Guten Tag Herr Dr Paulus
Bei mir wurde gestern eine sehr starke Angststöhrung diagnostiziert.
Ich wurde sofort auf das Medikanent Cipralex eingestellt. Erste Woche 5 mg, 2/19, 3/15, 4/20 mg.
Mein Sohn ist fast 20 Monate alt und wir stillen noch: morgens, nachmittags gegen 17.00, manchmal nochmals 18.00, und zum Einschlafen.
Meine Ärztin (wir leben in Südafrika) hat mir mitgeteilt, dass ich ohne weiteres weiterstillen kann. Cipralex ist das führende Medikament gegen meine Ängste auf dem Markt und es gibt viele Muttis, die weiterstillen. Der in der Brustmilch angelangende Wert des Medikaments ist sehr gering und nicht schädlich für mein Kind.
Ich würde mir gerne Ihre Meinung als Zweitmeinung einholen.
Ich mache mir sehr viele Vorwürfe bezüglich dieser misslichen Lage.
Lieben Dank,
Kristina Bauer
von
KristinaBauer
am 19.09.2014, 09:30
Antwort auf:
Cipralex
Bei Escitalopram handelt es sich um das linksdrehende Enantiomer von Citalopram.
Unter einer Tagesdosis von 10 bis 20 mg wurde bei acht stillenden Müttern ein Übergang des Wirkstoffes Escitalopram bzw. seines Metaboliten Desmethylcitalopram auf den Säugling in einer Größenordnung von 3,9% bzw. 1,7% der mütterlichen Dosis registriert. Damit lag die kindliche Belastung um ca. 40% niedriger als bei vergleichbarer mütterlicher Behandlung mit Citalopram. Die acht Kinder entwickelten sich bei mütterlicher Therapie zwischen 23 und 240 Tagen unauffällig (Rampono et al 2006).
Eine Mutter stillte ihren Säugling unter täglicher Einnahme von Escitalopram 20 mg und Reboxetin 4 mg. Die über 24 Stunden gesammelten Milchproben ergaben eine gewichtsadaptierte kindliche Exposition Dosis von 4,6% der mütterlichen Dosis. Der Säugling wies im Alter von 9 ½ Monaten eine normale Entwicklung bezüglich Gewicht und neurologischem Status auf (Hackett et al 2006).
Einer stillenden Mutter wurde wegen beginnender Depression drei Wochen nach der Geburt zunächst 10 mg Escitalopram, später 20 mg pro Tag verabreicht. Im Alter von 4 Monaten wurde der Säugling wegen Übererregbarkeit, Erbrechen und Fieber in die Kinderklinik eingewiesen. Die Mutter gab anhaltendes Schreien bereits in den drei vorangegangenen Monaten und eine Gewichtszunahme von lediglich 400 g nach der Geburt an. Laborchemisch stellte man einen moderaten Anstieg der Leberenzyme fest. Nach Reduktion der Stillmahlzeiten normalisierte sich das Befinden des Säuglings sowie der Laborwerte. Die Autoren sehen einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Einnahme von Escitalopram und den kindlichen Beschwerden (Merlob 2005).
Eine andere Kasuistik beschreibt eine unauffällige kindliche Entwicklung unter mütterlicher Therapie mit Escitalopram 20 mg pro Tag ab dem 15. Tag nach Geburt. Die kinderärztliche Untersuchung im Alter von drei Monaten ergab keine Auffälligkeiten des voll gestillten Säuglings (Gentile 2006).
Nach mütterlicher Therapie mit Escitalopram 20 mg pro Tag während Schwangerschaft und Stillzeit wurde ein Säugling im Alter von 5 Tagen wegen nekrotisierender Enterocolitis in die Kinderklinik aufgenommen. Die Autoren sehen einen Zusammenhang mit der Beeinflussung der Thrombozytenaggregation durch Escitalopram (Potts et al 2007).
Eine Kasuistik berichtet von einem übererregbaren Säugling, der jeweils zwei Stunden nach dem Anlegen (5 bis 6 Stunden nach mütterlicher Einnahme von Escitalopram) schrill schrie. Bei Veränderung des Einnahmezeitpunktes verschob sich auch der Zeitraum der Schreiphase um denselben Zeitabstand. Die kindlichen Symptome verschwanden mit zunehmendem Ersatz der Stillmahlzeit durch Flaschennahrung (Schaefer et al 2009).
Bei nur noch teilweisem Stillen sollten unter Escitalopram keine schwerwiegenden Komplikationen bei einem 20 Monate alten Säugling auftreten.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 20.09.2014