Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Reicht es noch?

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Reicht es noch?

Mitglied inaktiv

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Hallo Biggi! Seit gestern beschäftigt mich die Frage, worüber ich bisher nur gelacht habe. Und zwar: ob meine Maus noch satt wird! Aus folgendem Grund: tagsüber isst sie nicht sehr viel, sie entdeckt lieber. Also mittags 1/3 Gläschen und nachmittags ein paar Löffel Obst und abend einen halben Abendbrei. Morgens und nachts und abends wird gestillt, teilweise noch Einschlafstillen mittags. Gestern abend hat sie mich total wund genuckelt, aber ich habe das Gefühl, dass gar nicht so viel raus kommt. Früher sagte ich immer "sie holt sich ihr essen eben nachts" aber da ich tagsüber nicht mehr so viel stille, frage ich mich, ob überhaupt noch genug produziert wird, um das Versäumte vom Tag in der Nacht zu geben? Oder ist es jetzt etwa an der Zeit, Flasche zu geben? Aber das mag meine Tochter nicht und ich eigentlich auch nicht. Ich hatte gestern nacht einfach das Gefühl, dass sie gern richtig trinken würde, und nach über 30 Min. nuckeln kann ja nichts mehr kommen, oder? An manchen Tagen isst sie tagsüber gut, aber tendenziell eher wenig. Sie ist jetzt 9,5 Monate und wiegt 8 kg. Ich glaube, das ist nicht gerade viel. Mein Kinderarzt rät mir immer zum Buch "Jedes Kind kann....." deshalb mag ich ihn gar nicht um Rat fragen. Seine Vorschläge sind mir zu brutal und lieblos. Ich hoffe, Du kannst mir helfen - wie immer! Herzlichen Dank schonmal! Dana


Biggi Welter

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Liebe Dana, die Gewichtszunahme verlangsamt sich mit zunehmendem Alter und nimmt auch mit Einführung der Beikost in der Regel nicht wieder zu, sondern wird eher noch langsamer. In den ersten drei bis vier Monaten liegt die übliche Gewichtszunahme zwischen 113 und 227 Gramm pro Woche. Vom vierten bis sechsten Monat verlangsamt sich die Gewichtszunahme gewöhnlich auf 85 bis 142 Gramm pro Woche, im Alter von sechs Monaten bis zwölf Monaten verringert sie sich auf 42 bis 85 Gramm wöchentlich. Diese Angaben bedeuten aber nicht, dass jedes Kind kontinuierlich jede Woche diese Grammzahl zunehmen muss, sondern, dass im statistischen Mittel solche Werte erreicht werden. Unterschätze deine Kleine nicht, sie kann sich mit dem langen Nuckeln jede Menge Milch holen :-). Die Vorstellung, dass die Brust (ähnlich wie eine Flasche) nach dem Stillen leer ist und erst wieder aufgefüllt werden muss, ist so nicht richtig. Zwar wird zwischen den Stillmahlzeiten Milch produziert, der Hauptanteil der Milch wird jedoch erst während des Stillens gebildet. Das Saugen des Kindes gibt das entsprechende Signal zur Milchbildung, der Milchspendereflex wird dann ausgelöst. Es ist sicherlich nicht nötig, dass dein Kind jetzt Flaschemilch bekommt, denn gerade wenn dein Kind nicht so viel essen mag, bekommt es durch die Muttermilch wertvolle Nährstoffe. Wie ist es denn mit der Zunahme deines Kindes? LLLiebe Grüße, Biggi


Mitglied inaktiv

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Hallo Biggi, sie wiegt schon seit über einer Woche 8 kg. Aber das Gewicht ist nicht das Problem. Ich frage mich nur, ob es noch reichen kann, weil ich tagsüber nicht mehr stille. Wenn die Brust abends voll ist kommt ja auch mehr als nach dem Stillen...? Lieben Dank schonmal!!!! Dana


