Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Nachts jede Stunde stillen

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Nachts jede Stunde stillen

Mitglied inaktiv

Hallo liebes Stillteam! Ich suche Rat, weil meine Tochter Nachts immer schlechter schläft. Sie wird aller zwei Stunden oft auch jede Stunde wach und schreit. Ich kann sie nur mit der Brust beruhigen. Alles andere hat keinen Erfolg. Nach dem Trinken (jeweils große Mengen) schläft sie friedlich wieder ein. Ich habe schon Wasser im Fläschchen probiert. Aber damit lässt sie sich nicht austricksen. ;-) Sie ist jetzt knapp fünf Monate alt. Sie schlief am Anfang immer fünf Stunden nachts bis zur nächsten Malzeit. Jetzt macht mich das ständige Anlegen ganz schön fertig. Ich habe noch einen vier Jahre alten Sohn. Ich hätte gern einen Rat, wie wir wieder zu einer erholsameren Nacht kommen! Schöne Grüße Vielen Dank im Voraus für ihre Antwort!


Biggi Welter

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Liebe Theos Mama, als Eltern glauben und hoffen wir immer auf eine lineare Weiterentwicklung der Fähigkeiten unserer Kinder. Beim Schlafverhalten können wir jedoch nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung kontinuierlich verläuft, im Gegenteil, relativ viele Babys schlafen mit drei Monaten deutlich länger und anhaltender als mit fünf oder zehn Monaten. Das Schlafverhalten hängt nicht unbedingt oder nur in extrem geringem Maße von der Ernährung ab. Gerade in der Zeit ab etwa vier bis sechs Monate wachen viele Babys (wieder) vermehrt auf. Dies liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Als stillende Mutter hast Du den ungeheuren Vorteil, dass Du dein Kind durch diese für alle anstrengende Zeit begleiten kannst, ohne dass Du richtig wach werden und aufstehen musst. Genieße dieses Privileg, dich einfach nur umdrehen zu müssen, so dass dein Kind an deine Brust kann und dann, wenn schon nicht sofort weiterschlafen zu können, so doch zumindest ruhen kannst. Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchtest, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Du im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen kannst. LLLiebe Grüße, Biggi


Mitglied inaktiv

Hallo Theos Mama, ich möchte dir nur mitteilen das du nicht alleine mit dem Problem bist. Und das ich dankbar bin das ich deine Frage und die Antwort darauf lesen konnte. Ich hoffe sie hilft auch mir/ uns. liebe Grüße


Mitglied inaktiv

Vielen Dank für die Antwort und auch die Grüße im zweiten Kommentar. Ich war mir schon sicher, dass ich meinem Kind dieses Verhalten anerzogen habe. In der Krabbelgruppe schlafen von neun Kinder, acht durch. Dieses Kind ist meins. Da zweifel ich schon an meiner Methode. Es gibt auch im Umfeld, die Meinung das Kind braucht Brei, es wird nicht satt. Aber ich bin mir sicher, dass es satt ist. Wenn man nur wüsste, wie lange die Nächte so sind, dann hätte man ein Ziel. Aber so fühlt man sich so hilflos. Besteht denn nicht die Gefahr, dass die Stillabstände noch kürzer werden? Und dass es nur noch an der Brust schlafen will?


