnell zu überwältigen, wenn ihm etwas nicht sofort gelingt – besonders, wenn andere Kinder darin besser sind. Mir wurde empfohlen, mit ihm zur Ergotherapie zu gehen. Natürlich werde ich das auch mit dem Kinderarzt besprechen, aber die Einschätzung hat mich etwas beunruhigt. Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht? Ich würde mich über eure Gedanken und Tipps freuen. Liebe Grüße und danke!
Dein Kind ist aktuell noch 2 Jahre alt. Was soll ein Kind in dem Alter denn schon alles können heutzutage? Natürlich lässt sich ein 2jähriger leicht ablenken. Und natürlich kann er seine Gefühle noch nicht 100 %ig steuern. Meiner war mit 4 immernoch frustriert wenn etwas nicht klappte und hat dann Sachen in die Ecke geworfen. Mit Richtung 5 wurde es viel besser. Keine Panik - das wird von alleine besser. Lass Dein Kind noch Kind sein, das ist kein kleiner Erwachsener.
Meine Erfahrung in dem Thema: Du kannst nur zur Ergotherapie, wenn der Kinderarzt die Verordnung schreibt und du einen Platz in einer guten Ergo-Praxis bekommst. Hier bin ich an den Hürden sehr oft gescheitert und habe aufgegeben. Für Logopädie habe ich gekämpft und den Kampf mehrmals gewonnen. Ergotherapie kann man auch ersetzen: draußen sein bei Wind und Wetter, viele Gesellschaftsspiele, Sport, Tiere, ..... Das ist nicht nur meine persönliche Meinung sondern diese Meinung vertreten auch Experten, denen ich begegnet bin. PS. Nicht jedes Kind kann alles können. Es ist normal Stärken und Schwächen zu haben.
In unserer KiTa wird immer so eine Liste durchgegangen. "Bereich A kann ihr Kind schon sehr gut, Bereich B nicht ganz so, aber das ist in dem Alter normal, Bereich C ist ausbaufähig, etc" Also im Sinne von: Keine Beschwerde, kein Problem, sondern nur ein de facto: das kann es halt noch nicht - muss es aber auch nicht. War es bei euch vielleicht ähnlich? Ergo schadet eigentlich nie, also warum nicht.
Ich finde auch, dass die geschilderten Erwartungen an einen nicht mal 3jährigen ganz schön hoch sind. Exakt den selben Fall hatten wir zwar nicht, aber auch eine Empfehlung für Ergotherapie im letzten Kita-Jahr: kann nicht lange still sitzen, leicht ablenkbar, grobmotorisch unsicher, kann sich in Gruppen nicht zurücknehmen... Das kam sowohl von den Erzieherinnen als auch von der Lehrerin, die die Vorschulkinder betreut hat. Die KiÄ hat mit den Schultern gezuckt und ein Rezept ausgestellt. Die Ergotherapeuten haben Tests durchgeführt, ein paar kleinere Defizite festgestellt (völlig im Rahmen) und uns die Entscheidung überlassen, ob sie ein paar Stunden machen, oder wir zu Hause verstärkt Dinge üben. Die Ablenkbarkeit konnte gar nicht getestet werden, da es in der Einzelsituation überhaupt nicht auffällig war. Wir haben einige Stunden machen lassen, hatten dann ein Abschlussgespräch, wonach sich ein paar Dinge schon gebessert haben. Wie gesagt, ein Teil der von der Kita angesprochenen Punkte wurden überhaupt nicht angegangen. Trotzdem hatten wir einen guten Schulstart, und nur positive Rückmeldung von der Lehrerin. Die "bemängelten" Punkte hatten sich ein Jahr später alle von selbst erledigt. Manchmal hat man den Eindruck, dass im Kindergarten "Ergotherapie" das Zaubermittel ist für die nicht komplett pflegeleichten Kinder... Also an eurer Stelle würde ich mit dem KiA sprechen, und wenn er bereit ist, ein Rezept auszustellen, selbst entscheiden. Schaden kann es nicht, aber in dem Alter kann man denke ich auch abwarten und einfach das Kind entfalten lassen. Viel draußen sein, viel selbst machen lassen, Kind ernst nehmen, Umgang mit Gefühlen üben...
"Manchmal hat man den Eindruck, dass im Kindergarten "Ergotherapie" das Zaubermittel ist für die nicht komplett pflegeleichten Kinder..."
Joa, der neue Trend scheint (zumindest bei uns) da Motopädie zu sein. Wem man keine verzögerte Feinmotorik wegen "Junge (4) malt nicht gerne" anhängen kann, braucht die dann wegen der emotionalen Selbstregulation ("Junge (4) ist wild, rauft mit seinen Kumpels" oder "Junge (5) wird wütend/eifersüchtig, wenn andere x dürfen und er nicht"). Das ist auch gut. Dadurch, dass Motopädie keine Kassenleistung ist, bekommt das Kinder da eher einen Platz. Und welche Eltern, die sich das als Privatleistung leisten können, wollen ihrem Kind denn nicht den möglichst besten Start in die Schulzeit bieten?