Biggi Welter

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Liebe Dana, es ist eben nicht so, dass die Brust wie eine Flasche funktioniert, die erst wieder gefüllt werden muss. Dieser Irrglaube hat leider schon vielen Frauen das Stillen erschwert oder sogar zum Abstillen wegen zu wenig Milch geführt. Es gibt einen sehr schönen Artikel, in dem das Prinzip der Milchbildung genau beschrieben wird. Ich hänge ihn hier an. LLLiebe Grüße Biggi Welter Wie die Muttermilch gebildet wird Linda J. Smith, Dayton, Ohio, USA, aus: LEAVEN Juni/Juli 2001 übersetzt von Angelika Quell, D Fulda "Ich habe nicht genug Milch", so lautet die häufigste Begründung für Zufüttern oder Abstillen. Manchmal stimmt ist das auch so, manchmal, glaubt die Mutter jedoch nur, dass es so sei. Der Fortschritt im Wissen um das Verständnis des Milchbildungsprozesses ist zum Teil der Molkereiwirtschaft zu verdanken (diese hat ein finanzielles Interesse daran, genau zu wissen, wie man eine Kuh dazu bringt möglichst viel Milch zu produzieren) und teils denjenigen, die stillende Mütter beraten. Vor den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts glaubte man im allgemeinen, dass die meiste Milch während des Milchspendereflexes gebildet würde, da die Milch während des Let down Reflexes schneller fließt. (Dies glaubten sowohl Molkereiwissenschaftler als auch Befürworter des Stillens.) Peterson zeigte 1944, dass die Milchsekretion gleichmäßig abläuft und der Let down Reflex ein anderer und eigenständiger Prozess ist. Der Let down Reflex presst die Milch heraus, die bereits gebildet und in den Alveolarlumen (kleine Gänge, in welche die Milch aus den Alveolen sezerniert wird) gelagert ist. Während des Milchspendereflexes wird die Milch nicht schneller gebildet, sie fließt nur schneller. Durch die von Peter Hartmann in Australien seit den 90ger Jahren durchgeführten und immer noch laufenden Untersuchungen an stillenden Frauen, wurde festgestellt, dass die Milchbildungsrate - wie schnell die sekretorischen Zellen Milch bilden - in Abhängigkeit dazu steht, wie leer (oder voll) die Brust ist. Dies wird als autokrine (oder lokale) Steuerung bezeichnet. Beim Füllen der Alveolarlumen signalisieren bestimmte Inhaltstoffe der verbliebenen Milch (Feedback Inhibitor of Lactation Faktor (FIL), Peptide, Fettsäuren und möglicherweise auch andere Stoffe) den sekretorischen Zellen die Milchbildung zu verlangsamen. Je leerer die Brust ist, desto schneller versucht sie sich wieder zu füllen ähnlich wie ein automatischer Eisbereiter. Hartmann sagt, dass die Rate der Milchsynthese bei Frauen zwischen 11 und 58 ml/Stunde/Brust variiert. Leere Brüste bilden Milch schneller als volle. Wenn die Brust regelmäßig und gänzlich entleert wird, ist die Milchsynthese uneingeschränkt. Hartmanns Untersuchungen dokumentieren das, was wir bei La Leche Liga schon seit langer Zeit wissen das Angebot an Milch wird durch die Nachfrage des Babys reguliert. Es kommt selten vor, dass ein Baby die gesamte Milch aus der Brust seiner Mutter trinkt. 