Frage: Escitalopram

Hallo, ich habe bereits vor 7 Monaten entbunden, hoffe aber das Sie mir trotzdem meine Frage beantworten. Ich nehme seit Anfang 2015 Escitalopram 20 mg. Die Tabletten habe ich aufgrund einer Zwangserkrankung verschrieben bekommen. Zuletzt war es so schlimm dass eine Angststörung und mittelschwere Depression die Folge waren. Ich habe aber eine Therapie gemacht und bin seit Mitte 2015 beschwerdefrei und stabil. Die Ss kam überraschend. Mein Mann und ich haben 3 Jahre zuvor versucht erfolglos ein Baby zu bekommen. Ich hätte es mir anders gewünscht wegen den Medikamenten....Mir wurde seitens meines Neurologen empfohlen aufgrund meiner Stabilität die Tabletten während der Ss weiterzunehmen. Ich habe dies auch getan, 10mg morgens, 10 mg abends. Gott sei Dank hat mein Kind keinerlei Probleme während und auch bisher nach der Schwangerschaft durch die Medikamente bekommen. Ich Stille sie ( nach Absprache) z.Zt auch noch. Nicht mehr voll, da wir teilweise schon Beikost eingeführt haben. Meine Frage ist nun ob Escitalopram in irgendeiner Weise das Verhalten, die Entwicklung meines Kindes beeinflussen kann? Ich habe ein schlechtes Gewissen wegen der Einnahme und möchte, dass sie sich so entwickeln kann wie sie es unter " normalen Umständen " auch getan hätte. Unsere Maus ist ein fröhliches, neugieriges aber auch sehr ruhiges Kind. Ich frage mich ob diese " Ruhe, Ausgeglichenheit" in irgendeiner Form durch die Tabletten hervorgerufen werden kann? Entschuldigen Sie bitte diese Frage, aber vielleicht können Sie mich ein bisschen beruhigen. Ich bin kein Mediziner und weiß nur grob wie ein AD zu wirken hat.

Mitglied inaktiv - 16.06.2017, 10:18



Antwort auf: Escitalopram

Bei Escitalopram handelt es sich um das linksdrehende Enantiomer von Citalopram. Unter einer Tagesdosis von 10 bis 20 mg wurde bei acht stillenden Müttern ein Übergang des Wirkstoffes Escitalopram bzw. seines Metaboliten Desmethylcitalopram auf den Säugling in einer Größenordnung von 3,9% bzw. 1,7% der mütterlichen Dosis registriert. Damit lag die kindliche Belastung um ca. 40% niedriger als bei vergleichbarer mütterlicher Behandlung mit Citalopram. Die acht Kinder entwickelten sich bei mütterlicher Therapie zwischen 23 und 240 Tagen unauffällig (Rampono et al 2006). Eine Mutter stillte ihren Säugling unter täglicher Einnahme von Escitalopram 20 mg und Reboxetin 4 mg. Die über 24 Stunden gesammelten Milchproben ergaben eine gewichtsadaptierte kindliche Exposition Dosis von 4,6% der mütterlichen Dosis. Der Säugling wies im Alter von 9 ½ Monaten eine normale Entwicklung bezüglich Gewicht und neurologischem Status auf (Hackett et al 2006). Einer stillenden Mutter wurde wegen beginnender Depression drei Wochen nach der Geburt zunächst 10 mg Escitalopram, später 20 mg pro Tag verabreicht. Im Alter von 4 Monaten wurde der Säugling wegen Übererregbarkeit, Erbrechen und Fieber in die Kinderklinik eingewiesen. Die Mutter gab anhaltendes Schreien bereits in den drei vorangegangenen Monaten und eine Gewichtszunahme von lediglich 400 g nach der Geburt an. Laborchemisch stellte man einen moderaten Anstieg der Leberenzyme fest. Nach Reduktion der Stillmahlzeiten normalisierte sich das Befinden des Säuglings sowie der Laborwerte. Die Autoren sehen einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Einnahme von Escitalopram und den kindlichen Beschwerden (Merlob 2005). Eine andere Kasuistik beschreibt eine unauffällige kindliche Entwicklung unter mütterlicher Therapie mit Escitalopram 20 mg pro Tag ab dem 15. Tag nach Geburt. Die kinderärztliche Untersuchung im Alter von drei Monaten ergab keine Auffälligkeiten des voll gestillten Säuglings (Gentile 2006). Nach mütterlicher Therapie mit Escitalopram 20 mg pro Tag während Schwangerschaft und Stillzeit wurde ein Säugling im Alter von 5 Tagen wegen nekrotisierender Enterocolitis in die Kinderklinik aufgenommen. Die Autoren sehen einen Zusammenhang mit der Beeinflussung der Thrombozytenaggregation durch Escitalopram (Potts et al 2007). Eine Kasuistik berichtet von einem übererregbaren Säugling, der jeweils zwei Stunden nach dem Anlegen (5 bis 6 Stunden nach mütterlicher Einnahme von Escitalopram) schrill schrie. Bei Veränderung des Einnahmezeitpunktes verschob sich auch der Zeitraum der Schreiphase um denselben Zeitabstand. Die kindlichen Symptome verschwanden mit zunehmendem Ersatz der Stillmahlzeit durch Flaschennahrung (Schaefer et al 2009). Grundsätzlich ist die Gabe von Escitalopram in möglichst moderater Dosis durchaus mit dem Stillen vereinbar, zumal Sie ja nur noch teilweise stillen. Das eher ruhige Verhalten Ihres Kindes dürfte wohl nicht auf die Einnahme von Escitalopram zurückzuführen sein.

von Dr. Wolfgang Paulus am 18.06.2017