Guten Morgen Dr. Posth,
ich muss nochmals um Ihren Rat bitten: mein Großer (2 3/4 J.) "verteidigt" vehement seine Spielsachen dem Kleinen (8 M.) gegenüber. Sobald der Kleine auch nur ansatzweise eine der Spielsachen des Großen in der Hand hält, reißt er ihm selbige aus der Hand. Aber auch die Spielsachen, die dem Kleinen "gehören". Diese Verteidigungshaltung nimmt immer stärker zu.
Ist es normal/tolerabel? Oder kann ich ihm das Teilen "beibringen"? Oder soll ich prinzipiell ganz strikt zwischen seinen Spielsachen und den Spielsachen des Kleinen trennen?
Schüchternheit des Großen Fremden gegenüber: Er schaut prinzipiell fremden Menschen nicht in die Augen oder ins Gesicht, selbst wenn er direkt angesprochen wird oder etwas erhält. Soll ich ihm "anerziehen", dass er zumindest ganz kurz einen Blickkontakt aufbaut, wenn er angesprochen wird?
Woran liegt diese Schüchternheit Fremden gegenüber?
Danke und beste Grüße
Jacky
Mitglied inaktiv - 12.12.2005, 10:44
Antwort auf:
Teilen; Schüchternheit
Liebe Jacky, Sie schildern zwei Verhaltensweisen Ihres Sohnes, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, bei Kenntnis der Entwicklungspsychologie des Kindes aber sehr wohl. Die entstandene Schüchternheit Ihres 2 3/4jährigen "Großen" ist auf noch bestehende Selbstunsicherheit zurückzuführen. Der Loslösungprozeß und die positive Selbstattributierung haben es noch nicht geschafft, ihm ausreichend Selbstsicherheit zu vermitteln. Daher besteht ein regelrechter "Hunger" nach positiven Selbstattributen. Solche positiven Selbsteinschätzungen oder Attributionen gewinnen Kinder aus erfolgreich ausgeführten Handlungen und aus Belobigungen, aus dem Gefühl sicher gebunden und von den Eltern um ihrer selbst geliebt willen zu sein, aus sozialen Erfolgen (die ihm fehlen) und z.B. auch aus materiellen Besitz, wie Spielsachen etc., die nur dem Kind selbst gehören und keinem anderen. Der kleine Bruder ist hier der (natürliche) Rivale, dem das Anrecht auf den eigenen Besitzt streitig gemacht werden muß. Das führt zu dem Streit, der Sie stört. Er ist aber unvermeidbar, wie Sie jetzt sehen. Sie können nur schlichtend eingreifen und die Kampfhähne mit Überredungskunst auseinander bringen. Abgeben oder Teilen ist in diesem Alter noch nicht drin und unter den geschilderten Umständen schon gar nicht. Das einzige, was gut funktioniert, sind Tauschvorgänge, die von Ihnen freundlich geleitet werden müssen. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 13.12.2005