Frage: Neugeborenes stillprobleme

Liebes Beratungs-Team, Unsere 2. Tochter wurde vor 7 Tagen bei einer geplanten hausgeburt entbunden. Der erste Tag und die erste Nacht waren noch relativ ruhig. Jetzt befinden wir uns allerdings im Moment in einem Kreislauf aus dauerstillen und unruhig schlafen. Die kleine wacht auf, stillt Max 10 Minuten und döst dabei weg. Dann wickeln wir und stillen nochmal wobei sie wieder wegdöst. Dann wird sie kurz wach - oder auch nicht - schaut sich um und muss zum einschlafen wieder stillen. Das dauert ca 1h bis 1h15. Dann schläft sie 40 min bis 2,5h und weint aber oft im Schlaf oder sucht die Brust. Dann geht das ganze von vorne los. Lt Kinderarzt ist alles in Ordnung und nur minimal Gelbsucht. Letzte Nacht war zb alle 30 Minuten Geknötter und weinen, das auch dann auch ewig zieht wenn ich abwarte. Wenn ich stille, immer wenn geknottert wird, habe ich das Gefühl sie ist auch nicht glücklich und will eigentlich nur nuckeln und keine Milch. Wenn sie mal 30 min geschlafen hat, dann mit weinen dazwischen. Schwierig ist für uns, dass in den frühen Morgenstunden die große Schwester Zu uns kommt und dann auch aufwacht wenn ständig laut ist. Teilweise fährt sie nur hektisch mit dem Mund vir dem Busen hin und her, wenn sie in der letzten Stunde schon häufig gestillt hatte. Wir befinden uns irgendwie in einem schwammigen Zustand, in dem ich nicht mehr weiß ob sie schon müde ist oder noch nicht oder ob sie an die Brust möchte oder eben nicht und ih sie sogar aufwecke. Haben sie einen Rat für mich, wie ich hier mehr Ruhe reinbringen kann? Lieben Dank

von Tapper510 am 19.06.2019, 13:13



Antwort auf: Neugeborenes stillprobleme

Liebe Tapper510, das„Marathonstillen“ ist in diesem Alter so weit verbreitet, dass es als „normal“ angesehen werden sollte. Der Fachausdruck dafür lautet „Cluster Feeding“. So kleine Babys wollen häufig, aber vor allem in unregelmäßigen Abständen gestillt werden und fast alle Babys haben eine Tageszeit, zu der sie fast ununterbrochen an der Brust trinken (oder auch nur nuckeln) wollen. Das Marathonstillen kann für Sie sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Wird in dieser Situation zugefüttert, wird der Brust kein erhöhter Bedarf signalisiert und die Milchmenge kann sich auch nicht auf den erhöhten Bedarf einstellen. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird gestört und es kann der Beginn eines unfreiwilligen Abstillens sein. Darum raten wir erst dann zur Gabe von künstlicher Milch, wenn keine andere Maßnahme geholfen hat - oder das Kind deutlich zu wenig zugenommen hat! Die Vorstellung, dass die Brust (ähnlich wie eine Flasche) nach dem Stillen leer ist und erst wieder aufgefüllt werden muss, ist so nicht richtig. Zwar wird zwischen den Stillmahlzeiten Milch produziert, der Hauptanteil der Milch wird jedoch erst während des Stillens gebildet. Das Saugen des Kindes gibt das entsprechende Signal zur Milchbildung, der Milchspendereflex wird dann ausgelöst. Deshalb ist es auch falsch zwischen den Stillmahlzeiten eine längere Pause einzulegen, damit sich die Milch in der Brust sammelt, sondern es muss häufiger angelegt werden, um die Milchmenge zu steigern. Es ist also gut, wenn Ihr Baby lange an der Brust ist, auch wenn es nur nuckelt. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Baby eher nur saugen möchte, können Sie über einige Zeit nur eine Brust anbieten. Ich kann Ihnen gerne empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen oder zumindest einmal mit einer Stillberaterin in ihrer Nähe ein direktes Gespräch (auch am Telefon) zu führen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem werden Sie sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie Ihr kleines Menschlein. Adressen von Stillberaterinnen finden Sie im Internet unter: http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC). LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 19.06.2019