Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Schilddrüsenüberfunktion

Frage: Schilddrüsenüberfunktion

Julirose

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Hallo, ich war gerade beim Arzt und der teilte mir mit, dass meine Schilddrüse zu stark arbeitet. Weitere Blutuntersuchungen werden nun gemacht und ich erhalte die Ergebnisse nächste Woche. Nun meine Frage. Zuviel arbeiten heißt doch "Überfunktion" oder? Kann ich jetzt getrost bis nächste Woche weiterstillen ( mein Sohn ist 4 Mon) oder soll ich damit jetzt aufhören, damit ich ihm nicht schade? Weiterhin sagte sie etwas von einem Szintigramm, welches ich evtl. machen lassen soll. Jetzt hab ich im I-net ein bisschen recherchiert und hier wird teilweise sogar von Kontaktverbot mit dem Säugling berichtet. Ich will dieses auf alle Fälle vermeiden, kann man nicht durch andere Methoden die Schilddrüse untersuchen? Einen Ultraschall hat die Ärtzin heute schon gemacht um Knoten auszuschließen. Ich bitte um Rat, bin jetzt echt sehr ängstlich und dempri. Vielen Dank.


Biggi Welter

Biggi Welter

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Liebe Julirose, bleib ganz ruhig, eine Schilddrüsenüberfunktion kann auch in der Stillzeit behandelt werden. Ich zitiere aus "Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit" Schaefer, Spielmann, Vetter 7. Auflage 2006: Thyreostatika Erfahrungen. Zu den Thyreostatika zählen Carbimazol (z. B. Carbimazol Hexal®), Propylthiouracil (z. B. Propycil®), Thiamazol (= Methimazol, z.B. Favistan®) und Natriumperchlorat (Irenat®). Carbimazol wird zu Thiamazol als aktivem Metaboliten verstoffwechselt. Carbimazol und Thiamazol besitzen einen M/P-Quotienten von etwa 1. Unter täglich 40 mg Carbimazol wurden Konzentrationsspitzen des Methimazol von 0,72mg/l Milch gemessen (Cooper 1984). Daraus errechnet sich eine relative Dosis für Carbimazol von maximal 27% für Jen gestillten Säugling, im Durchschnitt sind jedoch nur 2-10% der jewichtsbezogenen Dosis anzunehmen (Übersicht in Bennett 1996). Unter 5 mg/Tag Thiamazol konnten maximal 65 µg/l Milch gemessen werden. Ein Säugling erhält demnach täglich bis zu 9,8 µg/kg. Das entspricht etwa 12% der mütterlichen Dosis pro kg Körpergewicht. Im Plasma eines gestillten Zwillingspärchens wurde Thiamazol mit 45 und 53 µg/l im subtherapeutischen Bereich gefunden. Die Kinder zeigten keine Symptome, ihr Schilddrüsenstatus war unauffällig (Rylance 1987). Von 46 gestillten Kindern, deren Mütter einen Monat lang 20 mg Methimazol und von 42, deren Mütter zunächst 30 mg täglich einnahmen und dann bis auf eine Erhaltungsdosis von 5-10 mg reduzierten, wiesen alle gleich bleibend normale T3-, T4- und TSH-Werte auf (Azizi 2002). Nicht nur altersentsprechende Schilddrüsenparameter, sondern auch eine normale psychomotorische Entwicklung bis zum Alter von 49 bis 86 Monaten wurden beobachtet (Azizi 2003). Bei Behandlung mit 400 mg Propylthiouracil wurden in der Muttermilch maximal 0,7 mg/l gefunden. Das sind für den Säugling in 24 Stunden höchstens 0,1 mg/kg, also 1,5% der mütterlichen gewichtsbezogenen Dosis. Der M/P-Quotient liegt bei 0,1 (Kampmann 1980). In älteren, methodisch unzureichenden Untersuchungen wurden M/P-Werte von 12 beschrieben. Eine neuere Untersuchung an elf Kindern, deren Mütter täglich 300-750 mg einnahmen, erbrachte erhöhte TSH-Werte bei zwei Kindern 7 Tage nach der Geburt. Diese normalisierten sich jedoch trotz gleich bleibender oder erhöhter mütterlicher Dosis. Es wurde kein Zusammenhang zwischen der