Es gibt in den letzten Jahren, zumindest mag einem das im Vergleich zu "früher war alles besser" so scheinen, einen Trend dazu, Kinder schon im Kindergarten möglichst "perfekt" haben zu wollen. Da hängt man sich dann in manchen Einrichtungen schon an minimalen Defiziten auf. Die "stören" halt im Gruppenalltag, v.a. bei schlechtem Betreuungsschlüssel. Da sind dann die Kapazitäten nicht da, um ein Kind mal mehr "mitzunehmen" oder auf individuelle Bedürfnisse und Eigenheiten einzugehen. Um die jeweilige Therapie können sich dann die Eltern kümmern, dann sind die Kinder auch gerne mal früher aus der Einrichtung raus (das entlastet die Erzieher*innen) und sie schaden ja auch nicht.
Wir haben K1 (5) jetzt in der Logo, weil der Kindergarten da dringenden Handlungsbedarf sieht... der Kinderarzt zuckte nur mit den Schultern und sagte "Na, wenn die meinen. Inkonsistente Lautfehler verwachsen sich in der Regel mit der Zeit von selbst, aber wenn sie möchten...", die Logopädin sieht das ähnlich, aber das Rezept vom Kinderarzt ist halt da und die Empfehlung vom Kindergarten auch. Das Kind braust durch die Übungen und liebt seine Logopädin (wegen des großen Spieleschranks), die dazu noch 45 Minuten in der Woche sein Ego pinselt und sein Selbstbewusstsein aufbaut, weil er einfach alles direkt so toll kann. Schade nur, dass wir einem Kind, das die Förderung möglicherweise dringender bräuchte, nun "einen Platz wegnehmen".
***
(sorry, ab hier wird es ein Rant das Thema kotzt mich gerade übermäßig an)
Entwicklungsgespräche stehen und fallen mit der Kompetenz der Erzieher*innen. Das ist oft nichtmal die fachliche Kompetenz, sondern auch rein die Kompetenz, Informationen zu transportieren. Nicht jede Erzieherin ist ein Kommunikationstalent. Da kommt ein Punkt auf der (standardisierten) Liste, der bei einem Kind vielleicht noch nicht voll erfüllt ist, aber vielleicht auch noch nicht voll erfüllt sein muss, bei Eltern vielleicht defizitärer rüber, als es gemeint ist.
Dazu noch die oft angespannte Personalsituation (selbst da wo der Betreuungsschlüssel erfüllt wird, wird oft nur verwaltet, weil nebenbei zu viel zu erledigen ist). Wo (zu) viele Kinder betreut werden, fallen einige Kinder mglw. durchs Raster. Oder sie sind eben in Randbereichen auffällig, weil es ihrem Naturell entspricht, das aber in der Einrichtung nicht passend ist. Gerade aktive Jungs, mit einem hohen Bewegungsdrang (dazu vielleicht noch laut und kreativ und im passenden Trüppchen unterwegs) fallen da negativ auf, weil das bei schlechtem Wetter auf 50m² mit 20 Kindern eben (sorry) scheiße ist, weil nervt. Und wenn man dann eh schon seine Pappenheimer hat, dann fällt vielleicht auch nicht mehr so sehr auf, was die eigentlich alles für tolle Talente haben, sondern nur, dass die eben im Puppenraum einen Fight Club eröffnen und nicht am Maltisch für Muddi was basteln. Bastelmädchen sind halt besser, die sind nämlich still und beschäftigen sich selbst. Bei denen muss man keine Sorge haben, dass sie über den Zaun klettern oder gleich auf dem Baum sitzen oder das Klo fluten oder oder oder.
Andererseits haben sicher eben auch schon viele Erzieher Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Da geht die Empfehlung für irgendwas, statt das Kind einfach mal von selbst wachsen und reifen zu lassen, vielleicht schneller von der Hand. Die Stichprobe ist halt größer. Wir kennen unsere Kinder, wir kennen die Kinder unseres Verwandten- und Bekanntenkreises, wir haben (als "nur" Eltern) alle eine relativ kleine Vergleichsgruppe. Darunter sind dann oft Kinder, die unserem ähnlich sind, weil die eben z.B. gerne zusammen spielen. Erzieher mit 20/30/40 Jahren Berufserfahrung, haben vielleicht hunderte Kinder zum Vergleich. Darunter ist bestimmt mindestens eins, dass auch X gemacht hat und bei dem am Ende Y auf dem Zettel stand. Da schrillen Alarmglocken vielleicht früher. Man darf dabei nur nicht vergessen, dass Fehlalarme häufig sind und dass es nicht immer zwingend brennt, nur weil man Rauch riecht. Da fällt es vielleicht der einen oder anderen Fachkraft schwer, mal einen Schritt zurück zu treten und ein Kind einfach mal machen zu lassen. Und, sorry, manche Erzieher überschreiten da einfach auch ihre Kompetenzen und glauben, durch ihre abgeschlossene Ausbildung sind sie gleichzeitig auf Fachärzte für Pädiatrie oder fertig ausgebildete Kinderpsychologen, "weil sie das Kind ja den ganzen Tag sehen" und es darum besser wissen (müssen).