Biggi Welter

Biggi Welter

Liebe Theos Mama, zunächst einmal möchte ich dich beruhigen: Es ist nicht schlimm, und schon gar nicht ein "Versagen" deinerseits, dass deine Tochter noch nicht alleine ein- und durchschlafen mag. Ganz im Gegenteil: DIESES Verhalten ist das normale, will heißen, so hat die Natur es vorgesehen, so entspricht es der Natur eines Menschenjungen. Hast du gewusst dass ein junger Elefant eingeht, wenn er in den ersten 2 Lebensjahren nicht die PERMANENTE Anwesenheit seines Hauptbezugs"tieres" hat (kann auch ein Mensch sein...). Wenn ein Elefantenbaby zum Waisenkind wird bekommt es im Zoo selbstverständlich einen Pfleger zur Seite gestellt, der Tag und Nacht Hautkontakt bietet. Kein Mensch würde die Notwendigkeit dafür in Frage stellen. Nur mit unseren eigenen Babys, die viel unreifer geboren werden, erwarten wir so viel mehr. Das ist ein Punkt, der viele Diskussionen auslöst und bei Mutter und Kind zu vielen Tränen führen kann: Das Kind soll "wach" ins Bett gelegt werden und alleine einschlafen können (was eine enorme neurologische Leistung darstellt). Wenn es aber nur an der Brust oder im Körperkontakt mit der Mutter einschlafen kann, dann verurteilen wir dies als schlechte oder gar schädliche Angewohnheit... Wenn wir uns die Geschichte der Menschheit anschauen, dann wissen wir, dass es sich ein Urmensch und auch heute noch Menschen, die nicht so komfortabel wie wir in einem fest gemauerten Haus in "zivilisierter" Umgebung wohnen, nie leisten konnten und könnten, ihr Kind einfach "wach" irgendwo hinzulegen, damit es alleine schläft. Das Risiko, dann innerhalb von kürzester Zeit den Verlust eines Kindes betrauern zu müssen ist da viel zu groß. Der Punkt ist der, dass Babys und Kleinkinder ganz gleich was alle diesen Bücher und Hochglanzbroschüren sagen nicht dazu gedacht sind, alleine (ein)zuschlafen. Für ein Baby ist es absolut normal, dass es in den Armen und an der Brust der Mutter einschläft. "Emanzipierte" Babys sind in der Evolution noch nicht vorgesehen und da unsere Kinder mit der gleichen genetischen Ausstattung auf die Welt kommen, wie in grauer Vorzeit, funktioniert nicht alles sofort so, wie es in unsere moderne Welt passen würde. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist das Stillen und gemeinsame Schlafen eine bewährte Methode Kinder glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen zu lassen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses "natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit "Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Alleine sein bedeutet für ein Baby oder Kleinkind aus seiner Sicht Lebensgefahr. Sie wissen nicht, dass es heute und in unserer Gesellschaft unwahrscheinlich ist, dass sie von einem wilden Tier gefressen werden, wenn sie alleine sind. Wir können einfach nicht erwarten, dass unsere Babys "begreifen" dass ihnen doch alleine nichts passieren kann und wir können sie auch nicht dazu bringen, dass sie in diesem jungen Alter ein Gefühl dafür entwickeln, dass es doch "nur fünf Minuten" oder welche Zeitspanne auch immer ist, die sie warten müssen bis wieder jemand kommt. Also: Das Einschlafen an der Brust ist nicht wirklich ein Problem, denn es entspricht der Natur der Kinder, die genau dort die Ruhe, Geborgenheit und Zuversicht finden (mal ganz abgesehen von der wertvollen Muttermilch), die es ihnen ermöglicht, sich dem Schlaf hinzugeben. Kleine Kinder haben es sehr schwer, einzuschlafen, das hängt mit ihrem unreifen Nervensystem zusammen und wird ganz von allein, sobald sie reif genug dafür sind, sich auflösen! Ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Eine Flasche mit künstlicher Säuglingsnahrung (oder ein Abendbrei) verbessern das Schlafverhalten nicht (das wurde in Studien nachgewiesen). Es gibt nicht wenige Kinder, die dann sogar noch weniger schlafen. Lass dich nicht verunsichern, in deinem Innern weißt Du, dass dein Kind nicht dein Feind ist, der bekämpft werden muss. LLLiebe Grüße Biggi


solevita34

Hallo zusammen, ich habe gerade diesen Beitrag aus dem Jahre 2010 gefunden. Mich hat die Antwort von Bibbi total fasziniert;))) Es ist in der Tat so, das unsere kleinen Babys einfach ihre Mama haben möchten und kuscheln und nach ihr rufen! Die können es aber nicht in Worte fassen, hätte dein Baby zu dir gesagt: Mama ich brauche dich jetzt, bei dir ist es sooo warm und kuschelig, kannst du bitte kommen?! Was würdet ihr Muttis machen in dem Moment???? NATÜRLICH würde jede Mutter das tun!!! Na also!!! Egal wie schwer es ist, durch halten!!! Und die Zeit genießen, so klein werden die nie wieder sein. Mein Großer ist 6 und mag nicht mehr so oft kuscheln, egal wie gern ich es noch mit ihm machen würde;((


solevita34

Hallo zusammen, ich habe gerade diesen Beitrag aus dem Jahre 2010 gefunden. Mich hat die Antwort von Biggi total fasziniert;))) Es ist in der Tat so, das unsere kleinen Babys einfach ihre Mama haben möchten und kuscheln und nach ihr rufen! Die können es aber nicht in Worte fassen, hätte dein Baby zu dir gesagt: Mama ich brauche dich jetzt, bei dir ist es sooo warm und kuschelig, kannst du bitte kommen?! Was würdet ihr Muttis machen in dem Moment???? NATÜRLICH würde jede Mutter das tun!!! Na also!!! Egal wie schwer es ist, durch halten!!! Und die Zeit genießen, so klein werden die nie wieder sein. Mein Großer ist 6 und mag nicht mehr so oft kuscheln, egal wie gern ich es noch mit ihm machen würde;((


Megy

Hey, deine kleine ist nun schon 11 Jahre und meine gerade 6 Monate und ich hane das gleiche "Problem" :) ich muss jedes mal eine Flasche machen. Tolle Antwort die hilft mir weiter. Liebe Grüße


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