mütterlichen Dosis und dem mütterlichen Schilddrüsenhormon fT4 einerseits und dem kindlichen TSH andererseits gefunden. Die Autoren sehen auch bei der höchsten Tagesdosis kein Risiko für das gestillte Kind (Momotani 2000). Natriumperchlorat ist ein Reservethyreostatikum. Es blockiert die Schilddrüse durch Verdrängung des Iod und wird bei szintigraphischen Untersuchungen anderer Organe mit radioaktiv markiertem Iod verwendet. Durch Perchlorat wird auch der Iodtransport in die Brust gehemmt (Janssen 2001), denn das laktierende Brustgewebe kann Iod anreichern. Erfahrungen zur Stillzeit liegen nicht vor. Empfehlung für die Praxis: Propylthiouracil ist Thyreostatikum der ersten Wahl in der Stillzeit. Thiamazol und Carbimazol können auch eingenommen werden, insbesondere wenn die tägliche Erhaltungsdosis 10 mg nicht überschreitet. Wenn Thiamazol oder Carbimazol in einer höheren Dosierung gegeben werden, oder die Dosis von Propylthiouracil im oberen therapeutischen Bereich liegt, sollten nach etwa 3 Wochen die Schilddrüsenparameter des Säuglings kontrolliert werden. Schilddrüsenhormone dürfen nicht zusammen mit Thyreostatika gegeben werden, da hierdurch eine höhere Dosierung der Thyreostatika erforderlich wird. Natriumperchlorat soll in der Stillzeit nicht genommen werden. Als erstes sollte abgeklärt werden, ob tatsächlich ein Szintigramm geschrieben werden muss oder ob nicht zunächst einmal eine Ultraschalluntersuchung (bei der keine radioaktiven Substanzen notwendig sind) ausreichen könnte. Ist das Szintigramm unumgänglich kommt es darauf an, welches Kontrastmittel verwendet wird. Dein behandelnder Arzt soll sich schlau machen, welches für die vorgesehene Untersuchung Mittel die kürzeste Halbwertszeit hat und wie lange dann eine Stillpause mit Abpumpen und Verwerfen der Milch notwendig ist. Erkundige dich doch auch mal, ob die Untersuchung nicht noch eine Zeit lang hinausgeschoben werden kann oder ob nicht doch andere Alternativen zur Untersuchung bestehen. Sollte dein Arzt sich nicht sicher sein, kann er sich bei der Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie in Berlin Tel.: 030-30308111 erkundigen. Das Team um Dr. Ch. Schaefer hat dort einen speziellen Beratungsdienst für Ärzte zu Medikamentenfragen und Fragen zu Diagnoseverfahren in Schwangerschaft und Stillzeit eingerichtet. Und angenommen, der schlimmste Fall tritt ein, auch nach einer OP kann gestillt werden, es gibt aber auch stillverträgliche Medikamente, die eine OP hinausschieben können. Also Kopf hoch, bei gaaaaanz vielen Frauen kommt es nach einer Schwangerschaft zu Schilddrüsenproblemen und selten braucht es mehr als Tabletten. Ich hoffe, ich konnte dich gleich beruhigen. LLLiebe Grüße, Biggi


Julirose

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Liebe Biggi, vielen, vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Bis die Werte nun genau bestimmt werden, kann ich aber bedenkenlos weiterstillen? Was mir gerade noch eingefallen ist, falls ich diese Fehlfunktion schon in der SS oder auch davor hatte und nicht bemerkt habe, habe ich meinem Sohn damit evtl. geschadet. Könnte er nicht auch schon eine Fehlfunktion haben? Beim Fersenblut wurde nichts festgestellt. Vielen Dank


Biggi Welter

Biggi Welter

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Liebe Julirose, das hätte man fest gestellt und wenn jetzt was ist, wird noch einmal Blut abgenommen. Hab keine Angst, so schnell passiert da nichts! Biggi


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