Plus, jedes Kind, das wegen Logo/Ergo/Moto/Turnen/Tanzen/... früher geht, ist eine Entlastung. In einer Mittelschicht-Einrichtung, in der die Eltern wirklich alle nur den best möglichen Start ins Leben für ihre Kinder wollen, bekommt man Eltern mit sowas halt dann schnell. Da ist eine "Turngruppe fürs Selbstbewusstsein" schnell gefunden oder "man könnte mal" schnell empfohlen. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Aber Gras wächst weiter, während man zieht. Kinder im Kindergartenalter entwickeln sich so schnell. Natürlich verbessern sich da Dinge, während sie in irgendeiner -pädie sind. Man hat dann halt in dem Moment nur kein Vergleichskind und kann nicht schauen, was passiert wäre, wenn man dem Kind einfach die Zeit gegeben hätte.
2jährige lassen sich leicht ablenken. Sie sind 2. 2jährige haben die Aufmerksamkeitsspanne eines hyperaktiven Eichhörnchens. Sie sind 2. V.a. Emotionsregulierung/Frustrationstoleranz entwickeln Kinder erst im Alter ab 4 oder 5. AB! Und dann eben auch nicht alle gleich, so wie nicht alle zum gleichen Zeitpunkt laufen/sprechen/Treppen steigen/schwimmen/Rad fahren... Frustrationstoleranz ist etwas, das sich bis ins Schulalter entwickelt! Wir reden da vom Erlernen von Grenzen, weil das Verständnis da ist, dass andere Menschen etwas anders wahrnehmen als man selbst. Das Kind muss erst lernen, sich in die Perspektive eines anderen Menschen hineinzuversetzen und seine eigenen Gefühle und Wünsche entsprechend zu regulieren. Ich möchte behaupten, das können 99,9% aller 2jährigen nicht. Und es ist absolut altersangemessen, das nicht zu können. Wenn das Kind motorisch und feinmotorisch fit ist und allgemein nicht auffällig... meine Güte, dann darf man ein Kind auch einfach erstmal Kind sein lassen. Vielleicht kristallisiert sich mit der Zeit raus, dass man irgendwo was angehen könnte. Dann tut man das sinnvollerweise spätestens im Jahr vor der Einschulung. Da Wartezeiten in vielen Gegenden lang sind (wir haben fast ein Jahr auf die Logo gewartet), kann man sowas dann entsprechend mit Vorlauf schonmal angehen. Aber man muss mit 2(!) auch nicht versuchen, schonmal jede Kleinigkeit aus einem Kleinkind(!) rauszutherapieren. Ein Auge drauf haben, sicher. Nicht aus dem Blick verlieren, ob in Teilbereich F nicht vielleicht was sein könnte, okay. Das Kind ist (noch) 2. Und auch danach ist es erst 3. Das ist ein Alter, in dem wir unsere Kinder liebevoll durch die - völlig normale - Autonomiephase begleiten (und zwar noch die nächsten zwei/drei/vier Jahre) und uns bei gesunden Kindern erstmal keine größeren Gedanken drum machen sollten, ob andere Kinder vielleicht schon ein 20 Teile Puzzle lösen oder ein Bild mit vier Farben malen oder im Morgenkreis zwei Minuten länger stillsitzen können. Tief durchatmen und das Kind erstmal machen lassen (heißt ja nicht, dass man die Sorge der Kita nicht beim Kinderarzt anspricht und gemeinsam ein Auge drauf hält, nur eben nicht zu hoch hängen, man muss nicht jedes Kind zwingend mit irgendwas diagnostizieren).
Stimme dir komplett zu. Genauso wie du es beschreibst, ging es uns auch: hin- und hergerissen zwischen "Wir müssen unserem Kind den bestmöglichen Schulstart ermöglichen" und "Eigentlich blockieren wir den Platz für ein Kind, das es wirklich nötig hätte." Die Erzieherinnen sehen das Kind zwar "den ganzen Tag", aber sie sehen es immer nur in der Situation "Kindergarten", die nicht unbedingt einer natürlichen Umgebung entspricht: 2 Erwachsene auf 20 Kinder, auf engem Raum und mit lauter Regeln, die natürlich notwendig sind, damit es überhaupt funktioniert, aber wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder nehmen. Die Punkte, die an meinem Kind "bemängelt" wurden, sind einfach aus seiner Persönlichkeit entsprungen, die die Erzieherinnen nie im Ganzen kennengelernt haben. Sie sahen nur den Teil, der im System Kindergarten zu Reibereien geführt hat.
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