Sehr geehrter Herr Dr. Paulus,
mein Kardiologe meinte bzgl. der Herzmedis und der RR medis ich soll meinen Gyn fragen. Die wiederum sagte mir ich soll den Kardiologen fragen.. der ist aber jetzt in Urlaub.
Wegen dem Fluoxetin geht mein Psychiater nach der Packungsbeilag und meinte ich soll die ruhig weiternehmen. Nur nach der Entbindung nicht stillen.
Können die Medis dem Baby schon geschadet haben ??
LG
Nicole
Mitglied inaktiv - 03.07.2009, 11:10
Antwort auf:
Delix, Concor, Fluoxetin
Unter den blutdrucksenkenden Wirkstoffen, die das Angiotensin konvertierende Enzymsystem hemmen, sind Captopril und Enalapril am besten untersucht. Probleme traten vor allem bei Fortsetzung der Medikation im 2. und 3.Schwangerschaftsdrittel auf. Dabei wurden Fälle von Oligohydramnion (geringe Fruchtwassermenge), Hypoplasie der Schädelknochen, Niereninsuffizienz bis hin zur dialysepflichtigen Anurie (Ausbleiben der Urinproduktion) sowie intrauterine Fruchttode beobachtet. Ähnliche Auffälligkeiten lassen sich auch im Tierversuch erkennen.
Tritt eine Schwangerschaft unter Behandlung mit ACE-Hemmern (z. B. Ramipril) ein, sollte daher auf eines der bewährten Hochdruckpräparate (z. B. Methyldopa) umgestellt werden.
Da in letzter Zeit auch Komplikationen durch Anwendung von ACE-Hemmern im ersten Schwangerschaftsdrittel diskutiert wurden, wäre eine rasche Umstelllung der Medikation auf Methyldopa vorzuziehen.
Das Collaborative Perinatal Project konnte bei Behandlung mit Hydrochlorothiazid im 1.Schwangerschaftsdrittel keinen Anstieg der Fehlbildungrate nachweisen. Wegen einer möglichen Verschlechterung der Durchblutung von Gebärmutter und Plazenta sollte jedoch im späteren Schwangerschaftsverlauf auch auf diesen Wirkstoff verzichtet werden.
Unter den Betablockern sollten vorrangig die älteren ß1-spezifischen Präparate wie Metoprolol (Tagesdosis: bis 200 mg/d) verwendet werden. Berichte über intrauterine Wachstumsretardierung (kindlicher Wachstumsrückstand) unter Therapie mit Betablockern sind kritisch zu betrachten, da dies auch durch die Grunderkrankung (z. B. art. Hypertonie) bedingt sein kann. Da Betablocker plazentagängig sind, können sie beim Neugeborenen Bradykardie (niedrige Herzfrequenz), Hypotonie (niedriger Blutdruck) und Hypoglykämie (niedriger Blutzucker) auslösen. Die meist nur milden Symptome, die innerhalb der ersten 48 Stunden nach Geburt verschwinden, erfordern lediglich eine aufmerksame Überwachung des Neugeborenen. Ein Absetzen der Medikation 24 bis 48 Stunden vor Entbindung ist nicht erforderlich.
Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko aufgrund der Medikation ist angesichts der aktuellen Datenlage unter Bisoprolol nicht zu erwarten; allerdings wäre die Behandlung mit Metoprolol in der Schwangerschaft erprobter.
In einer Kohortenstudie eines Beratungszentrums zeigte sich nach Exposition mit Fluoxetin unter 101 Neugeborenen kein Anstieg der Fehlbildungsrate (Chambers et al 1996). In einer weiteren Kohortenstudie ergab sich bei 98 Schwangeren ebenfalls kein Zusammenhang zwischen der Anwendung von Fluoxetin im I.Trimenon und kongenitalen Anomalien (Pastuszak et al., 1993). In einer Sammlung von 67 Neugeborenen nach intrauteriner Exposition mit Fluoxetin fanden sich 4 unterschiedliche Anomalien (McElhatton et al., 1996).
Eine Häufung von Fehlbildungen ließ sich weder bei 37 Schwangerschaften erkennen, die während klinischer Studien eingetreten waren, noch bei 658 Schwangerschaften, die nach Exposition im I.Trimenon prospektiv verfolgt werden konnten (Goldstein & Marvel, 1993; Goldstein et al., 1997a). Unter 109 Schwangerschaften mit Fluoxetin-Medikation im I.Trimenon fanden sich lediglich 2 Fehlbildungen (Rosa, 1995).
Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster be-obachtet. In diesem Kollektiv sind 926 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Fluoxetin enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 3,9% keinen Anlass zur Beunruhigung (Kallen & Otterblad Olausson 2007).
Allerdings traten in einem Kollektiv von 73 im letzten Trimenon exponierten Kindern vermehrt Frühgeburten und Anpassungsstörungen auf (Chambers et al., 1996). Die Frühgeburtlichkeit mag jedoch auch mit anderen Faktoren wie z. B. der psychischen Verfassung der Patientinnen zusammenhängen (Goldstein et al., 1997b).
Mehrere Fälle von Zittrigkeit und Erregbarkeit von Neugeborenen nach Anwendung von Fluoxetin in der Spätschwangerschaft wurden gemeldet (Goldstein, 1995). Entzugssymptome fielen auch bei einem Frühgeborenen auf (McElhatton et al., 1996). Wachstum, neurologische Entwicklung und Verhalten von 55 intrauterin im I.Trimenon exponierten Kindern unterschieden sich im Alter von 16 bis 33 Monaten nicht von einem Kontrollkollektiv (Nulman & Koren, 1996; Loebstein & Koren, 1997; Nulman et al., 1997).
In einer prospektiv kontrollierten Studie aus unserem Netzwerk ENTIS (European Network of Teratology Information Services) wird in einem Kollektiv von 314 Schwangerschaften unter Medikation mit Fluoxetin eine leicht erhöhte Rate für Herzfehler diskutiert (Diav-Citrin et al 2008).
Grundsätzlich wäre eine Fortsetzung der Medikation mit Fluoxetin in moderater Dosis vertretbar. Als Alternative bieten sich die verwandten Wirkstoffe Sertralin und Citalopram an.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 04.07.2009