1993 fand Hartmann heraus, das Babys durchschnittlich 76% der ihm in der Brust ihrer Mütter zur Verfügung stehenden Milch innerhalb einer 24 Stunden Periode trinken. Dadurch hat das Baby eine kurzfristige Kontrolle über die Milchproduktion seiner Mutter. Im folgenden werde ich diese Praxis, die ich als "80 : 20 Konzept" bezeichne, erklären. Die üblicherweise vom Kind täglich getrunkene Milchmenge beträgt 80 % (der Gesamtmenge, die gebildet wird). Die in der Brust der Mutter verbleibende Menge beträgt 20 %. Wenn mehr als 80% der Milch getrunken werden, steigt das Angebot damit das Verhältnis 80 : 20 aufrechterhalten wird. Werden jedoch weniger als 80% getrunken, vermindert sich das Angebot, um das 80 : 20 Verhältnis aufrechtzuerhalten. Obwohl dies eine sehr starke Vereinfachung eines sehr komplexen Prozesses ist, hat sich das Kernprinzip doch durch neue wissenschaftliche Untersuchungen erhärtet. Untersuchungen zeigen, dass die Ernährung der Mutter, ihre Flüssigkeitsaufnahme oder andere Faktoren nur einen geringen Einfluss auf die Milchproduktion haben. Wenn das "Milch Entfernungs" Teilchen an der richtigen Stelle im Puzzle liegt, produzieren Mütter sehr viel gute Milch, unabhängig davon, wie sie sich ernähren. Wenn das "Milch Entfernungs" teilchen jedoch nicht da ist, kann nichts dieses Manko ausgleichen. Signifikante Risikofaktoren , die sich hemmend auf ein ausreichendes Milchangebot auswirken, scheinen Brustoperationen, in der Gebärmutter verbliebene Plazentareste, das Sheehan Syndrom (nach der Geburt bei Müttern auftretende Hypophysenvorderlappen Insuffizienz) oder ein Hypophysenschock, hormonelle Empfängnisverhütung und nicht genügend Brustdrüsengewebe zu sein. Wenn keiner dieser Faktoren zutrifft, ist es äußerst selten, dass eine Mutter nicht genügend Milch produzieren kann, was aber dennoch vorkommen kann. In meiner Praxis gibt es gewöhnlich zwei Gründe für "nicht genug Milch": (1) das Baby wird pro Tag nicht ausreichend lange angelegt, die Stillmahlzeiten werden beendet, bevor das Baby von sich aus aufhört an der Brust zu trinken oder die Intervalle zwischen den einzelnen Mahlzeiten werden zu sehr ausgedehnt oder das Baby bekommt etwas anderes um "es hinzuhalten" oder (2) es findet kein effektiver Milchtransfer zum Baby statt: entweder aufgrund falschem Anlegens oder wegen einem Saugproblem. Untersuchungen zeigen, dass es extrem wichtig ist, einer Brustdrüsenschwellung vorzubeugen bzw. sie sofort zu behandeln. Wenn immer es möglich ist, sollte das Baby uneingeschränkt nach Bedarf und ausschließlich an der Brust ernährt werden. Die Mütter sollten ihre Babys solange an der ersten Brust zu trinken lassen, bis sie von sich aus loslassen und ihnen dann die zweite Brust anbieten. Säuglinge müssen 8 12 mal innerhalb von 24 Stunden angelegt werden, bis sich die Milchbildung eingespielt hat. Die meisten Säuglinge werden insgesamt mindestens 140 Minuten pro Tag trinken, durchschnittlich 10 30 Minuten pro Stillmahlzeit. Die Mütter sollten ermutigt werden, dass Stillen als Nahrung für Körper und Seele zu betrachten. Meine Bitte an alle: Schaut Euch das Baby sorgfältig an. Ich zögere nicht, eine Pumpe als Hilfsmittel zu empfehlen, da ich so viele kleine Babys erlebe, welche zeitweise schlecht saugen. Durch das schlechte Saugen bleibt Milch in der Brust zurück, dadurch wird die Milchbildung beeinträchtigt und das Ergebnis des Ganzen ist ein hungriger unruhiger Säugling und keine Milch. Mit einem guten Pumpmanagement, wird die Mutter genügend ihrer eigenen Milch abpumpen können, um das Baby damit zu füttern, während wir versuchen herauszufinden, wie wir dem Baby helfen können, besser an der Brust zu trinken. Die (zu geringe) Milchmenge ist meist das am einfachsten zu lösende Problem. Denkt daran: es ist nach wie vor das Prinzip von Angebot und Nachfrage, das über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.


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